Belgien nach den Terroranschlägen: Dwars Door Vlaanderen und E3 Prijs Harelbeke

AM Updated 29 März 2016
Belgien nach den Terroranschlägen: Dwars Door Vlaanderen und E3 Prijs Harelbeke

Zwar waren wir in diesem Jahr bereits zu den beiden Klassikern Omloop Het Nieuwsblad und Kuurne–Brüssel-Kuurne in Belgien vor Ort, doch der eigentliche Einstieg in die Klassikersaison beginnt für uns traditionsgemäß mit Dwars Door Vlaanderen. In die Vorfreude auf die Rennserie Flanders Classics, Paris-Roubaix und die wallonischen Klassiker mischte sich bereits am Dienstagmorgen ein sehr bitterer Beigeschmack, als unser Nachbarland von zwei schwere Terroranschläge auf dem Flughafen Zaventem und in der Brüsseler U-Bahn heimgesucht wurde. Für uns bedeutet dies lediglich ein paar Umbuchungen zu tätigen, vom Luftverkehr auf die Straße zu wechseln, eine achtstündige Fahrt durch die Nacht und etwas unausgeruht am nächsten Renntag bei der Einschreibung und Teampräsentation am Start zu stehen. Viele andere hatten weitaus weniger Glück. Sie bezahlten mit ihrem Leben, trugen schwere physische Verletzungen davon und haben psychisch sicherlich noch lange unter diesem Traumata zu leiden.

Mit diesen Anschlägen geriet auch die emotionale Vorfreude, die euphorische Begeisterung der Belgier für den Nationalsport Nummer 1 sehr stark ins Wanken. Weitermachen, dem Terror trotzen, jetzt erst recht, wir lassen uns nicht unter kriegen? Ganz so einfach ist es nicht und die Veranstalter haben sich die Entscheidung keinesfalls leicht gemacht. Die Teams, Fahrer und sportlichen Leiter waren hin und her gerissen. Jeder hätte es verstanden, wäre das Rennen abgesagt worden. Trotz dreitägiger Staatstrauer, Ausnahmezustand und höchster Terrorwarnstufe gab die Regierung relativ schnell grünes Licht und genehmigte die Freistellung der Polizeikräfte, die zur Durchführung des Rennens notwendig sind. Also entschied man sich das Rennen zu starten. Es sollte in erster Linie zeigen, dass man zusammensteht, Rennfahrer aus der ganzen Welt in dieser schweren Zeit zu Belgien stehen und der Opfer gedenken.

Die Teampräsentation auf dem Grote Markt von Roeselare begann recht leise, ohne offizielle Präsentation der Fahrer stiegen die Teams, eine Equipe nach der anderen auf die Präsentationsbühne zum einschreiben, danach nahmen sie wortlos Aufstellung und jeder Fahrer bekam ein schwarzes Trauerflor überreicht, welches er sich an den rechten Arm heftete. Anschließend verließen sie die Bühne. Alles verlief ohne Ansage und Moderation. Dennoch war der Platz vor dem Stadhuis gut gefüllt und auch am Start entlang der Ooststraat standen die Leute dicht gedrängt.

Der langjährige Sprecher und Kommentator der belgischen Klassiker Rennen Michel Wuyts übernahm am Ende doch noch einmal das Mikrofon und an der Tatsache, dass dem sonst so redegewandten Routinier ein ums andere mal die Stimme versagte, konnte man erkennen, wie sehr die Veranstalter von den vorangegangenen Ereignissen berührt wurden. Nach einer Gedenkminute setzte sich das Fahrerfeld über die 203 Kilometer auf dem Weg nach Waregem in Bewegung.

Kurz nach dem offiziellen Start bildete sich eine sechsköpfige Ausreißergruppe in der neben dem Deutschen Bora-Argon 18 Fahrer Phil Bauhaus auch der Belgier Kevin Van Melsen (Wanty - Groupe Gobert), der Niederländer Jesper Asselman (Roompot), der Russe Igor Voev (RusVelo), der Franzose Alexis Gougeard (Ag2R) und der Luxemburger Alex Kirsch (Stölting) vertreten waren. Über die zwölf Anstiege, von denen fünf über Kopfsteinpflaster führten und die 3 zusätzlichen Kopfsteinpflaster Sektoren betrug der Maximalvorsprung der Ausreißer 8 Minuten. Am Taaienberg, gut 50 Kilometer vor dem Ziel wurden die letzten Ausreißer gestellt. Auf den letzten Kilometern teilte sich das Hauptfeld in drei größere Gruppen, die Spitze bestand am Ende aus 37 Fahrern. Aus dieser Gruppe versuchte, 8 Kilometer vor dem Ziel am 6% steilen Nokereberg der Belgier Greg van Avermaet noch einen Fluchtversuch, der auf dem letzten Kilometer endete.

Auf der 400 Meter langen Zielgeraden trat der kolumbianische Bahn - Omnium Weltmeister Fernando Gaviria Rendon vom Team Etixx Quick Step als erster an und bestätigte damit seine Gute Form, die er schon auf der Classicissima Mailand-San Remo gezeigt hatte, bestätigte aber auch seine Unerfahrenheit, die ihn in San Remo zu Fall brachte und auch in Waregem, wo er zu früh im Wind stand den möglichen Sieg kostete. Auf den letzten Metern sah der wiedererstakte Franzose Bryan Coquard vom Europcar Nachfolgeteam Direct Energy schon als der sichere Sieger aus, als der Belgier Jens Debusschere vom Team Lotto Soudal noch auf der Ziellinie sein Rad vorbei schob. Dritter wurde sein Landsmann Edward Theuns vom Team Trek-Segafredo. Bester Deutscher auf Platz 33 wurde Phil Bauhaus der sich schon zuvor unter die Ausreißer des Tages gemischt hatte und somit eine sehr gute Vorstellung lieferte.

Zwei Tage später startete auf gleichem Terrain der 59. E3 Prijs von und nach Harelbeke und trotz Staatstrauer hatte sich die Situation wieder fast normalisiert. Zwar gab es im Start-Ziel Bereich verstärkte Polizeikontrollen und gerade im VIP – Zelt, welches mehrere tausend Zuschauer und Mäzene beherbergte, hatte man ein sehr wachsames Auge. Aber man versuchte jegliche Anspannung und Stress zu vermeiden. Michel Wuyts waltete wieder wie gewohnt seines Amtes und konnte mit dem ein oder anderen Fahrer auch schon wieder scherzen, als er beispielsweise den schicken Vollbart von Ralf Matzka (Team Bora Argon 18) anpries und bei der Teampräsentation der russischen Formation Tinkoff das Mikrofon an den slowakischen Weltmeister Peter Sagan übergab. Der wirkte wieder einmal ganz er selbst und stellte seinen österreichischen Teamkollegen Michael Gogl als Google Maps vor. Auf die Frage, wer den Platz zwei hinter ihm werden würde sagte er: „Ich kann keine Pflastersteinpassagen fahren“ und „wenns nicht läuft werde ich vielleicht Entertainer in Las Vegas“.

Die begeisterten belgischen Radsportfans begaben sich zu den 25 bereitgestellten Reisebussen, womit sie an die verschiedenen Schlüsselstellen an die Strecke gebracht wurden, während die Fahrer an der Startlinie Aufstellung nahmen und noch einmal der Opfer von den Brüsseler Anschlägen gedachten.

Es wurde gegenüber den Rennfahrern noch einmal deutlich betont wie wichtig es sei, hier zu sein und sich solidarisch mit den Belgiern zu zeigen. Das französische Team machte dies auch visuell deutlich, in dem man auf den Helmen und an den Trikotärmeln die belgische Nationalflagge trug.

Pünktlich zum Start riss der Himmel auf und die Sonne zeigte sich. Im Laufe des Tages stieg das Thermometer in den zweistelligen Bereich, was das Rennen für Fahrer und Zuschauer zu einem recht angenehmen Ereignis werden lassen sollte. An vielen Stellen entlang der Strecke wurden Zelte aufgebaut, die Barbecue Grills entzündet und das belgische Bier floss in gewohnter Manier. Es wurde sich schon richtig auf das Großereignis am Sonntag in einer Woche, die 100. Austragung der Ronde van Vlaanderen eingestimmt.

Knapp 50 Kilometer nach dem Start konnte sich die erste Spitzengruppe mit dem Belgier Antoine Demoité (Wanty-Groupe Gobert), dem Franzosen Tony Hurel (Direct Energy), dem Niederländer Bert De Backer (Giant-Alpecin) , dem Niederländer Sjoerd van Ginneken (Roompot), dem Niederländer Wouter Wippert (Cannondale), dem Südafrikaner Jay Robert Thomson (Dimension Data), dem Schweizer Reto Hollenstein (IAM) und dem Deutsche Nico Denz (Ag2r) aus dem Feld absetzen und erarbeitete sich einen Vorsprung von 5:30 Minuten.

Die 206,4 Kilometer führten über 15 Berge mit insgesamt 1832 Höhenmetern und einer Steigung zwischen 3 – 12%. 60 Kilometer vor dem Ziel, kurz hinter dem Eikenberg wurde auch der letzte Ausreißer um die Gruppe von Nico Denz gestellt. 20 Kilometer vor dem Ziel gelang dem Polen Michal Kwiatkowski vom Team Sky und dem Slowaken Peter Sagan vom Team Tinkoff der rennentscheidenden Vorstoß. Auf der Zielgeraden versagten dem Slowaken, der sich auf den letzten Kilometern durch den deutlich höheren Anteil an Führungsarbeit aufgerieben hatte die Beine und Kwiatkowski holte den zweiten Sieg beim E3 Preis in Folge für das Team Sky. Der Brite Ian Stannard rundete den Tag für das britische Team ab und gewann den Sprint des Hauptfeldes. Der Schweizer Fabian Cancellara vom Team Trek-Segafredo, dem unterwegs der Umwerfer abgebrochen war, er auf das Ersatzrad warten musste und eine furiose Aufholjagd startete belegte am Ende Platz 4. Bester Deutscher wurde Ralf Matzka vom Team Bora Argon 18 als Zwanzigster mit 4:48 Minuten Rückstand. Einen Rang dahinter landete Marcus Burghardt vom BMC Racing Team.

Fotos: Arne Mill

Fotos bei frontalvision.com:

> Dwars Door Vlaanderen

> 59.-E3-Prijs-Harelbeke

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Inhalt der Neuigkeit:
Rennbericht
Radrennen-Art:
  • Straßenrennen
Name des Radrennens
  • Dwars Door Vlaanderen
  • E3 Harelbeke

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Was ist mit dem Radfahrer der sich beim e3 verfahren hat?
G
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