Nibali vor Chaves und Valverde: Rückblick auf den 99. Giro d`Italia 2016

AM Updated 03 Juni 2016
Nibali vor Chaves und Valverde: Rückblick auf den 99. Giro d`Italia 2016

GiroEs ist mittlerweile zur Tradition des Giro geworden, dass der Giro alle zwei Jahre das Mutterland verlässt und sich für den Start ein Land und eine Region außerhalb Italiens sucht. Dafür haben die Italiener bislang immer ein sehr gutes Händchen bewiesen, als sie beispielsweise 2012 den „Partenza Grande“ nach Herning in Dänemark oder 2014 nach Belfast mit den ersten drei Etappen in Nord- und Irland verlegten. Auch in diesem Jahr boot der Auftakt im niederländischen Apeldoorn alles, was eine große dreiwöchige Rundfahrt braucht. Die Niederländer haben nach dem Tour de France Auftakt 2015 in Utrecht in diesem Jahr noch mal eins drauf gelegt und die Massen in Apeldoorn, Arnhem und Nijmegen regelrecht elektrisiert. Den Schwung der Euphorie aus dem vergangenen Jahr mitzunehmen, zeugte von perfektem Timing und taktischem Geschick. So bahnte sich bei der spektakulären Teampräsentation auf dem Marktplein das an, was sich über die kommenden drei Wochen weiter durchziehen sollte: „Die Tour de France ist perfekt organisiert“ aber „Der Giro d`Italia ist einfach nur geil“! Die Italiener haben halt das gewisse „Etwas“ um Dinge für das Auge richtig schön zu machen. Dafür ist es auch sehr schwer die richtigen Worte zu finden, man muss es einfach gesehen und erlebt haben.

GiroNun ist es nicht besonders schwer unsere holländischen Nachbarn für den Radsport zu begeistern. Die Begeisterung ist immer da und allgegenwärtig. In den Niederlanden gibt es mehr Fahrräder als Einwohner. Die Infrastruktur für Radfahrer ist so perfekt ausgebaut, wie kaum irgendwo anders. Fahrradfahren in Holland ist Ausdruck des Lebensgefühls der Niederländer oder ganz einfach - Lifestyle! Das spiegelt sich vor allem in den unterschiedlichsten Variationen der zweirädrigen Vehicle wieder, die auf Hollands großzügig angelegten Radwegen zu finden sind.

„Wenn Tom Dumoulin morgen ins Rosa Trikot fährt ist für alle Holländer Weihnachten, Ostern und Geburtstag zusammen“. Sagte mir mein Shuttlebusfahrer im Anschluss nach der sehr gelungenen Teampräsentation und verriet damit eigentlich schon alles, was einen in den kommenden drei Tagen erwarten würde. 

DumoulinDas mit 9,8 Kilometer lange Auftaktzeitfahren startete im Herzen des niederländischen Radsports, dem Omnisportcentum von Apeldoorn, welches 2008 eröffnet wurde und seither als wichtigste nationale Trainings- und internationale Wettkampfstätte dient. Aus dem Innenbereich des Lattenovals wurden die Rennfahrer im Minutentakt auf den tellerflachen und technisch relativ einfachen Kurs in Richtung Stadtzentrum geschickt.

Der „Vlinder (Schmetterling) van Maastricht“ erfüllte seinen Landsleuten ihren sehnlichsten Wunsch und schlüpfte mit einem hauchdünnen Vorsprung als erster Fahrer ins Rosa Trikot. Der zweifache Juniorenweltmeister im Einzelzeitfahren Marcel Kittel besann sich auf seine „alten“ Qualitäten und fuhr auf einen hervorragenden 5. Platz in der Gesamtwertung mit nur 11 Sekunden Rückstand auf den Gesamtführenden. 

KittelVor dem Start zur zweiten Etappe über 190 Kilometer von Arnhem nach Nijmegen sangen die Gastgeber noch etwas hämisch beim vorbeifahren des großen blonden Arnstädters „Du hast die Haare schön ...“, doch am Endes des zweiten Tagesabschnitts, verkürzte Kittel seinen Rückstand auf Dumoulin mit einem hammerharten Sprint, gegen den kein Kraut gewachsen war, mit einem Sieg, durch die 10 Sekunden Bonifikation auf 1 Sekunde und das lachen blieb den niederländischen Fans im Halse stecken. Das tat der ausgelassenen Radsportfreude entlang der Strecke aber keinen Abbruch. 

KittelDie dritte Etappe von Nijmegen nach Arnheim führte über die mit Menschenmassen überfüllten, endlosen Deichwege der vielen Kanäle, Grachten und Hinterlandseen des Gelderlandes, vorbei an den typischen holländischen Windmühlen, bevor es 53 Kilometer vor dem Ziel zur einzigen Bergwertung der 4. Kategorie – Posbank im Veluwezoom Nationalpark kam. Hier hatte man wirklich den Eindruck an einem der namenhaften Tour Berge zu stehen. Nach den zwei Zielpassagen in der Arnheimer Innenstadt, war es erneut Marcel Kittel, der der Konkurrenz keine Chance ließ. Mit den Bonussekunden für den Tagessieg übernahm Kittel die Führung im Gesamtklassement und das Rosa Trikot von den Schultern des Niederländers Dumoulin. Auf dem 3. Tagesabschnitt setzten aber auch die anderen Deutschen Fahrer erste Akzente. André Greipel wurde Vierter, Rick Zabel belegte Rang 9 und Roger Kluge schob sich in der Gesamtwertung auf den 8. Platz vor.

Nach dem Ruhetag im Mutterland des Giro angekommen, übernahm der Kapitän vom Team Giant Alpecin wieder das Zepter und holte sich auf dem Vierten Tagesabschnitt das Rosa Trikot zurück. Hinter dem exzellenten Zeitfahrer mit sehr guten Kletterqualitäten trat aber ein anderer junger Fahrer in Erscheinung, der den Giro im weiteren Verlauf noch entscheidend mitbestimmen sollte. Der Luxemburger Bob Jungels vom Team Etixx Quick Step schob sich mit 20 Sekunden Rückstand auf den Zweiten Rang in der Gesamtwertung vor und übernahm das Trikot des besten Nachwuchsfahrers. Diego Ulissi vom Team Lampre Merida machte für die Italiener den Tag rund und holte sich den Tagessieg.

GreipelDie 5. Etappe bescherte dem gebürtigen Rostocker André Greipel vom Team Lotto Soudal nach Verletzungspech zu Beginn diesen Jahres endlich den ersehnten Etappensieg und er meldete sich somit in die Riege der weltbesten Sprinter zurück. Rick Zabel vom Team BMC Racing sprintete auf den 7. Platz und Bob Jungels macht mit dem 4. Rang 4 Sekunden auf Dumoulin gut.

Die sechste Etappe konnte der belgische Teamkollege von Greipel, Tim Wellens im Alleingang für sich entscheiden und zum ersten mal traten die Gesamtklassementfahrer ein wenig in Erscheinung. Auf Platz 5 im Gesamtklassement hatte sich seit drei Tagen ein gewisser Steven Krujswijk vom Team Lotto NL Jumbo festgebissen und auf Rang sechs mit drei Sekunden Rückstand folgte einer der großen Favoriten Alejandro Valverde. 

GreipelNach dem ersten Drittel des Giro schlug André Greipel erneut zu und die deutschen Fahrer hatten nach 7 Etappen bereits vier Etappensiege auf ihrem Konto. In der Wertung um das Rote Punktetrikot führte André Greipel nun vor Marcel Kittel. Die 8. Etappe entschied der Italiener Gianluca Brambilla vom Team Etixx Quick Step im Alleingang und übernahm damit auch das Rosa Trikot.

Den Tagessieg auf dem 40 Kilometer langen Zeitfahren der 9. Etappe holte sich der Slowene Primoz Roglic vom Team Lotto NL Jumbo. Kittel sagte Ciao und verließ den Giro mit Blick auf die Tour de France und die Straßen WM in Doha. Brambilla behielt Rosa und der 23jährige Luxemburger Jungels kämpfte sich bis auf 1 Sekunde an den führenden Italiener heran. Bester Deutscher wurde Patrick Gretsch vom Team AG2R auf Rang 12 und Platz 14 belegte Jasha Sütterlin vom Team Movistar.

Auf dem 10. Tagesabschnitt siegte der italienische Zweitdivisionär Giulio Ciccone vom Team Bardiani CSF mit 42 Sekunden Vorsprung und der 23jährige Luxemburger Bob Jungels vom Team Etixx Quick Step übernahm das Rosa Trikot. Auf dem Zweiten Rang in der Gesamtwertung setzte sich Andrey Amador aus Costa Rica fest. Ihm folgte sein spanischer Movistar Teamkollege Alejandro Valverde, auf Rang vier Steven Kruijswijk und Platz fünf übernahm der Italiener Vincenzo Nibali vom Team Astana.

Diego Ulissi sicherte sich auf der 12. Etappe seinen zweiten Tagessieg, das Gesamtklassement blieb unverändert. André Greipel holte sich auf der 13. Etappe seinen  dritten Tageserfolg und Rick Zabel fuhr mit Platz 9 erneut unter die Top ten. Damit ist Greipel der erfolgreichste Etappenjäger der 99. Giroaustragung.

NieveEtappensieg Nummer 13 ging an den Spanier Mikel Nieve vom Team SKY. Andrey Amador vom Team Movistar kam mit den Favoriten auf das Gesamtklassement Valverde, Chaves, Nibali und Kruijswijk ins Ziel und wurde als erster Costa Ricaner Träger des Rosa Trikots. Der Luxemburger Jungels büßte 50 Sekunden auf diese Gruppe ein und fiel nach drei Tagen in Rosa auf Rang 2 zurück, behielt aber das Weiße Trikot des besten Nachwuchsfahrers. 

Mit der 14. Etappe wurde das große Finale eingeläutet und der Weg führte die 167 verbliebenen Rennfahrer über die sechs klangvollen Dolomitenpässe Pordoi, Sella, Gardena, Campolongo, Giau und Valparola über 210 Kilometer und 4700 Höhenmeter. Der härtesten Anstieg  war der Passo Giau mit 9,4% Steigung im Schnitt über knapp 10 Kilometer und einer maximalen Steigung von 14%. Der Österreicher Georg Preidler vom Team Giant Alpecin hatte es in der Hand, in Südtirol, unweit der Grenze zu seiner Heimat seinen ersten Giro Etappensieg einzufahren. Als vermeintlich „schlechter“ Sprinter ging er als erster in die Offensive und versuchte auf der 500 m langen Zielgeraden in Corvara seine drei Mitstreiter abzuschütteln, doch vergebens.

ChavesLediglich den Kolumbianer Darwin Atapuma vom BMC Racing Team konnte er um 6 Sekunden distanzieren. Atapumas Landsmann Estaban Chaves vom Team Orica GreenEdge holte sich den Etappensieg und der Niederländer Steven Kruijswijk vom Team Lotto NL Jumbo sicherte sich mit Rang zwei das Rosa Trikot und lag nun in der Gesamtwertung 41 Sekunden vor dem Italiener Vincenzo Nibali vom Team Astana. Auf Platz Gesamtrang 3 mit 1:32 Minuten Rückstand der Kolumbianer Estaban Chaves. Einen schwarzen Tag musste das Team Movistar verzeichnen. Alejandro Valverde konnte zwar Rang Vier verteidigen, büßte jedoch 2 ½ Minuten ein und lag nun 3:06 Minuten hinter Kruijswijk. Noch schlimmer erwischte es Amador der von der Spitzenposition auf den 5. Platz mit 3:15 Minuten Rückstand zurückfiel. Auch für den jungen Luxemburger Bob Jungels war der Tag alles andere als perfekt, er verlor fast 6 Minuten, wurde aus den Top ten verdrängt und lag nun mit 6:10 Minuten Rückstand auf Platz 12.

giroEiner der großen Höhepunkte des 99. Giro d`Italia war das Bergzeitfahren hinauf zur Seiser Alm. 10,85 Kilometer mit 8,3% Steigung im Durchschnitt und die steilste Stelle mit 11% Steigung. Es sollte der Tag des Zweitdivisionärs Gazprom Rusvelo werden. Mit vier Fahrern unter den Top 40 wurden sie zum Überraschungssieger der spektakulären Kletterpartie im Herzen der autonomen Provinz Alta Badia. Platz 1 durch Alexander Foliforov, Platz 4 durch Sergey Fisanov, Platz 22 durch Aleksey Rybalkin und Platz 40 durch Artem Ovechkin, so die sehenswerte ausbeute der russischen Formation im strahlend blauen Teamtrikot, welches auch die Trikotfarbe des besten Kletterers ist und schon fast auf den Schultern des Italieners Damiano Cunego vom Team Nippo Fantini, dem einstigen Giro Gewinner von 2004, festgewachsen zu sein schien.

Der Niederländer Kruijswijk kam fast zeitgleich, mit nur einem Wimpernschlag hinter Foliforov ins Ziel und baute seinen Vorsprung in der Gesamtwertung auf 2:12 Minuten aus. Der Italiener Vincenzo Nibali hatte mit Magenproblemen zu kämpfen, hinzu kam ein Defekt an seinem Rad, was ihn in der Gesamtwertung hinter Chaves auf den Dritten Rang zurück warf. Der Luxemburger Jungels hatte sich wieder gefangen und kämpfte sich mit einem 9. Etappenplatz auf Rang 8 in der Gesamtwertung in die Top ten zurück.

ValverdeAuf der 16. Etappe verließ man Südtirol und es ging weiter Richtung Westen ins  Trentino von Brixen nach Andalo über 132 Kilometer. Einzige Hürde war der knapp 15 Kilometer lange Mendelpass nach der Hälfte des Rennens und der 10 Kilometer lange Schlussanstieg Fai della Paganella. Die ansteigende Zielgerade war wie gemacht für den Spanier Alejandro Valverde und so konnte der Movistarkapitän den Tagessieg aus der dreiköpfigen Spitzengruppe mit Kruijswijk und dem Russen Ilnur Zakarin vom Team Katusha einfahren. Nibali hatte sich auch nach dem Ruhetag noch nicht wieder richtig erholt und wurde von Valverde in der Gesamtwertung auf den vierten Platz verdrängt. Zakarin und der Pole Majka vom Team Tinkoff hatten sich auf den Plätzen 5 und 6 festgesetzt. Jungels kämpfte sich weiter auf Rang 7 vor.

Einer der schönsten Giro Startorte war sicherlich das im Naturpark Adamello Brenta gelegene Örtchen Molveno welches die Spitze des gleichnamigen Sees umschloss. Der absolute Geheimtipp für Italienreisende, die einen romantischen Rückzugsort in atemberaubender Landschaft suchen. 

KlugeAll jene, die jetzt noch, nach dem Ausscheiden von Marcel Kittel und André Greipel, auf einen Etappensieg eines Deutschen Fahrers gesetzt hätten, hätten sicherlich viel Geld verdienen können und all diejenigen, die auf einen Etappensieg von Roger Kluge gewettet hätten, müssten wahrscheinlich nicht mehr arbeiten gehen. Dabei war es eigentlich gar nicht so abwegig, wenn man das letzte Jahr des gebürtigen Eisenhüttenstädters etwas genauer betrachtet. Bereits im Dezember 2015 bei der Omnium DM in Frankfurt Oder, wo Kluhe als Einzelstarter das gesamte rad-net Rose Team, das LKT Team Brandenburg, das KED Stevens Team Berlin und die Maloja Pushbikers in die Schranken wies und den Titel holte, war es nicht mehr zu übersehen, das Funkeln in den Augen war zurück gekehrt, der Biss und der Hunger nach Erfolg, die Sehnsucht ins Olympiateam zurückzukehren und der bedingungslose Wille, in Rio noch einmal eine Medaille zu holen.

KlugeDabei spielte er seine ganze Erfahrung, sein gutes Auge im Rennen und vor allem seine Rennhärte, die er sich in so vielen Straßenrennen in der Schweizer Formation IAM geholt hatte, aus. Sein Meisterstück gelang ihm aber Anfang März 2016 bei der UCI Bahn WM in London im Omniumwettbewerb, wo er im abschließenden Punktefahren mit zwei Rundengewinnen noch auf den Silbermedaillenrang fuhr und damit Punktgleich mit den Gold- und Bronzemedaillengewinnern auf dem Podest stand. Kritikern, die jetzt sagen, Bahn und Straße kann man nicht vergleichen, muss man sagen, dass die ersten Sechs platzierten Fahrer des Omniumwettbewerbes von London, in einem Pro- bzw. Pro Conti Team nicht nur unter Vertrag sind, sondern dort auch hochkarätige Straßenrennen fahren, gefahren sind und gewonnen haben.

Nun gilt Kluge nicht unbedingt als Etappenjäger, sondern eigentlich eher als absolut loyaler Helfer, einen Platz, den er sich gerade im Team IAM sehr hart erarbeitet hat. So sah er selbst auch seine Tagesaufgabe in erster Linie darin, den Sprinter Heinrich Haussler auf einer optimalen Position auf der Zielgeraden abzuliefern. Sein gutes Auge und sein taktisches Gespür, welches er zuvor in den Omniumwettbewerben bei der Bahn - DM und der  - WM zu Genüge unter Beweis gestellt hatte, kamen ihm auf der 17. Etappe zu Gute, als er aus der letzten Kurve heraus antrat und den Ausreißer Filippo Pozzato aus dem Team Wilier Triestina - Southeast ungefähr 400 Meter vor dem Ziel stellte. Anschließend blickte er sich um, um den Sprint für seinen Kapitän Haussler frei zu geben, doch da war kein Haussler mehr, da war keiner mehr und er hatte den ersten richtig großen Sieg direkt vor Augen.

Das Bild beim Überfahren der Ziellinie kennen wir. Das Schöne an diesem Sieg war das anschließende Statement, nicht nur seiner Teamkollegen sondern auch seiner Gegner: „Wenn es einem zu gönnen ist, dann Roger!“ Sein ehemaliger Teamkollege im LKT Team Brandenburg - Nikias Arndt jetzt beim Team Giant Alpecin unter Vertrag sprintete noch auf Platz 3 und komplettierte das hervorragende Abschneiden der deutschen Fahrer beim diesjährigen Giro d`Italia. 

TrentinDie 18. Etappe von Muggiò nach Pinerolo war eigentlich eine flache Überführungsetappe, wenn da nicht die drei harten Spitzen zum Finale gewesen wären. Neben dem 5 Kilometer langen Pramartino ungefähr 20 Kilometer vor dem Ziel mit 10,5% Steigung im Schnitt und maximal 17% Steigung, war es vor allem der 1,5 Kilometer lange Innenstadtanstieg in Pinerolo, der 2 mal zu überfahren war. Eine enge alte Häuserschluchtgasse, mit Naturkopfsteinpflasterstraße, gefüllt von dicht gedrängten Menschenmassen, bot ein Spektakel der absoluten Extraklasse. Auf dem 240 Kilometer langen Ritt konnte sich eine Gruppe mit 24 Fahrern absetzen.

arndtDabei auch drei deutsche Fahrer: Nikias Arndt vom Team Giant Alpecin, Christian Knees vom Team SKY und Roger Kluge vom Team IAM Cycling. Außerdem noch zwei Fahrer vom Team Etixx Quick Step mit Gianluca Brambilla und Matteo Trantin, Ramunas Navardauskas und Moreno Moser (Cannondale) sowie der Sprinter Sacha Modolo (Lampre-Merida) und der Schweizer Zeifahrspezialist Stefan Küng (BMC). Somit war klar, dass der Tagessieger aus dieser stark besetzten Gruppe kommen würde. Im Finale taktierte Brambilla ein wenig zu sehr, so dass Trentin noch an die beiden Ausreißern Moser und Brambilla heransprinten konnte und sich den Tagessieg sicherte. Nikias Arndt belegte einen hervorragenden 5. Platz, Christian Knees wurde Achter und Roger Kluge 22. Der Vorsprung der Tagessieger auf die Favoriten hatte aber keinen Einfluss auf das Gesamtklassement.

reinDie beiden folgenden Etappen hatten es noch einmal richtig in sich, was aber im Fahrerfeld nicht nur zu positiven Reaktionen führte. So hinterfragte z. B. der Luxemburger Bob Jungels, ob es wirklich Sinn macht, schon im Mai auf über 2700 Meter zu fahren. Zwar hatten die Organisatoren, was das Wetter anging außerordentliches Glück, nur ein paar kleine Straßenabschnitte mussten im Vorfeld vom Schnee geräumt werden. Doch einmal abgesehen von ein paar wenigen Bergspezialisten, die sich auf diese beiden Tagesabschnitte mit einem ganz speziell zugeschnittenem Höhentraining vorbereitet haben, war dieser Aufstieg für den Großteil des Fahrerfeldes eine regelrechte Tortur. Es ist noch einmal etwas anderes auf 2700 Metern permanent gegen die Hangabtriebskraft zu kämpfen als über einen Pass von 2000 oder 2400 Metern zu fahren.

Das Herz rast noch mal einen zacken schneller und man fühlt sich so, als wenn man einen kleinen Mann im Kopf hat, der versucht von innen die Schädeldecke aufzumeißeln. Viele Rennfahrer fahren den Giro aus dem laufenden Rennbetrieb und haben nicht die Möglichkeit, sich in einem speziellen Trainingslager den Bedingungen anzupassen. Rennen mit Pässen in solchen Höhenlagen sind im Vorfeld kaum möglich. Was im Fernsehen für die Zuschauer so schön aussieht, die Fahrt über schneebedeckte Passstraßen, wird für die meisten Rennfahrer zu einem wahren Höllenritt. Aber die Organisatoren des Giro wollen es spektakulär, die maximale Medienpräsenz, die Gunst der Sponsoren und den Anschluss zur Tour de France nicht verlieren. 

Auf der 19. Etappe von Pinerolo über den 2744 Meter hohen Agnello hinauf zum französischen Wintersportort Risoul, fand der Italiener Vincenzo Nibali vom Team Astana zurück zu alter Stärke und ließ die Konkurrenz im Schlussanstieg regelrecht stehen. Steven Kruijswijk verletzte sich bei einem Sturz in der Abfahrt des Agnello mit einer angebrochenen Rippe so schwer, dass er nicht mehr in der Lage war, dem Italiener zu folgen. Er verlor fast 5 Minuten und fiel auf den Dritten Gesamtrang zurück. Der Kolumbianer Estaban Chaves vom Team Orica GreenEdge schlüpfte ins Rosa Führungstrikot und Nibali gelang auch im Gesamtklassement mit Platz 2 der Sprung auf das Podest.

GiroDie vorletzte Etappe sollte die Entscheidung in der Gesamtwertung bringen. Vom Start weg, ging es gleich vom ersten Meter an stramm bergan über den 2108 Meter hohen Col de Vars, danach folgte der 22 Kilometer lange Anstieg hinauf zum Col de la Bonette über 2715 Höhenmeter, auf der Kuppe des 20 Kilometer langen Anstieges hinauf zum Colle della Lombarda, auf 2350 Höhenmetern wurde die Grenze zu Italien passiert, bevor es in den 2,5 Kilometer langen Zielanstieg nach Sant Anna di Vinardio auf 2015 Meter ging.

Rein Taaramae hatte sich mit einem 6wöchigen Höhentraining speziell auf diese beiden Etappen vorbereitet. Nach dem Ausscheiden seines Katusha Kapitäns Ilnur Zakarin am Vortag, bedingt durch einen schweren Sturz, bei dem sich Zakarin das Schlüsselbein und das Schulterblatt gebrochen hatte, hatte der Este freie Fahrt und holte sich den Etappensieg. Vincenzo Nibali konnte dem Kolumbianer Estaban Chaves noch einmal 1:30 Minuten abknöpfen und setzte sich damit an die Spitze des Gesamtklassements. Mit dem Spanier Alejandro Valverde am Hinterrad wurde der Niederländer Steven Kruijswijk, der den Giro, unter starken Schmerzen unbedingt beenden wollte, noch vom Podium verdrängt.

GiroDie letzte Etappe war eigentlich nur noch ein Schaulaufen, wo es vor allem für die Sprinter noch einmal um den prestigeträchtigen Sieg im Zentrum von Turin ging. Die Anfahrt auf die 8 mal zu umfahrende 7 Kilometer lange Schlussrunde von Cuneo nach Turin war recht regnerisch. In Turin ließ der Regen aber nach, so dass das Finale in halbwegs trockenen Tüchern war. Im Schlagabtausch der Sprinter konnte Nikias Arndt den 7. Sieg eines Deutschen Fahrers beim diesjährigen Giro und seinen ersten Sieg bei einer Grand Tour verzeichnen, da der Italiener Giacomo Nizzolo vom Team Trek Segafredo wegen unfairer Fahrweise distanziert wurde.

Vincenzo Nibali fuhr als strahlender Gesamtsieger in Rosa über die Ziellinie. Der Hai von Messina wurde als der neue Fausto Coippi gefeiert. Der Kolumbianer Estaban Chaves vom Team Orica GreenEdge wurde Zweiter und der Spanier Alejandro Valverde vom Team Movistar belegte Rang 3 in der Gesamtwertung. Das Rote Trikot des besten Sprinters ging an den Italiener Giacomo Nizzolo, Der Spanier Mikel Nieve vom Team SKY eroberte am vorletzten Tag noch das Bergtrikot und der Luxemburger Bob Jungels verteidigte mit Gesamt Rang 6 souverän das Trikot des besten Nachwuchsfahrers. Bestes Team wurde die kasachische Mannschaft Astana.

Fotos: Arne Mill

> zur turus-Fotostrecke: Giro 2016

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  • Rundfahrt
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  • Giro d’Italia

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