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Überfall in Rio de Janeiro

04 Mär 2005 17:21 - 05 Sep 2011 15:38 #61 von Marco
Überfall in Rio de Janeiro wurde erstellt von Marco
Bom dia!
Im Sommer 1996 wurden meine Reisepartnerin und ich gleich am ersten Abend in Rio de Janeiro überfallen.
Hier mal ein Auszug aus meinem Brasilien-Buch:

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Der aufgehende Mond und die ersten Sterne erzeugten im Meer ein Lichterspiel. Glitzernd funkelten die Himmelskörper auf dem dunklen Wasser. Die Wellen rauschten und sprudelten schäumend an den Strand. Hinter dem Strand an der Avenida standen Flutlichtmasten und warfen ihr Licht auf fast den gesamten Raum.
Nur direkt in Wassernähe war der Sand spärlich beleuchtet. Es wurde zeitig dunkel, die Finsternis brach herein. Unter den Flutlichtern spielten die jungen Brasilianer. Ab und zu wehte der Wind ihre Rufe herbei. Mit freiem Oberkörper oder mit den Trikots ihrer Lieblingsmannschaften bekleidet, rannten sie auf feinen, lockeren Sand dem Ball hinterher.
Am Wasser wurde es zunehmend einsam und still. Die Wanderstiefel standen neben uns, verträumt saßen wir im Sand und dachten nicht daran, den Strand zu verlassen. Alles hatte am ersten Tag hervorragend geklappt. Ein wunderschöner Reisetag ging zur Neige.
Die ausgehöhlten Kokosnüsse lagen neben den Stiefeln und waren vom feinen Sand fast verdeckt. Ich ließ diesen ersten Tag Revue passieren. Die Wanderung durch Flamengo und Botafogo, die Ankunft am Abend zuvor und das Copacabana Chalet, in dem wir jetzt wohnten.
Wir machten das »o cruzeiro do sul«, das Kreuz des Südens, ausfindig und stellten einige Vermutungen an. Alles um uns herum geriet in Vergessenheit.
Ganz gemächlich näherten sich fünf Personen aus verschiedenen Richtungen. Wir beachteten sie nicht. Warum auch. Einmal drehte ich mich in Gedanken versunken um und fragte mich, ob diese Männer zu uns kämen. Als sie immer dichter herankamen, vermutete ich, dass sie uns etwas verkaufen wollen.
Irrtum. Weit gefehlt. Plötzlich rannten die Männer auf uns zu, sprangen auf Kathrin und mich herab, rissen uns zu Boden und hielten uns fest. Bevor wir die Ernsthaftigkeit der Lage erkennen konnten, war es längst zu spät. Die Männer riefen mit energischen und hektischen Stimmen:
»Mafia Brasileira ... Mafia Brasileira ...!!!«
Die fünf finster aussehenden Gestalten umklammerten uns, zogen ihre Messer und redeten permanent auf uns ein.
Erschrocken blickte ich mich um. Wir hatten keine Chance. Naiv wie wir waren, hatten sie uns völlig überrumpelt. Jede Gegenwehr wäre riskant gewesen. Bedrohlich fuchtelten sie mit den Messern umher und redeten mit schnellen Worten.
Hunderte Gedanken wirbelten in meinem Kopf umher. Wieso gerade wir? Angst und Verzweiflung machten sich in mir breit. Alles kam und ging dermaßen schnell. Wie in einem Traum. Wie in einem Film.
Es war Wahnsinn. Mein Herz hämmerte, und meine Gedanken bildeten zunehmend ein wildes Chaos.
Oh mein Gott, nein, unser Geld, unsere Papiere...
Die Flugtickets ...
Unser erster Tag in Brasilien!
Mist, das kann es doch nicht gewesen sein, schon.
Meine Güte, der erste Tag in Rio!
Alles vorbei, nein, nein, nein!!!
Die Angst verflog, Wut und Bitterkeit über die eigene Dummheit kamen auf. Wie konnten wir nur so bescheuert sein?
Hektisch griffen die Männer in unsere Taschen, wühlten und zerrten an den Sachen, die wir am Leibe trugen. In jede Westentasche und Hosentasche griff eine Hand und suchte nach wertvollen Dingen.
Vor Aufregung nahm ich Kathrin gar nicht mehr wahr. Ich registrierte nicht, dass ein Mann, der sehr nervös zu sein schien, ein Messer an Kathrins Bauch hielt, und außerdem ein anderer versuchte, ihre Armbanduhr mit der Klinge abzuschneiden, weil diese schwer zu lösen war. Mit zittriger Hand war der Typ drauf und dran mit einem scharfen Messer an Kathrins Handgelenk zu hantieren. Ich sah nur die drei kräftigen Männer, die mit mir beschäftigt waren. Zum Glück konnte sie ihn überzeugen, dass es besser sei, wenn sie die Uhr abnehme.
Einer von den Männern fand meine Geldkatze und nahm sie an sich. Er wollte sie öffnen und zerriss sie dabei völlig. Mit dem Messer schlitzte er den Stoff und das Plastikfutter auf. Schleunigst steckte er das Bargeld und die Reiseschecks ein und warf die leere, zerfetzte Katze in den Sand. Eindringlich gaben uns die Männer zu verstehen, dass wir uns nicht zur Wehr setzen sollten, sie nähmen nicht die Tickets und Papiere mit.
Ich spürte, wie sich ein Messer fest in meine linke Wade bohrte. Trotz der prekären Situation musste ich innerlich lachen. Verwunderung keimte in mir auf. Warum das Messer an die Wade, und nicht an Brust oder Kehle? Ha, oder Brust oder Keule?
Die Lage wurde ernster. Als ein Mann nach meinem Fotoapparat griff, dachte ich, dies gehe zu weit, und wollte mich zur Wehr setzen. Dies geschah zum Entsetzen Kathrins:
»He, Marco! Bist du verrückt? Lass es sein, verhalte dich ruhig, es bringt doch eh nichts!!«
Ich tat dies. Schon Sekunden später warfen die fünf Männer die für sie wertlosen Papiere und Tickets in den Sand, wobei sie diese weit verstreuten, und verschwanden schnell in der Dunkelheit.
Somit war alles so schnell vorüber, wie es begann.
Ich hockte im Sand, schaute Kathrin ins Gesicht und verstand die Welt nicht mehr. Sag, dass alles nicht wahr ist, verdammt noch mal! Das ganze Geld ist weg, der Urlaub ist futsch, bevor er eigentlich angefangen hat. Das kann alles nicht wahr sein!
Deprimiert sammelten wir schnell die zurückgebliebenen Dinge ein und liefen zur Straße. Dort setzten wir uns auf eine Bank. Ich starrte fassungslos auf den Asphalt, und Kathrin ordnete ihre Papiere. Ich hätte hemmungslos heulen können, aber meine Augen waren wie ausgetrocknet. Kathrin ergriff meinen Arm und streichelte meine Schulter. Sie blickte optimistisch in die Zukunft und fand einige tröstende Worte:
»Es ist nun mal passiert. Es war halt riesiges Pech und absolute Dummheit von uns, sich mit all den Dingen ans Wasser zu setzen. Aber der Urlaub geht weiter, ganz bestimmt. Wir werden das alles schon schaffen. Freuen wir uns, dass es uns gut geht, dass nichts Böses passiert ist. Wir sind hier gemeinsam in Brasilien, wir hatten uns so lange darauf gefreut!«
Etwas ratlos zuckte ich mit den Schultern und versuchte ein wenig zu lächeln. Ich kam mir vor wie ein verprügeltes Kind, das völlig wehrlos Hiebe mitten ins Gesicht bekam, unfähig sich zu wehren.
Nach einer gemeinsamen Bestandsaufnahme stellten wir fest, dass Kathrin noch im Besitz ihrer Reiseschecks war. Sie hatte die Schecks zuvor in Zeitungspapier eingewickelt, damit diese am Strand nicht feucht werden. Diesen unscheinbar aussehenden Packen warfen die Strandräuber achtlos weg.
Dagegen vermissten wir meine Schecks und mein gesamtes Bargeld, eine beachtliche Summe von über sechshundert US-Dollar. Außerdem verloren wir beim Überfall unsere Armbanduhren und meine Fotokamera.

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Wem ist ähnliches schon einmal in Rio / Brasilien widerfahren?
Ich bin gespannt auf Eure Schilderungen!

Es grüßt Marco

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04 Mär 2005 17:22 #62 von Anonymous
Anonymous antwortete auf Re: Ãœberfall in Rio de Janeiro
Ich habe keinen Bericht, da ich noch nicht in Südamerika war.

Schön, sehr beschreibend und auch emotional geschrieben, wenn auch an manchen Stellen ein kleines wenig "holprig".

"... dass nichts Böses passiert ist" - nun ja.

Jedenfalls habe ich gefesselt diesen Ausschnitt gelesen und freue mich auf die gesamte Sorry bzw. das Buch.

Gruß Frank


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04 Mär 2005 17:23 #63 von Marco
Marco antwortete auf Re: Ãœberfall in Rio de Janeiro
Hi Frank,

"... dass nichts Böses passiert ist" - nun ja.

- sie meinte wohl, dass niemand körperlich zu Schaden kam. Ansonsten war natürlich der Überfall "eine böse Angelegenheit".

Schön, dass Dir die Story gefallen hat. Bald wird es das ganze Buch zu Lesen geben...

Es grüßt Marco

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04 Mär 2005 17:24 #64 von Anonymous
Anonymous antwortete auf Re: Ãœberfall in Rio de Janeiro
Oh Mann, was für eine Geschichte!
Aber weshalb zum Teufel habt Ihr das Geld nicht im Hotelsafe gelassen? Das ist heavy, naja, glücklicherweise blieben Euch die Travellercheques und die Papiere. Das hätte noch beschissener kommen können.
Boah, ne, dieses Land ist nicht meine Kategorie!

Grüße, Thorsten.


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04 Mär 2005 17:25 #65 von Anonymous
Anonymous antwortete auf Re: Ãœberfall in Rio de Janeiro
Tss, tss, tss.
Na, wie kann man denn nur versuchen, sich zu wehren. Das führt doch zu nichts und ist kreuzgefährlich, aber deine Wut kann ich gut verstehen, wer lässt sich in Begleitung einer guten Freundin gerne ausplündern?

morgana


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04 Mär 2005 17:25 #66 von Anonymous
Anonymous antwortete auf Re: Ãœberfall in Rio de Janeiro
Vor etlicher Zeit war ich einmal in Bolivien, und mir wurde dort bei einem Überfall die linke Hand abgehackt. Ich wehrte mich, und schon schlugen sie mit einer Machete zig Male auf meine Arme. Die linke Hand hing nur noch an Sehnen und musste letzendlich im Hospital amputiert werden. Die Banditen benahmen sich wie Tiere, traten auf meinen Companheiro ein und stachen mit einem Messer in sein rechtes Bein, so dass der fast verblutete.
Mich kriegen keine hundert Pferde mehr nach Lateinamerika.

Ich hoffe, Ihr werdet stets Glück auf Euren Reisen haben, Gott stehe Euch bei!

Moritz


(Beitrag wurde aus dem alten Forum rekonstruiert)

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04 Mär 2005 17:26 #67 von Anonymous
Anonymous antwortete auf Re: Ãœberfall in Rio de Janeiro
Würg, Moritz, das ist Scheisse! Wo war den das?

Kalleman



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