Die Wiederentdeckung des vergessenen Reise-Gefühls
MB
Marco Bertram
Updated
02 August 2019
Im Eurocity von Budapest nach Berlin. Irgendwo zwischen Dresden und Berlin. Der Abendhimmel färbt sich rot. Irgendwo hoch oben soll die isländische Aschewolke schweben. Felder, Bäume und einsame Gehöfte ziehen vorüber. Zu zweit im Abteil. Fensterplatz. Es fühlt sich gut an. Ein angenehmes Gefühlt kommt auf. Weite. Ferne. In diesem Moment könnte man überall sein. Zeitlos. Zeitlos? Ja, zeitlos! Fernweh. Sehnsucht. Weshalb fühlt sich im ungarischen Eurocity alles so nostalgisch an? Und plötzlich geht sprichwörtlich ein Licht auf. Eher gesagt, ein Licht aus.
Das ist es! Im Abteil ist das Licht ausgeschaltet. Nur vom Gang dämmert das Licht hinein. Zu zweit ganz relaxt im Abteil. Ruhe, Entspannung und vor allen Dingen kein grelles Licht. Das gibt die Möglichkeit, die vorbeiziehenden Landschaften und Ortschaften zu betrachten. Nachzudenken. Der Himmel wird immer dunkelroter. Dunkelheit bricht ein. Die Lichter der Häuser ziehen vorbei. Auf dem Schienenstrang reflektieren sich die abendlichen Lichter.
Na klar. Genau das ist! Das fast vergessene Bahn-Gefühl ging verloren. Licht, über Licht. Großraumwagen im Intercity, im ICE. Grelles Licht im Regionalexpress.
Überall, wo man heute fährt, wird man überflutet von Licht. es bietet sich kaum die Möglichkeit, in der Dämmerung verträumt aus dem Fenster zu schauen. Die Fahrt im Abteil des Eurocity bietet die Möglichkeit, dieser Flut zu entkommen - wenn das Abteil nicht komplett gefüllt ist und nicht jemand auf das Licht besteht.
Zugreisen können die schönste Form des Reisens sein - wenn das Ambiente stimmt. Reisen im Abteil kann gewiss eine Qual sein - andererseits können alte Reiseanekdoten hochkommen. Die Fahrten mit der Transsibirischen Eisenbahn quer durch Russland bis nach Vladivostok.
Zugfahrten quer durch den Balkan. Von Serbien nach Bulgarien. Von Kroatien nach Bosnien und Herzegowina. Mit dem Interrail-Ticket von Edinburgh nach Lissabon. Gibt es eine schönere Form des Reisens?
Nicht zuletzt erinnern Fahrten im Abteil an die Fußballauswärtsfahrten in den 90er Jahren. In alten D-Zug-Waggons. Natürlich mit Abteilen. Muffig. Oll. Und trotzdem kultig.
Damals gab es noch Raucherabteile. Und das nicht zu knapp. Türen auf, Türen zu. Gespräche auf dem Gang. Fenster auf, Köpfe raus. Fahrtwind spüren...
Wer einmal von Berlin aus in Richtung Hamburg oder Dresden fährt, sollte an diese Worte denken, ruhig einen Eurocity nehmen und sich in einem Abteil bequem machen. Am besten zur Abendstund. Und dann hoffen, dass man nette Mitreisende hat...
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