Thailand, Indonesien, Indien, Senegal, Kenia, Venezuela, Brasilien - eine Reise in der Ferne kann zu einem echten Abenteuer werden. Bleibt man gesund, so werden sich in den meisten Fällen die Eindrücke eher positiv im Gedächtnis einbrennen. Wird man jedoch auf einer Reise in tropischen Gefilden plötzlich krank, kann die Tour zu einem echten Desaster werden. In Äquatornähe genügen Durchfall und Erbrechen, um den Albtraum wahr werden zu lassen. Folgend ein Kapitel aus dem Buch "Saudade do Brasil", das 2011 auf den Markt kommen wird. In der Stadt Santarém am Amazonas waren es Amöben im verschmutzten Trinkwasser, welche die kommende Nacht zur Horrornacht werden ließen. Ein Bananen-Getränk an einem Imbiss genügte, um den Körper komplett rebellieren zu lassen.
Ein Albtraum: In tropischen Gefilden krank werden
Dies war der ordentlichste und repräsentativste Teil von Santarém. Doch er war nicht allzu groß. Lief man ein paar Querstraßen ins Landesinnere, waren bald holperige Sandwege und öde Häuser an der Tagesordnung. Kathrin und ich wählten ein familiäres Hotel, in dem wir freundlich aufgenommen wurden. Eigentlich sollte dem Platz des Schlafens nicht so viel Bedeutung beigemessen werden, aber wie das Schicksal so spielte, wurde gerade jener Platz ein Ort eines weniger schönen Erlebnisses. Unser Zimmer lag im Obergeschoss, war schlicht eingerichtet und hatte wie all die sonstigen Gästezimmer keine Fenster.
Dafür war der Flur zum Garten hin offen, und warme Luft strömte durch die großzügigen Fenster. Angebrachte Haken ermöglichten es, Hängematten anzubringen und die heißesten Stunden des Tages ruhend im Schatten zu verbringen.
Was hast du bloß? Was ist los mit dir?
Komm, iss noch eine banana branca!
Bitte, was soll ich? Wer spricht eigentlich mit mir? Welche branca?
Einbildung, alles nur pure Einbildung. Halluzinationen und Fieberträume. Niemand spricht mit mir, Kathrin liegt drüben auf dem Bett und schläft tief und fest.
Oh mein Gott, warum kann ich nicht klar denken?
Weshalb geht es mir dermaßen dreckig?
Es ist Nacht! Oder? Wer weiß das schon!
Banana branca, branca, branca. Fies, abscheulich, widerlich. Nie wieder diese abartige Frucht, nie wieder diesen scheußlichen Milchshake.
Bah, pfui Teufel!
Ich kann diese Banane noch riechen, sie stinkt penetrant. Aber das kann nicht sein. Hier liegt keine Banane. Verwest da etwas?
Ich glaube, ich muss kotzen ...
Wortfetzen, sinnlose Fragen und Antworten kreisten in meinem Kopf. Zwei, drei oder vielleicht sogar vier Stunden lang wälzte ich mich auf dem Bett und konnte meine Gedanken nicht klar ordnen. Wirres Zeug marterte mein Hirn. Immer wieder fragte ich mich, warum es mir so schlecht gehe und weshalb es im Zimmer so unangenehm rieche. Der Schweiß eines Fieberkranken trat aus meinen Poren heraus und lief in Strömen an meinem Körper hinab. Jede krampfhafte Überlegung brauchte eine halbe Ewigkeit.
Mir war abgrundtief schlecht, und ich schob die Schuld dieser banana branca zu. Am Nachmittag hatten wir einen Milchshake in einer der vielen Bars getrunken. Bitter und eigenartig trocken hatte er geschmeckt, und er rief auf der Zunge Taubheit hervor. Bereits beim Trinken hatte ich ein mulmiges Gefühl und erahnte die bösen Folgen.
Immer wieder drängte sich in jener Nacht diese Banane in meinem Geiste auf und ließ das Unwohlsein stetig anwachsen. Hinzu kam der von meinem Schlafsack abgesonderte Geruch. Mit der Zeit hatte er den Geruch von verkeimten Schiffsplanken, zerquetschten Insekten und altem Schweiß angenommen. Mühsam trat ich das stinkende Stück ans Fußende, doch zog ich es Sekunden später wieder bis an mein Kinn. Der die ganze Nacht laufende Ventilator ließ mich ohne den Schutz einer Decke frieren.
Ich sammelte meine letzte Kraft und schleppte mich zur im Erdgeschoss befindlichen Toilette. Auf allen Vieren kroch ich die Treppe hinunter und wusste nicht, nachdem ich die Kloschüssel erreicht hatte, ob ich mich zuerst drauf setzen oder davor hocken soll. Irgendein verdammter Virus verlangte fürchterlichen Tribut. Alle Dämme waren gebrochen, der übel riechende Körperinhalt entleerte sich fast zeitgleich in heftiger Form. Durchfall und Brechkrämpfe tyrannisierten mich in einer noch nicht da gewesenen Art und Weise. Ich glaubte zu lernen, was es heißt, sich schlecht zu fühlen.
Auf dem Boden liegend, wartete ich auf den nächsten Anfall, wimmerte vor mich hin und verfluchte das gesamte Land. Nie wieder Tropen, nie wieder solch eine Prozedur. Eine fette Grille verharrte in einer Ecke auf den Fliesen und glotzte mich unschuldig an. Unsere Augen befanden sich auf gleicher Höhe. Nur wenige Zentimeter trennten uns. Ihre großen Widerhaken an den Hinterbeinen ließen mich erschauern. In meinen Augen sah diese Grille überdimensional aus, behaftet mit gigantischen Ausmaßen. Einfach gruselig anzusehen.
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Der Versuch, mich zu erheben scheiterte an der Schwäche meiner Gliedmaßen. Mein Orientierungssinn ging fast gänzlich verloren, und so kam es, dass mein Gesicht den nackten Fußboden berührte. Scheuermitteldüfte und Uringestank stiegen in meine Nase. Minutenlang kauerte ich unter der Dusche und ließ das lauwarme Wasser auf mich niederprasseln, in der Hoffnung, all diese Gerüche wieder ablegen zu können.
War der Abstieg auf der Treppe schon eine Qual, so wurde der umgekehrte Weg zur Tortur. Die Beine versagten völlig ihren Dienst, mit den Händen zog ich mich am Geländer hoch und schleifte den unteren Teil meines Körpers nach. Schwarze Schatten tanzten vor meinen Augen. Oben erwartete mich die zugeschnappte Zimmertür. Es schien, als wäre der Türknauf in einer Höhe von zehn Metern befestigt. Ich fragte mich allen Ernstes, wer denn so groß sei, dass er diese verdammte Tür öffnen könne.
Nachdem ich angeklopft hatte, öffnete Kathrin schlaftrunken die Tür, schaute mich kurz fragend an und legte sich wieder auf ihr Bett. Beim Zudecken mit dem Schlafsack dachte ich, das letzte Stündlein habe für mich geschlagen. Der stinkende Schlafsack sorgte dafür, dass ich zehn Minuten später wieder auf dem gekachelten Fußboden der Toilette lag und die Grille ihren Unterhalter fand.
Wie auch immer.
Es glich einem Wunder. Das Schlimmste war bereits am nächsten Morgen überstanden. Vorsichtig ging ich eine Runde spazieren. Wenn es nur nicht so brütend heiß gewesen wäre. Schwüle und hohe Temperaturen machten einem bereits in körperlich gesunder Verfassung zu schaffen. Wie eine Ironie des Schicksals lud uns die Familie des Hauses zum Höhepunkt des Tages zu einem für die Amazonasregion typischen Mittagessen ein.
Die auf meinem Teller befindliche deftige Fischsuppe ließ alle angebrachte Höflichkeit dem Gastgeber gegenüber vergessen und mich in die auf dem Flur gespannte Hängematte zurückziehen. An Nahrungsaufnahme war nicht zu denken, erst recht nicht, als Kathrin bei einem Rundgang auf den Sandwegen Santaréms einen aus undefinierbaren Beeren frisch gepressten Saft kaufte und vor meinen Augen genüsslich schlürfte. In einen Trichter schüttete der Straßenhändler eine Handvoll schwarzer Beeren und ließ sie von einer alten Maschine zermalmen. Rohrzucker und mit einem Beil zerhacktes Eis wurden anschließend in den Aluminiumbecher hinzugegeben.
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Gerade liefen wir etwas später durch die Einkaufsstraßen der Innenstadt mit all seinen rufenden und klatschenden Stimmungsmachern, als Kathrin sich plötzlich mit den Worten »Ich glaube, es ist wohl besser, wenn ich jetzt gehe« verabschiedete und den Weg zum Hotel einschlug.
> zur turus-Fotostrecke: Impressionen aus Brasilien
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