Mit dem Fahrrad unterwegs auf dem Balkan. Vom nördlichen Serbien über Rumänien bis ins südliche Bulgarien. Ein Tagebucheintrag von der Tour: Heute stand eine lange Etappe auf dem Programm. Knapp 100 Kilometer sollte es von Zitiste bis nach Vrsac gehen, um wieder im geplanten Zeitrahmen zu liegen. Die Fahrt knüpfte wieder dort an, wo sie am Tag zuvor aufgehört hatte. Entlang ging es auf ruhigen glatten Straßen, und am Wegesrand zogen die schier endlosen Maisfelder vorbei. Wieder steckten die weißen, sechseckigen Schilder vor den einzelnen Reihen. »PIONEER PR32 D12«, »PIONEER PR32 H31«, »PIONEER PR32 B23« ...
Unterwegs in Serbien: Käffchen und Pläuschchen sind überall möglich
Die Schilder machten mich neugierig, was es mit diesen geheimnisvollen Bezeichnungen auf sich hatte. Handelte es sich um neu gezüchtetes Saatgut? Oder um Gen-Versuche US-amerikanischer Konzerne? Die ominösen Schilder boten viel Freiraum für Spekulationen.
Über Krajisnik radelten wir nach Sutjeska, wo wir gegenüber vom Sportplatz vom FK Radnicki in einem Café eine Cola und einen Kaffee tranken. Wir waren nicht die einzigen jungen Männer auf der Terrasse, und wir lagen mit unserer Cola und dem Kaffee voll im Trend. Auch die jungen Serben bestellten sich diese Kombination und unterhielten sich lebhaft. Wirklich erstaunt über die beiden Deutschen in Radlermontur waren die Serben nicht. Anders wäre es eventuell gewesen, würde man mit Wanderstiefeln und fettem Rucksack hereinspaziert kommen wie damals auf der Grenztour im Sommer 2003.
Ganz ehrlich, die hervorragende Verpflegungslage in Serbien bereitete uns große Freude. Man brauchte keine Vorräte zu bunkern, und die Cafés, Kneipen und Läden luden immer zu einem Päuschen ein uns sorgten für Abwechslung und Gelegenheiten, die Serbischkenntnisse anzuwenden. So konnte es unserer Meinung nach weiter gehen bis Kjustendil.
Gut 15 Kilometer weiter kamen wir in Boka an einem kleinen, aber gut ausgestatteten Kiosk ins Gespräch. Dort hatte man die Qual der Wahl, denn gleich gegenüber auf der anderen Straßenseite gab es den nächsten Getränkestützpunkt. Es war wirklich verwunderlich, wie sich all die Läden und Kioske über Wasser halten konnten.
Während wir ein serbisches Multivitamingetränk zu uns nahmen, quetschte mich der Besitzer des Kioskes aus. Er war von unserer Tour sehr angetan und wollte alles ganz genau wissen. Hinzu kam ein älterer Mann, der sich mit einem Kehlkopfgerät verständigte. Krächzend und knarrend fragte er:
»Kaaaannst duuuu miiiich versteeeehen?«
»Kako? Wie? Ja, ich verstehe«, antwortete ich ein wenig irritiert.
»Iiiiich kaaaaann etwas Deutsch. Sind sie zufrieden mit den Straßen? Es rollt sich gut, nicht wahr? Früher war alles ganz anders. Jetzt sind alle Straßen neu gemacht ...«
Der Mann, der sein kleines Gerät an den Kehlkopf hielt, erklärte mir, wie vor einem Jahr sämtliche Straßen der Region neu gebaut wurden. Nach dem Krieg sei vieles zerstört gewesen.
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Die neuen Straßen ermöglichten uns eine reibungslose Fahrt weiter über Konak, Hajducica, Velika Greda, Plandiste und Margita nach Vrsac.
In Margita legten wir eine letzte Zwischenpause ein. Aber nicht, weil der Durst so groß war, sondern weil das Ambiente der Bar und die Musik lockten. Bei der Kafana Bar Disneyland handelte es sich um ein orangefarbenes Gebäude mit einem überdachten Vorbau. Laute Musik erklang, und ein gut gelauntes Mädchen hielt den Laden am Laufen. Lächelnd brachte sie uns die beiden kleinen Jelen Pivo und wippte im Takt der abgespielten Lieder. Die junge Frau war so gut gelaunt und so sehr mit ihrem Handy beschäftigt, dass sie beim Abkassieren 50 Dinar zu wenig haben wollte. Ich wollte allerdings nichts geschenkt bekommen und machte sie auf ihren Fehler aufmerksam. Sie quittierte dies mit einem weiteren Lächeln.
Hey, ein super Land, dieses Serbien, dachte ich mir wieder einmal und schwang mich gut gelaunt aufs Rad. Bis Vrsac waren noch 22 Kilometer zurückzulegen, und die spiegelglatte Straße zog sich wie auf dem Reißbrett bis zum Horizont, wo sich der 639 Meter hohe Guduricki Vrh des Vrsacki Breg erhob. Zu Füßen der Bergkette lag die Stadt Vrsac.
Am Straßenrand befanden sich leicht zurückversetzt Bienenstöcke, und die Imker wohnten interessanterweise gleich daneben in Wohnwagen und verkauften den frisch abgefüllten Sonnenblumenhonig.
> zur turus-Fotostrecke: Impressionen aus Serbien