Fladenbrot im Staub, Hühnerfüße im Fluss, Full Irish Breakfast auf dem Teller

 
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altLangsam tuckert das weiße, geschwungene Schiff den Amazonas hinauf. Unter Deck wird soeben das Essen vorbereitet. In Kairo neigt sich derweil der Tag dem Ende zu. Ein heißer, trockener Wind bläst durch die Straßen und Gassen der Wohngebiete. Nach Sonnenuntergang versammeln sich die Menschen und speisen in großen Gruppen. Mit dem Mietwagen geht es von Sligo nach Letterkenny, nach einer Nacht in einem kleinen muffigen Hotel wird in einem Pub eingekehrt und sich ordentlich was zu futtern bestellt. Wer in all den Ecken der Erde auf Achse ist, lernt bekanntlich die verschiedensten Essgewohnheiten kennen. Folgend ein kleiner Streifzug von Ulaan Baatar bis Santarém...


Ich liege auf der Couch und lasse den Blick durch das Dachgeschossfenster auf die Dächer der Stadt schweifen. Ein Nebelschwaden verfängt sich an einem Schornstein, ein Rabe krächzt einsam von der Antenne. Meine Gedanken schweifen, der wabernde Nebel lässt Erinnerungen an zurückliegende Bergtouren hochkommen. Hohe Tatra. Herrlich, wenn man dort nach einer strapaziösen Wanderung in einer der Berghütten einkehrt und heißen Tee und frische Buchtis bekommt. Luftige Knödel mit Obst, Schokosoße und Mohn.

altIch rechne mal durch. Geschätzte zwei Jahre war ich während der vergangenen 20 Jahre auf Reisen. Erstaunlich, an wie vielen verschiedenen Orten man bereits geschlafen und gegessen hat. All die Plätzchen für das Zelt, all die Zimmer in den Hostels, Herbergen, Hütten und Hotels, all die Speisen in den Restaurants, Pubs, auf den Straßen und auf der Wiese - die meisten Erinnerungen verblassen. Deutlich in Erinnerung bleiben jedoch die Highlights – sowohl die schlechten, als auch die guten. Das Nächtigen soll jetzt kein Thema sein, viel mehr soll es um das Essen gehen. Auf die Schnelle mal gefragt: Wo war der Teller so richtig voll? Wo gab´s zu futtern, bis die Schwarte kracht?
Meine Antwort lässt nicht lange auf sich warten! Am Morgen ein richtiges irisches Frühstück, am Abend eine große Grillplatte auf dem Balkan! Diese beide Dinge sind nicht zu toppen. Wer´s deftig mag, der wird seine helle Freude haben. Bohnen, Spiegeleier, Blutwurst, Schinkenspeck, Toast, gegrillte Tomaten tümmeln sich auf dem Teller – egal, ob in Galway, Sligo oder Ballybofey. Immer ein kulinarisches Gedicht sind die Fleischgerichte in Kroatien, Serbien, Bosnien & Herzegowina und all den anderen Balkanstaaten. Echtes Chevap? Das wird man nur vor Ort bekommen!
Stichwort Shopska Salat. Auch ein echter Renner. Eigentlich ganz banal: Tomaten, Gurken und oben drauf der typische weiße zerbröselte Käse. Die Salate in Bulgarien übertrafen in meinem Fall sogar die aus Serbien und Mazedonien.

altOrtswechsel. Russland. Der Baikalsee in Sibirien. In den kleinen Ortschaften am Ufer des Sees erhält man reichlich Fisch. Die Spannbreite ist dort extrem groß. Zum einen ist der frisch geräucherte Omul-Fisch ein 5-Sterne-Leckerbissen, zum anderen gibt es dort diese aufgespreizten, gepökelten Fische, die zumindest mir den Magen verdrehten. Die Konsistenz schwankt von ganz hart und trocken bis zäh wie Gummi.
Apropos Fisch und Gewässer. Man könnte meinen, bei einer fünftägigen Reise mit einem Linienschiff den Amazonas hinauf von Belém nach Santarém und Manaus würde man täglich mit Fisch versorgt werden. Wird man jedoch nicht. Stattdessen gibt es zum Frühstück Kekse und warme Milch und mittags und abends jeden Tag Reis, schwarze Bohnen und Geflügel. Schmackhaft, jedoch nicht wirklich abwechslungsreich. Nicht schlecht gestaunt hatte ich, als eines Abends eine Schüssel auf den Tisch gestellt wurden, aus der unzählige Hühnerfüße ragten. Vom Kochen ganz aufgedunsen ähnelten sie winzigen Babyhänden – ein schlimmer Anblick! Selbst den Brasilianern war dieses Abendbrot zu derb. Paar Minuten später wurde die Schüssel kurzerhand in den Amazonas ausgekippt. Ein Festmahl für die Piranhas.

Stichwort Hühnchen. Ich werde nicht den Anblick vergessen, als eine aserbaidschanische Frau in unserem Abteil in der Transsibirischen Eisenbahn ein fahles, gekochtes Hühnchen pellte und anschließend zerteilte. Sie hatte dieses extrem aufgekochte Federvieh in einer Plastiktüte mitgebracht und legte es nun auf ihren Schoß. Wurstige Finger, welche die helle, schlabberige Hühnchenhaut abpellten. Ganz schlimm! Freundlich lehnten wir ab, als sie uns ein Stückchen Kochhuhn reichen wollte.

altMächtige Stationburger in Banff in den kanadischen Rocky Mountains, schwarzer Kaffee und Guavensaft in einer Gasse von La Habana, Feijoada und eiskaltes Açaí-Mus in Rios Stadtteil Leblon, Hackbällchen im weichen Weißbrot in einem niederländischen Fußballstadion, den leckersten Kaffee in Funchal auf Madeira, warme Kartoschkas in der Transsib, Blutsuppe und Fleischrollen in Polen, Pferdesteak in einem Restaurant in Ulaan Baatar, Hot Pots in Beijing, echtes Gyros in Athen. Hunderte Geschmacksrichtungen, hunderte Eindrücke, hunderte Überraschungen – was die Welt unter kulinarischen Gesichtspunkten so alles zu bieten hat. Schön blöd, wer sich daheim nur von Tiefkühlpizza und Döner Kebap ernährt. Jeder, der viel in der Weltgeschichte umherreist, wird das kennen. Zwischen all den Impressionen gibt es ein paar wenige Bilder, die sich besonders fest verankern. Gewiss, in meinem Fall werden die Hühnerfüße und das Kochhuhn fest im Gedächtnis bleiben, doch ein Bild hat sich noch massiver eingemeißelt.

altEigentlich erscheint es banal. Und gerade deshalb wiederum ist es so einprägsam. Gestapelte Fladenbrote am staubigen Straßenrand in einem Kopten-Viertel in Kairo. Es gibt in Ägypten dieses flache, ganz einfache Fladenbrot, das nur aus Mehl und Wasser besteht und selbst für Einheimische äußerst preiswert ist. Beim Spazieren durch die extrem armen Straßen und Gassen des Kopten-Viertels fielen mir immer wieder die achtlos liegen gelassenen Brote auf. Wie flache Bretter aufgeschichtet an den Hauswänden, vor den Geschäften, auf den Höfen, unmittelbar an den Bordsteinkanten (wenn es denn welche gab). Alles war staubig. Der Boden, die Gebäude, die Fahrzeuge, die Leute, die Luft. Und inmitten dieser staubigen Welt diese Brote, die mir nicht mehr aus dem Kopf gehen...

> zu den turus-Fotostrecken: Impressionen aus aller Welt

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