Quer durch die trockenen Savannen von der brasilianischen Hauptstadt Brasília nach Goiânia, Hauptstadt des brasilianischen Bundesstaates Goiás in der Região Central-Oeste. Fährt man auf der Fernstraße BR-060 sind die 206 Kilometer für brasilianische Verhältnisse ein Klacks, doch trotzdem genügt diese Strecke, um einen kleinen Eindruck von der Landschaft Zentralbrasiliens zu bekommen. Ist man in der dortigen Trockenperiode unterwegs, so hat man das Gefühl, man sei in der Tat im Wilden Westen Brasiliens unterwegs. Genannt wird die für Goiás typische Savannen-Vegetation Cerrado oder auch Campos cerrados. Folgend ein Eintrag aus dem Reisetagebuch.
Mit dem Auto durch Goiás: Rinderherden, Churrasco und einsame Campos cerrados
Weiter ging es mit dem Chevrolet auf einer Schnellstraße entlang, die nach Goiânia, der Nachbarstadt Brasilias, führte. Zwar liegen beide Großstädte 206 Kilometer auseinander, doch ist diese Entfernung für brasilianische Verhältnisse ein Kinderspiel, wenn man die vielen tausend Kilometer bedenkt, die man durch die Weiten des Landes, das 47 Prozent der Fläche Südamerikas einnimmt, fahren kann.
Die Landschaft blieb die ganze Strecke über ziemlich gleich. Trockene Savanne mit vereinzelten Bäumen und Sträuchern. Die Gegend hügelig in ihrer Beschaffenheit, und der Boden rötlich gefärbt wie die Asche eines Sportplatzes. In mancherlei Gehegen und auf den Weiden des Landes grasten die Rinder, aus denen zum Teil Churrasco gemacht wird. Das von uns durchquerte Gebiet ähnelte dem mittleren Westen der Vereinigten Staaten, und tatsächlich wird dieser Landstrich von den Einheimischen als »Wilder Westen Brasiliens« bezeichnet.
Reiter mit Schlapp- oder Cowboyhut, die das Vieh treiben, waren in dieser Region keine Seltenheit. In den Ortschaften und Städten des Hochlandes fanden zur Zeit gerade vereinzelte Country-Festivals statt, für die auf angebrachten Schildern mit farbenfrohen Buchstaben geworben wurde. Häufig wurden die Farmer und Viehtreiber des Hochlandes auch als Gauchos Brasiliens benannt, und wirklich ist das weite, trockene Gebiet eine Mischung aus nordamerikanischem Westen und argentinischem Norden, in dem zigtausend Rinder weiden und zu Steaks und Churrasco verarbeitet werden, sowie als Exportfleisch auf die Reise nach Europa und in die USA gehen.
Silvestre erwies sich wieder einmal spendabel und lud uns zum Churrasco in ein am Straßenrand gelegenes Restaurant ein. Das saftige Fleisch wurde von den ortsüblich gekleideten Kellnern von großen Spießen abgeschnitten. Frisch vom Grill kam das Fleisch auf die überdimensionalen Teller. Die Innenausstattung des Restaurants sah urig und rustikal aus. Dunkles, rauchiges Holz diente als Wandverkleidung und Möbelmaterial. Alte, verblichene Schwarzweißfotografien, Felle, verstaubte Krempenhüte, Gewehre und mürbe gewordene Lederpeitschen sowie Zaumzeug für Pferde und Ochsen dienten als Wandschmuck. Langsam drehte sich der Deckenventilator.
Silvestre ließ es sich richtig gut gehen, goss mir großzügig Cerveja nach und zeigte dem Kellner mit geübtem, kritischem Auge die schmackhaftesten Fleischstellen, die mit dem gewaltigen, rasierklingenscharfen Messer abgetrennt werden sollten. Er forderte uns auf, es ihm gleich zu tun und rief den Kellner nochmals heran. Schüchtern wiesen Kathrin und ich mit unseren Gabeln auf die gut aussehenden Stellen. Der Kellner drehte und wendete die Spieße, damit wir uns von dem auf offenem Feuer gebratenen Fleisch ein gutes Bild machen konnten, und lächelte über die Zaghaftigkeit, mit der wir ins Rindfleisch pikten.
Mit überfülltem Bauch und ungutem Gefühl im Magen, selten zuvor aß ich dermaßen viel Fleisch wie an jenem Tag, stieg ich zu Kathrin und Silvestre ins Auto. Er teilte uns mit, dass er noch für seine Familie einkaufen müsse. Seine Laune wurde immer besser, und er sagte, dass er nun zwei Kinder mehr habe, dabei Kathrin leicht über die Schulter streichelnd. Mich schaute er anschließend an, legte eine ernste Miene auf und teilte mir mit, dass ich besser Portugiesisch lernen müsse.
Nach einigen Kilometern parkte er am Rande eines Obstmarkts, der mitten in der kargen Savannenlandschaft gelegen war. Der Markt bestand aus einem staubigen Sandweg, an dem sich zu beiden Seiten zahlreiche Stände drängten. Vielleicht vierzig hölzerne, prall gefüllte Stände bildeten ein farbenfrohes Bild. Verschiedene Bananen, grüne Kokosnüsse, Melonen, Orangen, Zitronen, riesige Kürbisse, bräunliche Maniokwurzeln und geschnittener Zuckerrohr lagerten säuberlich geordnet in den Holzbüdchen und auf dem Sand davor. Ein Stand glich dem anderen, kaum ein Mensch ging dort einkaufen, und ich fragte mich, für wen diese Obstmassen bestimmt waren.
Silvestre ließ sich beim Aussuchen der gewünschten Ware reichlich Zeit. Mit fachmännischem Blick prüfte er die Früchte, nahm sie in die Hand, wog diese ab und sprach mit den Händlern, die ruhig, freundlich und auch hier auffallend zurückhaltend waren. Silvestre kaufte eine ganze Staude Bananen, an der viele kleine dieser gelben Früchte hingen, die beim Tragen zum Teil auf den festgetretenen Boden fielen.
Bezahlt wurde nicht nach Gewicht, sondern nach Gesicht des Käufers, Aussehen der Ware und mündlicher Vereinbarung. Silvestre schien ein erfolgreicher Käufer zu sein, mit den besten Melonen und Bananen kehrte er zurück und reichte sie uns zum Einladen.
»Jardim do América«. So klangvoll wie dieser Name, so nobel und attraktiv war dieser Stadtteil von Goiânia, in dem sich das Grundstück der Familie befand. Goiânia fiel bei den von uns gesehenen Städten aus der Reihe. Schon bei unser Ankunft waren wir von den der Innenstadt mit ihren hellen Hochhäusern überrascht, die an eine Skyline einer mittelgroßen, nordamerikanischen Stadt erinnerten.
Die Stadt, die mich mit ihrem Namen an das Land »Guyana« denken ließ, übte auf uns bereits beim Durchfahren einen ordentlichen, gepflegten und wohlhabenden Eindruck aus. Von ärmlichen, verschmutzten Vierteln und vermüllten Straßen war kaum etwas zu sehen.
Zwar wurden auch hier die Grundstücke von hohen Mauern umgeben und die Fenster waren zumeist vergittert, jedoch war dies überall in Brasilien völlig normal und alltäglich. Wir gewöhnten uns sehr bald an diesen Anblick. Nahe des modernen Einkaufscenters »shopping na cidade« befand sich das Grundstück im ansehnlichen Außenbezirk Goiânias. Kleine Bäume mit beschnittenen Kronen säumten die Straße und verhalfen der Umgebung zu einer freundlich frischen Ausstrahlung. Hinter einer verputzten, weiß getünchten Mauer und einem sich automatisch öffnenden Metalltor lag das vorläufige Ziel unserer Reise. Das Haus der Familie Silvestres. Der große Stolz der Cesars und die Unterkunft für Kathrin und mich für die kommenden zehn Tage.
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