Verkackter Sommer? Stress auf der Arbeit? Alle Ferienwohnungen an der Ostsee belegt? Die Preise zwischen Juni und August einfach zu hoch? Eine Möglichkeit?! Im September oder Oktober einen Urlaub an der Ostseeküste machen. Viel schlechter als jetzt kann dann das Wetter auch nicht sein. Sicherlich kein Geheimtipp, an dieser Stelle jedoch wärmstens empfohlen, ja geradezu mit allerbestem Gewissen ans Herz gelegt: Die Ostseeinsel Usedom am östlichsten Rand unserer Republik.
Ostseeinsel Usedom: Perfekt für einen Familienurlaub
Von der Landschaft her kann Usedom nicht ganz mithalten mit der großen Schwester namens Rügen, doch hat Usedom einen entscheidenden Vorteil: Auf dieser Insel kommt man bestens ohne eigenem Auto aus! Beispielsweise von Berlin aus kann man mit der Bahn bequem nach Züssow fahren und dort in die Usedomer Bädernbahn umsteigen. Diese fährt sämtliche Ostseebäder Usedoms, die wie auf einer Perlenkette aneinandergereiht sind, an. Trassenheide, Zinnowitz, Koserow, Kölpinsee, Bansin, Heringsdorf und Ahlbeck. Weiter fährt sie sogar bis ins polnische Swinoujscie. Alle 30 Minuten kann man mit der Bäderbahn den Küstenverlauf in diese Richtung abfahren. In Richtung Westen nach Karlshagen und Peenemünde fährt die Bäderbahn einmal in der Stunde.
Die große Frage: Wo übernachten? Welcher Ort eignet sich am Besten als Ausgangspunkt? Die Klassiker sind gewiss die Ostseebäder Ahlbeck und Heringsdorf, doch liegen sie am östlichen Rand der Insel und sind recht teuer. Preiswerter nächtigen kann man dagegen in Zinnowitz, zudem eignet sich der Ort optimal dafür, Ausflüge in sämtliche Himmelsrichtungen zu starten.
Die 445 Quadratkilometer (373 qkm deutsches und 72 qkm polnisches Staatsgebiet) große Insel hat einiges zu bieten. Allein die zahlreichen Naturschutzgebiete sind einen Urlaub wert. Das knapp 8.000 Hektar große Naturschutzgebiet Peenemünder Haken, Struck und Ruden wurde bereits 1925 als solches ausgewiesen. Die 58 Meter hohe Kliffdühne – somit die höchste der Insel – ist im Naturschutzgebiet Streckelsberg bei Koserow zu bewundern. Unter Naturschutz steht auch die höchste Erhebung der Insel: Der 69 Meter hohe Golm. Südlich von Zinnowitz befindet sich zudem die Halbinsel Gnitz, die zu einer Wanderung einlädt. Gnitz, das sich im nördlichen Achterwasser befindet ist ein typisches so genanntes Höftland, das aus Höhenzügen, Magerrasenflächen, offenen Dünen und Strandflächen und Steilufer besteht. An der Südspitze des Gnitz befindet sich ein Naturschutzgebiet, in dem zahlreiche Vögel ihre Nistplätze haben.
Wer mehr auf Meer steht, der kann von Zinnowitz aus in beide Richtungen endlose Strandspaziergänge unternehmen. Wer mit einem Kinderwagen auf Achse ist, der sollte besser im September oder Oktober anreisen. Zum einen sind dann die Strände nicht mehr so voll, zum anderen ist der Sand meist bereits etwas feuchter und fester. Breite Räder sollte der Kinderwagen jedoch so oder so haben. Mit einem stylischen Großstadtbuggy mit kleinen wackeligen Räderchen kommt man / frau nicht weit. Und Vorsicht! Unbedingt die Kurtaxe zahlen, denn am Strand wird schon mal kontrolliert!
Einen Ausflug wert ist sicherlich das polnische Swinemünde (Swinoujscie), das wie eingangs erwähnt prima mit der Usedomer Bäderbahn erreichbar ist. Bautechnisch darf man dort nicht viel erwarten, am Ende des Zweiten Weltkrieges wurde die Stadt fast komplett zerstört. Luftangriffe richteten verheerende Schäden an. Auch wenn Swinemünde keine hübsche Altstadt zu bieten hat, das Vorbeischauen lohnt sich trotzdem. Sehenswert ist in jedem Fall der riesige Markt, der sich an der Straße in Richtung deutsch-polnische Grenze hinstreckt. Ab der Grenze kann man dann am Wasser nach Ahlbeck weiterlaufen.
Interessant, ja geradezu skurril kommt Peenemünde am anderen Ende Usedoms daher. Im dortigen Haupthafen (Maritim Museum Peenemünde) liegt das ausgediente, dieselgetriebene U-Boot U-461, das einst der sowjetischen Marine gehörte. Gleich nebenan laden verschiedene Imbissrestaurants zum Verweilen ein. An diesem Punkt der Insel fühlt man sich ein paar tausend Kilometer nach Osten versetzt. Ein Hauch von Vladivostok oder Murmansk. Noch gibt es in Peenemünde zahlreiche leerstehende Gebäude und Ruinen, doch nach und nach wird derzeit die Ortschaft saniert.
Bereits während des Dreißigjährigen Krieges (1618 bis 1648) diente der Ort als wichtiger Truppenstützpunkt. Später befanden sich dort von 1936 bis 1945 die Heeresversuchsanstalt Peenemünde („Peenemünde-Ost“) und die Erprobungsstelle der Luftwaffe „Peenemünde-West“. Nach Kriegsende nutzten anfangs die Sowjettruppen das Gelände, ab 1952 war dort die NVA der DDR stationiert. Das gesamte Gebiet ringsherum war bis 1990 Sperrgebiet, doch auch in der Gegenwart sind zahlreiche Abschnitte eingezäunt, da Munitionsmittel noch immer eine große Gefahr darstellen...
Fotos; Marco Bertram
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