Europas Verkehrsnetz der Zukunft: Mehr Sicherheit, mehr Vernetzung, weniger Staus

 
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TallinnMit der Bahn problemlos von Madrid nach Warschau? Oder von Gdansk nach Tallinn? Mit dem Auto reibungslos von Genf nach Sofia? Im Oktober dieses Jahres hatte die Europäische Kommission einen Vorschlag angenommen, mit dem ein neues europäisches Verkehrsnetz geschaffen werden kann. Aus dem jetzigen Flickenteppich soll ein einheitliches Verkehrsnetz (TEN-V) entstehen. Verschiedene Verkehrsträger sollen vernetzt und der grenzüberschreitende Verkehr flüssiger gestaltet werden. Schließlich sei der Verkehr die Grundlage einer effizienten Wirtschaft in der EU, so Verkehrskommissar Siim Kallas.

Ein europäisches Kernnetz von Liverpool bis Belgrad, von Lissabon bis Katowice und von Liège bis Athen? Sicherlich ein ambitioniertes Vorhaben, wenn man bedenkt, mit welchen Problemen bereits die regionalen Verkehrsunternehmen zu kämpfen haben. In Großbritannien gibt es ja bereits das Problem, ein landesweites funktionierendes Schienennetz auf die Beine zu stellen. Wie sollen dann erst europaweit die Hürden überwunden werden?

TunnelIn Brüssel gibt es dazu folgende Vorschläge, die ganz gewiss nicht von heute auf morgen umsetzbar sind. Deshalb plant man auch in langen Zeitetappen. So soll das Kernverkehrsnetz bis 2030 stehen. Dieses soll dann das Rückgrat des Verkehrs im Binnenmarkt darstellen. Finanziert wird das TEN-V-Kernnetz von den einzelnen Mitgliedsstaaten, unterstützt werden Vorhaben auch mit EU-Mitteln.
Ein weiteres Ziel: Angestrebt wird schrittweise für 2050, dass die allermeisten Bürger und Unternehmen in Europa nicht weiter als 30 Minuten vom Zubringernetz entfernt sind. Das neue Verkehrsnetz soll sicherer und weniger anfällig für Staus sein. Ganz lapidar gesagt: In Europa soll ein reibungsloseres und schnelleres Reisen ermöglicht werden.

Die Höhe der Anschubfinanzierung soll 31,7 Milliarden Euro betragen, weitere Investitionen der Mitgliedstaaten sollen somit angestoßen werden. Nicht ohne Grund wird in die Offensive gegangen, wird der Güterverkehr bis 2050 um geschätzte 80 Prozent und der Personenverkehr um mehr als 50 Prozent zunehmen.
Die Fakten für das Kernnetz, das in der ersten Finanzierungsphase von 2014 bis 2020 rund 250 Milliarden Euro kosten wird, sehen wie folgt aus: 83 wichtige Häfen sollen an das Schienen- und Straßennetz angebunden werden. 37 Flughäfen sollen im Schienenverkehr mit Ballungsgebieten verbunden werden. Rund 15.000 Kilometer Schienennetz sollen für Hochgeschwindigkeitszüge tauglich sein. Verwirklicht werden sollen 35 grenzüberschreitende Vorhaben, mit denen Engpässe abgebaut werden.

lyon AutobahnKlingt alles gut und überzeugend. Ist es das auch? Sehr kritisch betrachten die Europäischen Grünen dieses Vorhaben. Sie befürchten, dass die darin vorgeschlagenen Großprojekte nicht mit den EU-Zielen für Nachhaltigkeit, Bekämpfung des Klimawandels und Umweltschutz vereinbar sind. Michael Cramer, verkehrspolitischer Sprecher der Grünen/EFA im Europäischen Parlament, erklärte, die Vorschläge verfehlen das Ziel einer nachhaltigen Ausrichtung der EU-Verkehrsnetze, sowohl mit Blick auf die Bevorzugung umweltfreundlicher Verkehrsmittel als auch in Bezug auf die Vereinbarkeit der Projekte mit den eigenen EU-Umwelt- und Klimazielen.
Michael Cramer kritisierte, dass der Löwenanteil der Finanzierung auf vier große Infrastrukturprojekte gebündelt sei. Die Rede ist vom Brenner-Basis-Tunnel, dem Tunnel Lyon - Turin, die Brücke über die Straße von Messina und die feste Querung über den Fehmarnbelt. Ihr enormer Finanzierungsbedarf blockiere kleinere, aber wichtigere Projekte. Michael Cramer erklärte, dass die Grünen durchaus begrüßen, dass dem Schienenverkehr ein prominenter Platz als Teil des Kernnetzes zugeteilt wurde. Dennoch bestehe die Gefahr, dass die vorgeschlagenen Korridore aufgrund der nie endenden Planungs- und Finanzierungsprozesse bei großen, langfristigen Prestigeprojekten erneut scheitern.
Weiterhin kritisierte er, dass die Rail Baltica noch immer auf sich warten lässt. Sie sei die einzige umweltfreundliche Verbindung zwischen den baltischen Staaten und dem Rest der EU, doch ihre Finanzierung sei immer noch nicht sicher gestellt.

Tallinn Moskau ZugBaltikum? Zugverbindung? Ein wirklich klassisches Beispiel. Man versuche doch einfach mal eine Bahnverbindung von Berlin nach Tallinn (Estland) zu finden. Na dann mal los! Auf Anhieb gelingt das nicht. Schnell wird man feststellen, dass ein Umweg über Russland erforderlich ist. Immerhin von Moskau aus kann die estnische Hauptstadt direkt angesteuert werden. Fahrtzeit 16 Stunden.
Eine Verbindung zwischen den baltischen Hauptstädten Riga und Tallinn? Fehlanzeige! Eine Bahnverbindung vom polnischen Gdansk ins lettische Riga? Satte 32 Stunden Fahrtzeit über Warschau, Sestokai und Vilnius. Allein die Tatsache, dass man für die Zugfahrt von Vilnius nach Riga (292 Straßenkilometer) ganze 14 Stunden benötigt, ist für Europa im Jahr 2011 eine echt harte Nummer!

> zur turus-Fotostrecke: Bahnhöfe in Europa und der ganzen Welt

> zur den turus-Fotostrecken: Impressionen aus ganz Europa

> zur Seite von Michael Cramer, MdEP

> zur Seite der Europäischen Kommission

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