Die kapverdische Fluglinie TACV hat ihr Flugnetz radikal zusammengestrichen. Der Vorteil ist, dass die Zeiten der endlosen Verspätungen vorbei zu sein scheinen (meistens flog man früher als geplant ab). Die TACV fliegt jeden Tag zu anderen Zeiten an andere Orte, eine Regelmäßigkeit ist nicht zu erkennen. Auf den Kapverden gibt es überall Agenturen der TACV, der Service ist gut. Man kann selbst kurz vor dem Abflug das Ticket kaufen, denn Flüge sind auf den Kapverden selten ausgebucht. Sie kosten jeweils so um die 70 Euro. Die TACV erlebte ich als gut organisierte, unkomplizierte und effiziente Fluggesellschaft. Zwischen den einzelnen Inseln verkehren zwar auch Fähren, es ist jedoch sehr mühsam, die Fahrzeiten in Erfahrung zu bringen.
Inseln der ständigen Winde: Eine Reise auf die Kapverden
HotDer Check-In in Lissabon ist herzlich und geht für portugiesische Verhältnisse so schnell, dass ich ganz verwirrt bin. Das Flugzeug ist praktisch leer, ein paar Kapverder sind an Bord. Bald erlebe ich dann aber Seltsames. Auf den kapverdischen Toiletten spühlt man das Klopapier nicht mit dem Rest in der Wanne hinunter, sondern wirft es in einen daneben stehenden Abfallkübel. Dies ist ja in vielen Ländern der (unangenehme) Fall. Als ich die Toilette des Flugzeuges betrete, sehe ich Toilettenpapier am Boden liegen. Auf dem Toilettendeckel findet sich auch der Hinweis, dass man Klopapier nicht in die Wanne werfen darf. Gleichzeitig finde ich auf der ganzen Toilette keinen einzigen Kübel. Zum Glück dauert der Flug nur rund 3,5 Stunden.
Mindelo
Von oben aus sieht die Insel Sao Vicente und ihre Hauptstadt Mindelo wirklich spektakulär aus. Gezackte Bergspitzen ragen auf und umgeben die schmucke Hauptstadt Mindelo, die wunderschön an einer Bucht gelegen ist. Das Flugzeug setzt zur Landung an. Zwischen zwei Hügelketten peilt der Pilot die Landebahn an. Der Wind weht heftig, es sind aber keine Höhenwinde, sondern heftige Böen direkt über der Oberfläche, die dem Piloten zu schaffen machen. Kurz vor dem Aufsetzen gibt er nochmals Schub und setzt leicht leicht versetzt zur Landebahn auf, wohl um den heftigsten Windböen zu entgehen. Kaum auf der Piste, gibt es eine kurze Kurskorrektur, dann rollen wir auf der Landebahn zum Flughafengebäude. Rund 20 Meter davor kommt das Flugzeug zum Stehen. In einem Bus legen wir die letzten 20 Meter zum Gate zurück.
Da ich kein Visum habe, aber eins brauche, gehe ich zuerst ins Zollamt. Es geht ganz schnell. Das einzige, was die Frau mir gegenüber tut, ist eine Quittung auszufüllen für die 25 Euro, welche das Visum kostet. Danach knallt sie mir einen kitzekleinen Stempel in den Pass und das war es auch schon. Ich bin in Cabo Verde, den Inseln der starken Winde.
Mindelo ist ein ganz nettes Städtchen, wunderschön gelegen und immer im Wind. In meinem Reiseführer steht, dass das Nachtleben ganz toll sein soll, man solle von Bar zu Bar ziehen. Sobald es dunkel werde, kommen die Menschen aus den Häusern und treffen sich in den Gassen und Parks.
Mindelo hat zwar wunderbare Häuser im Kolonialstil, eine traumhaft schöne, malerische Lage direkt an einer Bucht und gute Restaurants, aber ganz sicher kein ausschweifendes Nachtleben. Es ist Freitagabend, am Eindunkeln, die Menschen gehen nach Hause und kommen nicht mehr zurück, das Zentrum wirkt wie ausgestorben, nur der Wind ist geblieben und sorgt dafür, dass ich zu frösteln beginne. Auch das Barhopping erweist sich als schwierig, denn allzuviele Kneipen gibt es nicht und die wenigen, die ich finde, sind meist leer und füllen sich auch nicht mehr. Zudem ist in Kneipen gehen vorwiegend Männersache. Eine ganz einfache Disco entdecke ich noch für das junge Volk, in der zu späterer Stunde das Hauptgesprächsthema gewesen ist, ob der Rauswurf des sturzbetrunkenen Südkoreaners gerechtfertigt gewesen wäre oder nicht. In Mindelo, zumindest an dem Wochenende, an dem ich hier gewesen bin, läuft es genau umgekehrt. Man geht tagsüber in die Kneipen und Cafes, dann, wenn die Läden offen sind. Eines wird mir spätestens jetzt bewusst. Auf den Kapverden geht es ruhig und gemächlich zu. Andere würden es langweilig nennen.
Die Wanderung auf den Monte Verde, einem grimmig gezackten Berg, dessen Spitze immer von einem Wolkenband verdeckt wird, erweist sich als schwieriger als erwartet. Man bekommt den Eindruck, dass die Winde sämtliche Wolken in der Umgebung um diese Bergspitze drehen und winden tut es auf Mindelo immer, mal stärker, mal weniger stark. Auf Kopfsteinpflaster führt die Strasse zum Gipfel. Die Landschaft ist sehr karg, aber schön. Die Erde völlig ausgetrocknet, hier wächst nichts Brauchbares. Der starke Wind mit heftigen Böen machen das Wandern nicht immer einfach. Plötzlich flacht er ab, um dann nur umso stärker zurückzukommen. Müde erreiche ich nach diesem schönen rund fünfstündigen Marsch wieder Mindelo und gehe ins Cafe Lisboa, einer wunderbaren kleinen Kneipe. Ärgerlich nur, dass es hier nur diese 0,25l Bierfläschlein gibt, welch ökologischer Unsinn.
Auf Mindelo kommt fast alles, – im Gegensatz zu Sal oder Praia - was man kaufen kann, aus Portugal. Sogar das Bier und das Trinkwasser. Nun sitze ich also im Cafe Lisboa, in dem man herrlich den Leuten beim flanieren zusehen kann. Jedes Mal, wenn eine Frau die Bar passiert, drehen die Männer ihre Köpfe und betrachten ihren Allerwertesten. Ich muss dazu sagen, dass die Frauen hier auf Mindelo sehr attraktiv sind, gleichzeitig auch sehr zurückhaltend und freundlich. Noch weiss ich nicht, dass dies nicht überall auf den Kapverden so ist.
SAL
Eine flache, karge Insel, die mehr an eine Wüste erinnert und auf der endlos ein Wind fegt, ist das Zentrum des kapverdischen Tourismus. In Santa Maria, dem „Epizentrum“, reibt man sich die Augen. Wie konnte man nur so eine scheussliche Siedlung bauen? Derjenige, der dies geplant hat, soll hier zur Strafe zwei Wochen Ferien machen müssen. Der Strand hingegen überzeugt mit spektakulären Wellen. Das Wasser ist kälter als ich es erwartete, eine herrliche Erfrischung. Am Tag wirkt Santa Maria eher wie ausgestorben, dafür ist das Nachtleben für diesen kleinen Ort ganz ansprechend. Es hat einige ziemlich coole Kneipen. Die meisten Touristen, vorallem Briten und Franzosen, sind in einer Kneipe, in der es zu europäischen Bier und europäischen Mitarbeitern Livemusik eines Briten zu hören gibt, der, wirklich sehr fähig, die besten Britpop-Hits zum Besten gibt. Ich klappere noch ein paar Kneipen ab. Sal ist ziemlich teuer im Vergleich zu Mindelo, dafür gibt es hier einheimisches Bier, das Strela, und nicht nur diese winzigen 0,25l-Bierflaschen, sondern auch Halbliter vom Fass. Das ändert nichts daran, dass mir das Bier nicht besonders schmeckt, ich bin aber zu alt, um meine Gewohnheiten zu ändern und tue mir noch ein paar Bierchen an. Die Menschen sehen hier ganz anders aus als auf Mindelo. Viele Rastatypen begegnen mir, die es auf Mindelo praktisch nicht gibt. Der Kontinentalafrikanische Einfluss scheint hier viel grösser zu sein.
Viel gibt es in Santa Maria nicht zu sehen. Auf meinem Streifzug entdecke ich keine Sehenswürdigkeiten. Eines sticht mir aber ins Auge: die Prostitution ist weit verbreitet. Nicht etwa die weibliche Prostitution, die hier kaum sichtbar ist, nein, die Kapverden sind eine weibliche Sextourismus-Destination. Wie im grossen Stil auf Kuba, aber auch auf Jamaika oder in Gambia, turteln hier Europäerinnen mit ihren Beachboys herum. Ich sehe hier einige, oft attraktive junge Europäerinnen, die ich rein optisch gerne als Freundin hätte, die sich hier einen einheimischen Beachboy gekauft haben. In der Kneipe, in der ich jetzt sitze und die vor allem von Einheimischen frequentiert wird, die zu einheimischer Musik tanzen und einheimischen Bier trinken, knutschen die Damen hemmungslos, ich finde etwas peinlich, mit ihren Lovern herum. Auf meinen vielen Reisen habe ich gelernt, dass man als Europäer oft mit einer sexuellen Moralvorstellung anderen Kulturen entgegentritt, die diese oft nicht teilen, wir sie aber nach unserer Vorstellung werten. Daher stelle ich nur fest, werte aber nicht.
Die Bar, in der ich mich nun niedergelassen habe, ist von zahlreichen Beachboys besucht, die nach Europäerinnen Ausschau halten. Ich will gerade gehen, als plötzlich, mittlerweile ist Mitternacht, kreischende Frauengruppen in die Bar einfallen und unfassbar erotisch ihre Becken und Hinterteile schwingen. Es ist eine Mischung, wie Frauen auf Brasilien tanzen und der verücktesten Party meines Lebens, die ich auf Trinidad und Tobago erlebte, wo Männlein und Weiblein als Tanzform ihre Hinterteile aneinander rieben. Hier ist aber alles viel gesitteter, man hält respektvoll Abstand. Nach kurzer Zeit ist dieses Beben wieder vorbei und auf der Tanzfläche gibt es wieder Platz. Mir hat diese plötzliche Energie, die in diesen Tänzen freigelassen wurde, imponiert. So etwas gibt es auf Europa nicht. Mein Magen zwingt mich schliesslich zur Heimkehr. Das einheimische Bier macht auch nicht gerade Lust auf mehr.
Praia
Die Insel Santiago ist eine Mischung aus Sao Vicente und Sal. Sie sieht aus wie eine Wüste, aber ist doch auch mit einigen Hügeln versehen. Auch hier windet es ständig, mal heftiger, mal weniger heftig. Die Hauptstadt des Inselstaates, Praia, ist auf den ersten Blick nicht gerade eine Perle, sie ist aber „viel afrikanischer“ als die anderen von mir besuchten Orte. Nur schon der kleine, enge, chaotische Markt erinnert mich an Afrika. Und auch Praia hat ein paar kleine Highlights. Entlang des Strandes, der zwischen Sand und Klippen abwechselt, entdecke ich ein paar herrliche Ecken, fantastische Restaurants und Kneipen.
Die Orientierung in Praia ist sehr einfach. Das Zentrum, das Plateau, liegt erhöht über der Stadt, die generell sehr hügelig ist. So kann man sich immer an den Hügelzügen orientieren und so kann man eine herrliche Aussicht auf die Strände geniessen. Auch die Menschen erinnern mich mehr an Afrika als auf den anderen Inseln. Es gibt hier Leute mit einer tiefschwarzen Hautfarbe, hellbraune bis hin zu weisser Haut und aller möglichen Gesichts- und Körperformen. Und auch vom Verhalten her erinnern sie mich mehr an Afrika denn an Sao Vicente. Im Dienstleistungssektor wirken sie unfreundlich und mürrisch und sagen nicht viel und vor allem blicken sie grimmig drein und kein lächeln oder lachen kommt über ihre Lippen, so wie ich es in Afrika erlebte. Dies irritiert, denn ich werde sehr aufmerksam und korrekt bedient.
Es ist der 1.Mai und alle haben frei. Die Stadt wirkt ausgestorben, leergefegt. Wo sind die alle? Selbst am Strand hat es kaum Menschen. So geht mein letzter Tag auf den Kapverden zu Ende. Wer hierher reist, darf keine zu hohe Erwartungshaltung haben. Hier ist man richtig, wenn man sich erholen will und eine exotische Destination sucht. Auf den Kapverden gibt es kaum Kriminalität, kaum Ärger, man wird in Ruhe gelassen, alles funktioniert. Auf dem Flughafen Praia gibt es sogar gratis Wifi. Mir hat es denn auch ziemlich gut gefallen, obwohl ich die schönsten Inseln Fogo und San Antao gar nicht besucht habe. Zugegeben, es hätte schon etwas mehr los sein dürfen. Und so wäre mehr als eine Woche dann doch des Guten zuviel gewesen.
Das Flugzeug der TACV steht bereit zum Abflug nach Lissabon. Pünktlich hebt es ab und lässt die Inselgruppe unter mir. Von Lissabon geht es mit dem Zug nach Hause. Beim Zwischenstopp in Bordeaux möchte ich mir noch zwei belegtes Baguette kaufen, doch ich habe nur einen 50 Euro-Schein und das finden die hier gar nicht toll. „C'est la morde“ bescheinigt mir die erste „netterweise“ und fügt trocken an „je n'ais pas d'argent“. Kurz, ich bekomme keine Baguettes. In Frankreich kann die mir also keine zwei 20 Euro Noten herausgeben! Unfassbar. Ich scheitere noch ein zweites Mal. Schliesslich, am dritten Stand, wird mir zwar ein „merde“ also „Scheisse“ entgegengeschleudert, aber sie findet dann doch nach längerem Suchen vier 10ner Noten. So etwas wäre mir auf den Kapverden nicht passiert.
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