Beim Blick aus dem Fenster konnte man glatt vergessen, dass man anlässlich des Osterfestes zu Gast bei der Familie in Polen ist. Zumal der reich gedeckte Tisch dem von Weihnachten auf den ersten Blick in der Regel sehr ähnlich sieht. Allerdings liegen zu Ostern statt des Karpfens gekochte Weißwürste auf dem Teller. Einen Großteil der Speisen und Getränke gibt es allerdings zu beiden Feierlichkeiten: Bigos, Schinken, Fleischrollen, eingelegte Pilze, rote Beete und reichlich Kuchen. Dazu wahlweise härteren oder weicheren Schnaps für die Tischgesellschaft. Speziell zu Ostern gibt es jedoch gekochte Eier, zum Teil in Mayonnaise-Soße eingelegt.
Schnee, Schnaps, Bigos und Karpatki: Weihnachtliches Osterfest in Polen
Stichwort Eier. Auftakt des polnischen Osterfestes bildet am Samstag ein Gang zur Kirche, an der – wenn es die Witterungsverhältnisse zulassen – davor ein großer Tisch aufgebaut ist, auf dem die Leute ihre mit Eier und Bukszpan-Zweigen gefüllten Körbchen abstellen, damit diese vom Pfarrer gesegnet werden. Anschließend geht man in die Kirche und hält vor dem geschmückten Seitenaltar ein Gebet. Der Rest des Tages wird in polnischen Familien zumeist von den Vorbereitungen für das Familienessen am nächsten Tag bestimmt. Kochen, backen, umfüllen und den Tisch vorbereiten. Viel Zeit bliebe am Ostersonntag dafür nicht, denn das gemeinschaftliche Essen beginnt meist am Vormittag.
Bevor es sozusagen „Ran an den Speck bzw. die Würste“ geht, reicht ein Mitglied der Familie ein kleines Tablett mit aufgeschnittenen hart gekochten Eiern und Salz. Ähnlich wie am Heiligabend (mit Oblate) umarmt man sich, wünscht sich das Beste und isst ein Stück des Eies. Wenig später stechen die Gabeln von allen Seiten in die polnischen Weißwürste, die es in den meisten Familien nur zu Ostern zu Essen gibt. Dieser deftige Auftakt gegen 10 oder 11 Uhr bietet guten Anlass die erste Vodka-Runde einzuläuten. In meinem Fall wurde in Cieplice bei Jelenia Góra im Vorland des Riesengebirges wieder hausgemachter Schnaps gereicht. Spiritus, der mit gekochtem Wasser und selbstgemachtem Karamell veredelt wird.
Das Ganze nimmt gut Fahrt auf. Muntere Gespräche, viel Essen, etliche Schnaps-Runden. Alternativ steht auch richtig dunkler Holunderlikör bereit. Rundum ein geselliges Essen, das in der Form in Deutschland eher selten zu sehen ist. Der Osterspaziergang mit dem Kind glich in diesem Jahr jedoch eher einer Weihnachtswanderung. Zwar hatte sich die Eiseskälte inzwischen glücklicherweise verzogen, doch der Schnee zauberte eine hübsche Winterlandschaft. In nicht allzu großer Ferne die verschneite Bergkette des Riesengebirges. Die Schneekoppe eingetaucht in grauen Wolken. In der Nacht vom Ostersonntag zu Ostermontag gab es im Großraum von Jelenia Góra noch einmal eine Portion Neuschnee. Der Rundgang über die Felder und Wiesen inmitten des frischen Weiß war herrlich, verdrängte nun allerdings auch den allerletzten Funken des Frühling-Feelings. Wandern wie Mitte Januar – und das am 1. April 2013. Und hierbei handelt es sich um keinen Aprilscherz! ;-)
Fotos: Marco Bertram
> zur turus-Fotostrecke: Impressionen aus Polen