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Was kostet die Welt? Ticketpreise der 90er Jahre für Bahn, Bus, Schiff und Flugzeug

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ReichsbahnOb mit dem Tramper-Monatsticket der Deutschen Bahn zu den verschiedensten Fußballspielen, mit dem Flugzeug nach New York und mit dem Greyhound-Wochenticket quer durch Nordeuropa oder mit dem Schiff von Belém den Amazonas und Rio Negro hinauf nach Manaus. Es gibt kaum eine Fortbewegungsmöglichkeit, die seit 1990 nicht einmal ausprobiert wurde. Sei es beruflich, privat oder einfach nur just for fun. Würde man meine sämtlichen Reisekosten seit dem Fall des deutschen Raumteilers zusammenrechnen, käme eine mehr als stattliche fünfstellige Summe heraus. Ganz klar, andere kauften sich ein Auto oder eine neue Stereoanlage, ich war auf Achse und gab mein Geld auf unzähligen Touren in Nah und Fern aus. 

GreyhoundHunderte Tickets liegen in einer Kiste und warten darauf, wieder mal ans Tageslicht zu kommen und ausgewertet zu werden. Wie teuer war im Sommer 1993 ein Flug mit United Airlines von Berlin nach New York und zurück? Jemand eine Ahnung? Ich auch nicht. Der Blick in die besagte Kiste muss daher sein. Oder eine Fahrt mit der Bahn im Sommer 1990 von Berlin ins Ruhrgebiet? Wie teuer mag wohl diese gewesen sein? Oder das erwähnte Wochenticket von Greyhound, mit dem man locker 5.000 Kilometer von Montreal bis nach Vancouver und Seattle zurücklegen konnte? Schauen wir doch einfach mal und gehen die Sache querbeet durch.

Deutsche bahnEin Highlight hatte sich eingeprägt. Das Monatsticket der Deutschen Bahn für Schüler und Studenten bis 26 Jahre. Mitte der 90er konnte man 350 Deutsche Mark am Schalter abgeben und dafür einen Monat lang quer durch das Land reisen. Für mich als unersättlicher Fußballfreund ein Traum. Im Herbst 1994 kaufte ich gleich dreimal in Folge dieses Tramper-Bahnticket und befriedigte meine Neugier. Spiel von Bayer 04 Leverkusen in München? Hin da! Dort einen Kumpel getroffen und kurzerhand mit nach Köln gedüst. War ja alles kein Problem. Dynamo Dresden im Hamburger Volksstadion? Rein in den Zug! Hertha BSC in Zwickau, der FC Berlin in Leipzig-Leutzsch, Arminia Bielefeld bei Preußen Köln?! Alles kein Problem. Das Wochenende wurde gefüllt. Ein Blick ins Kursbuch und ab ging die Post. Kurze Telefonate mit Freunden. Haste morgen Zeit? Ich komm vorbei! Nach Recklinghausen, Stuttgart oder Kiel. Heute müsste man sich die „Black Mamba“ anschaffen. Und der Preis der BahnCard 100 wäre vergleichbar. 3.990 Euro im Jahr, monatlich bezahlbar für 350 Euro. Allerdings muss eben diese für ein gesamtes Jahr gekauft werden.

Junior-PaßWenn wir schon mal bei der Bahn sind. Ran an den fetten Ticketstapel. Was haben wir denn feines? Einen Junior-Paß, ausgestellt am 11.11.1991 in Leverkusen Mitte. Die „neue Bahn“ machte es möglich. 110 DM der Preis, gültig für ein Jahr. Ähnlich wie bei der späteren BahnCard konnten die Bahntickets zum halben Preis gekauft werden. Der finstere Blick auf dem eingeklebten Passbild besagte: Dieser junge Mann hatte verdammt viel vor! Abseits der Fußballsonderzugfahrten konnte sich manch eine Fahrt in die Heimat ermöglicht werden. Zu regulären Preisen war dies damals schon so eine Sache. So kosteten Hin- und Rückfahrt mit der Bahn im August 1992 von Bergisch Gladbach über Köln-Mülheim nach Mönchengladbach nur noch 14,80 DM. Und wer denkt, Bahnfahren war damals eine günstige Angelegenheit, der sieht sich getäuscht. Für Hin- und Rückfahrt zwischen Leverkusen und Berlin mussten im Juli 1994 mit der BahnCard Junior satte 140,50 DM hingeblättert werden. Für die Strecke Köln – Frankfurt am Main - Köln waren zwei Jahre zuvor 51 DM fällig. Nach Stuttgart und zurück waren es zwei Mark weniger.

PragVergleichsweise günstig war von Berlin aus eine Tour nach Prag. Hin und zurück kosteten mit 50 Prozent Ermäßigung (bis zur Grenze) exakt 60 Deutsche Mark. Interessant auch im Nachhinein sicherlich die Tatsache, dass bis 1994/95 noch Fahrkarten der Deutschen Bundesbahn und der Deutschen Reichsbahn ausgegeben wurden. So waren die Tarife in den Alten und Neuen Bundesländern unterschiedlich. Gut zu sehen an Hand der prozentualen Angaben auf dem Ticket, wenn man beispielsweise von NRW nach Berlin düste. So prangten auf dem ICE-Ticket Leverkusen – Berlin oben auf der Fahrkarte das alte rote Emblem der Bundesbahn und das grüne runde Emblem der Reichsbahn.

1990 und 1991 gab es bei der Reichsbahn sogar die CIV-Tickets, die für Auslandsfahrten gedacht waren. Per Hand und Stempel eingetragen wurden am 14. Juli 1990 die Daten für die Fahrt von Berlin nach Frömern (Westfalen) und zurück. 88 Mark der DDR in diesem Fall (ein halber Monat vor der Währungsunion). Ein Jugendtourist-Ticket (Jugendliche unter 26 Jahren) gab es von der Reichsbahn fast exakt ein Jahr später, als es von Berlin aus nach Hannover ging. 36 DM für eine einfache Tour. Das Ticket wurde verkauft und ausgefüllt von ReiseWelt in Berlin, im Ticket mit angetackert war eine Werbung von Wasteels-Reisebüro, bei dem es unter anderen Sonderflüge nach Sizilien, ein europäisches Baukastensystem und BIGT-Tickets (für ausländische Arbeitnehmer zu stark ermäßigten Preisen) gab.

BudapestWerfen wir noch mal einen Blick auf ausländische Bahnverbindungen. Auf dem Tisch liegt solch ein grünes Wasteels-Ticket, ausgestellt von der Nationale Maatschappij der Belgische Spoorwegen. Am 30. Juli 1991 ging es von Brüssel nach Berlin. Vier Wochen trampen durch Deutschland, Frankreich und Belgien waren damals genug, zurück ging es in einem Stück auf dem Schienenweg. Für 2460 belgische Franken (zirka 60 Euro). Abenteuerlich sah im April 1996 die Beschriftung des Wasteels-Tickets für die Strecke Budapest Keleti – Schöna (Grenze) aus. Notizen kreuz und quer, aber Hauptsache der Preis stimmte. 6219 ungarische Forint. Für den Abschnitt Schöna – Berlin wurde in Budapest ein extra Ticket der ungarischen Staatsbahnen ausgestellt. 2338 Forint für diese Karte inklusive grauem Begleitzettel, der jeder Beschreibung spottet. Umgerechnet wären das nach heutigem Stand rund 30 Euro, doch der Kurs wird damals sicherlich ein ganz anderer gewesen sein.

PolenPreiswert war im Dezember 1995 eine Fahrt von Frankfurt/Oder nach Warschau und zurück. Mit dem Twenticket waren gerade einmal 40,80 DM fällig. In dem berüchtigten Nachtzug konnte es jedoch schon mal vorkommen, dass auf anderem Wege das Geld seinen Besitzer wechselte. So wurden bei einem Freund aus den schlappen 40 Deutschen Mark letztendlich mal eben 140. Trotz sämtlicher Vorsichtsmaßnahmen gelang es Gaunern, in der Nacht in unserem Abteil an die Geldbörse zu kommen und diese ein wenig auszudünnen. Apropos Polen. Im gleichen Jahr bezahlte ich für eine Hinfahrt von Berlin nach Jelenia Góra (Riesengebirge) mit der Bahncard 29,30 DM. Das Gute vor allem: Damals gab es noch eine Direktverbindung. In der Gegenwart mündet die Tour mitunter in eine halbe Weltreise.

MadridHoch ist der Ticketstapel, ausgedehnt und zahlreich waren all die Touren quer durch Deutschland und Europa. Im Februar 1994 wurde der Klassiker gekauft. Interrail 26. Für 580 DM einen Monat lang von Land zu Land düsen. Die deutschen Strecken exklusive. Sattes Geld für einen 21-jährigen. Also hieß es mit meinem Kumpel an anderer Stelle sparen. Keine Hotels, keine Herbergen. Gepennt wurde im Zug, auf Bahnhöfen und in irgendwelchen Parkanlagen. Zum Ticket gab es ein Heftchen, das ausgefüllt werden musste. Datum, Abfahrtsstunde, von, nach, über. Los ging´s am 27. Februar 1994 um 00:07 in Köln. Machen wir doch mal den Spaß und zählen sämtliche Stationen auf. Köln, Paris, Bordeaux, Lissabon, Entroncamento, Badajoz, Merida, Madrid, Almeria, Madrid, Paris, Köln, Aachen, Brüssel, Basel, Lausanne, Basel, Brüssel, Lüttich, Aachen, Ostende, Ramsgate, London, Manchester, Edinburgh, Newcastle, London, Gattwick, London, Ostende, Brüssel, Köln, Brüssel, Lüttich, Antwerpen, Rotterdam, Schiphol, Amsterdam, Den Haag, Amsterdam, Brüssel, Hasselt, Lüttich, Pepinster, Aachen, Düren und Köln Deutz.

MarcoLiest sich krank. War es teilweise auch. Nächte mussten sich auf irgendwelchen Nachtstrecken um die Ohren geschlagen werden. Sämtliche Etappen wurden eingetragen. Kurioserweise reichte das Heftchen bis auf die letzte Spalte genau. Maßarbeit! Doch nicht ganz, denn plötzlich halte ich eine Sitzplatzreservierung in der Hand. Milano Centrale – Bruxelles. 14. März 1994. Nicht gestempelt. Irgendwas muss da schief gegangen sein. Bis nach Italien hatten wir es demzufolge nicht geschafft. Und um das Kapitel Bahnfahren in den 90ern abzuschließen: Ein Britrail Pass – gültig für unter 26-Jährige für acht aufeinanderfolgende Tage – war im Februar 1995 für 270 DM zu haben. Es war die einzige Reise in meinem Leben, die ich komplett allein in Angriff genommen hatte. Das traurige Wetter und die düsteren Bahnhöfe ließen mitunter melancholische Ausbrüche im bedenklichen Ausmaß aufkommen.

AmazonasKommen wir zu den anderen Verkehrsmitteln. Mit Eurolines im Juli 1997 von Köln nach Dublin und zurück. 228 Deutsche Mark. Vier Fahrten mit den Fähren inklusive. Eine klasse Reise durch Irland, keine Frage, doch solch eine sich extrem langziehende Anreise mit Wartezeiten auf den Fährhäfen wünschte ich mir im Nachfeld nie wieder. Reiste man mit Interrrail, so mussten die Überfahrten selbstverständlich separat bezahlt werden. Die Strecke Oostende – Ramsgate - Oostende kostete im Frühjahr 1994 für zwei Personen 120 DM. Ein Jahr später drückte ich als Einzelperson stolze 100 DM ab. Da war ein Ticket für die Fahrt auf dem Amazonas von Belém nach Santarém im Sommer 1996 ein echtes Schnäppchen. 51 Brasilianische Reais kostete die zweitägige Tour. Hängemattenplatz und Essen inklusive. In etwa entsprach dies der gleichen Summe in US-Dollar.

USAStichwort Schnäppchen. Ein echter Hammer war in den 90ern der Greyhound Canada Travel Pass. Eine Woche lang auf sämtlichen kanadischen Greyhound-Strecken fahren, die Abschnitte nach New York, Buffalo und Seattle inklusive. Studenten bzw. Jugendliche unter 26 Jahren zahlten für dieses Busticket nur 220 DM. Der einzige kleine Haken: Es musste bereits vor Abreise in Deutschland in einem Reisebüro gekauft werden. Das Ticket ähnelte einem Scheckheft. Pro Fahrt wurde ein Scheinchen ausgefüllt, abgetrennt und abgegeben. Von New York über Montreal, Toronto, Thunderbay, Winnipeg nach Calgary und Banff – dies war in unserem Fall damals im Sommer 1993 möglich.

MountainsNach einer einwöchigen Wanderung durch die Berge der Rocky Mountains kam das zweite im Vorfeld besorgte Ticket zum Einsatz. Lake Louise, Vancouver, Seattle und zurück nach Buffalo und New York. Ganz klar das Schnäppchen meines Lebens. Über 10.000 zurückgelegte Kilometer für gerade einmal 440 DM. Ähnlich preiswert waren später nur die vor Ort in Russland gekauften Fahrkarten für die Transsibirische und Transmongolische Eisenbahn.

FlugzeugZum Abschluss fehlt noch etwas. Richtig, das Flugzeug! Bereits 1993 machten die Fluggesellschaften innerhalb von Deutschland der Deutschen Bahn Konkurrenz. So nutzte ich für meine Reisen von der Ausbildungsstätte im Rheinland ins heimische Berlin schon mal den Flieger. 171 DM von Düsseldorf nach Tegel und zurück. Prima Sache, zumal es bei der Lufthansa damals in der Wartezone ein prächtiges Buffet und zahlreiche Zeitschriften gab. Jeder Fluggast griff herzhaft zu. Kein Problem. Focus, Stern und Spiegel. Dazu Obst und Süßkram für die nächsten drei Tage. Da wäre man doch blöd gewesen, für 140 DM mit der Bahn zu tuckern. Dekadenz warfen mir meine Freunde vor. Als 20-jähriger Azubi mit dem Flieger mal eben nach Hause jetten. Ich liebte es und genoss die Angelegenheit mit alle ihren Facetten.

MarcoSo war das eben in en 90ern. Mal getrampt, mal in stinkenden Zügen nachts irgendwo zwischen Hasselt und Lüttich die Zeit vertrieben, mal 24 Stunden im engen Bus nach Irland gedüst – und mal eben mit dem Flieger bequem ins Wochenende. Die Preisspirale ging 1993 ein wenig hoch – und ich zog mit. 185 DM, 210 DM. Dann war das Limit erreicht und ich stieg wieder auf die Bahn um. 15 DM für das damalige Schöne-Wochenende-Ticket (5 Personen, Samstag UND Sonntag gültig). Das andere Extrem. Gerammelt volle Nahverkehrszüge, unfassbare Zustände beim Umsteigen in Braunschweig und Magdeburg. Es schien, als renne jeder um sein Leben. Menschen stolperten über Taschen, andere boxten mal eben Konkurrenten zur Seite.

FliegerZurück zum Fliegen. Leider ist nicht immer auf dem letzten verbliebenen Blatt der Flugtickets der damalige Preis zu sehen. Insbesondere bei Fernflügen ist auf dem hinteren Blatt das Feld der Summe leer bzw. nicht vorhanden. 15. Januar 1993. Mit der Lufthansa ging es für 228 DM von Düsseldorf nach London und zurück. Richtig, dies kam für mich in etwa einem Heimflug nach Berlin gleich. Teurer wurde es zu Ostern des gleichen Jahres. 347 DM waren mir Hin- und Rückflug nach Manchester wert. Welchen exakten Preis jedoch meine damaligen Flüge von Peking nach Helsinki, von Hamburg nach Rio de Janeiro, von Berlin nach New York und von Berlin nach Madeira hatten, ist nicht mehr herauszukriegen.

ManausZwar liegen die Tickets vor mir auf dem Tisch – allerdings wie gesagt ohne Preisangabe. Aber hey, einen Preis habe ich noch parat. Mit der VASP flog ich im Juli 1996 one way von Manaus nach Rio de Janeiro. Der Preis: 272,39 Reais. Gebucht bei der Pará Amazonas Turismo Ltda. im Zentrum von Manaus in der Rua José Clemente 508 am Praça São Sebastião. Ein neugieriger Blick auf google maps besagt, diese Agentur gibt es noch. Vielleicht, ja vielleicht sieht man sich nach 18 Jahren zur Fußballweltmeisterschaft 2014 wieder, wenn es heißt: Um bilhete de avião para o Rio de Janeiro, por favor...

Fotos: Marco Bertram

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Sehr schöner Artikel schon irre wie sich die Preise verändert haben. Schau dir doch auch mal meinen Blog an vielleicht gefällt er dir:
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P
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