"Essen Die Einkaufsstadt" mit diesem Slogan empfängt die Ruhr-Metropole auf dem Dach des Hotels Handelshof seit 1951 seine Gäste, die unter anderem mit den insgesamt 550 Zügen die normalerweise am Essener Hauptbahnhof halten, anreisen. Derzeit ist das ganze ein wenig anders: Nur vereinzelte Fernzüge sowie Regionalzüge finden ihren Weg in die viertgrößte Stadt Nordrhein-Westfalens (Nummer neun in Deutschland). Grund: Ein vor zehn Tagen gefundener etwa 170 Jahre alter Bergbaustollen mit zahlreichen Hohlräumen unter den Schienen in der Nähe des Bahnhofs: Dieser muss verfüllt werden und zusätzlich muss nach weiteren Stollen und Hohlräumen gesucht werden. Die Bahn fährt daher in diesem Bereich mit Schrittgeschwindigkeit.
Entschleunigung: Wie Essen zum Regionalbahnhof wurde
Während im Bahnhof hektisches Treiben herrscht - schalten die Züge der Deutschen Bahn 250 Meter vor der westlichen Einfahrt zum Hauptbahnhof auf Entschleunigung. Die Bahnen rollen seit zehn Tagen nur mit maximal 5 km/h in den Bahnhof ein und stoßen damit eine Lawine für den ganzen Regionalverkehr in Nordrhein-Westfalen und auch Fernverkehr an. So gibt es massive Verspätungen und komplette Zugausfälle: Die wichtige ICE-Verbindung (tagsüber) über die Ruhrschiene nach Berlin findet ohne Halt in Essen und Bochum statt. Die Fernzüge werden über Gelsenkirchen umgeleitet, so dass plötzlich der Bahnhof Gelsenkirchen in dem sich sonst nur S-Bahnen, Regionalbahnen und zweimal die Stunde ein Intercity verirren zum großen Fernbahnhof avanciert.
Als wenn das noch nicht genug wäre, wird das Verkehrschaos durch den lokalen Nachverkehr komplettiert. Während am Hauptbahnhof in Essen die Touristen und Pendler sich recht schnell auf die Verspätungen eingestellt haben, versagen teilweise die Netz-Anbindungen - in Essen, die der EVAG (Essener Verkehrs AG). So musste ein Pendler Mitte dieser Woche beispielsweise für die Strecke aus dem Essener Stadtgebiet nach Dortmund anstatt für normalerweise nur 1:15 Stunde knappe drei Stunden einkalkulieren. Grund: Unabhängig von dem Bergschaden, hatte die EVAG in den letzten Tagen mit massiven Störungen seiner Straßenbahnen zu kämpfen - vermutlich kam das kalte Wetter Ende November (!) zu überraschend für die Verantwortlichen. An den entsprechenden Haltestellen warteten die Kunden vergeblich auf ihr Transportmittel und auch auf Informationen jeglicher Art. Scheinbar waren nicht nur die Bahnen defekt, sondern auch die Lautsprecher und Anzeigentafeln (auf denen das Wort "sofort" und die Zeitangabe "1 Minute" sich als zeitlich sehr dehnbare Informationen herausstellten). Aber positiv und erwähnenswert ist die Kundenkommunikation des Verkehrsbetriebs im Nachgang: Denn auf Kundenreaktionen sei es direkt über die sozialen Medien, als auch über ihr eigenes Pünktlichkeitsversprechen, bei dem sich Fahrgäste den Fahrpreis erstatten lassen können, reagierte die EVAG prompt.
Nach Hochwasser, Sommer-Chaos am Mainzer Hauptbahnhof nun als das Ruhrgebiet. Die Deutsche Bahn hat es nicht wirklich leicht und nun kommt am 16. Dezember noch der Winterfahrplan.
Welche Bahnen fahren überhaupt den Hauptbahnhof Essen an?
Die ICE-Züge der Linie 42 (München – Dortmund) sowie die EC- und IC-Züge der Linie 30 (Basel – Hamburg) verkehren stündlich. In den späten Abend- und Nachtstunden können Reisende laut der Deutschen Bahn zusätzliche Züge des Fernverkehrs ab Essen Hbf nutzen. Folgende Verbindungen stünden dann "verspätet" zur Verfügung:
ICE 617 nach Stuttgart
IC 2307 nach Koblenz
ICE 514 nach Hamburg
ICE 947 nach Berlin
IC 2021 nach Frankfurt am Main
IC 2020 nach Hamburg
Alle anderen Fernverkehrszüge werden auch weiterhin zwischen Dortmund und Duisburg sowie in Gegenrichtung über Gelsenkirchen und Oberhausen umgeleitet. Die Halte Mülheim (Ruhr), Essen Hbf und Bochum Hbf entfallen weiterhin. Im S-Bahnverkehr verkehren die Züge der Linie S 3 nur zwischen Oberhausen und Mülheim (Ruhr)-Styrum sowie zwischen Essen-Steele Ost und Hattingen Mitte. Die Züge der S 9 fahren im Langtakt (Wuppertal – Haltern) auf dem Regelweg. Die Kurztakt-Züge der S 9 verkehren nicht bis Bottrop, sondern nur zwischen Wuppertal und Essen Hbf. Die Linie S 1 verkehrt mit großen Verspätungen auf dem Regelweg mit zusätzlichem Halt in Mülheim West.
Wie geht es nun weiter? Die Essener Entschleunigung dauert voraussichtlich noch bis in das nächste Jahr hinein - sicherlich keine gute Nachricht für die Reisenden und auch nicht für die Essener Geschäftsleute in der Vorweihnachtszeit. Und wer einmal Lust auf ein paar Minuten Entschleunigung und Entspannung hat, der steigt am Essener Haupbahnhof beispielsweise in die S-Bahn der Linie 1 in Richtung Düsseldorf und lässt sich eine Haltestelle rollen. Am Bahnhof Essen West steigt man um und rollt zurück.