Von Kairo bis nach Kapstadt: 2011 hatte der Journalist und Autor Hardy Grüne am längsten Radrennen – der Tour d´Afrique – teilgenommen und gemeinsam mit 59 anderen Startern erfolgreich abschließen können. Noch im gleichen Jahr konnte er den Beitritt zum „Club des Cinglés du Mont-Ventoux“ erlangen. An nur einem Tag hatte er alle drei Auffahrten zum provencalischen Géant erklommen. Eine erstaunliche Leistung für jemanden, der erst sehr spät zum Radsport fand. Hardy Grüne verknüpft in seinem Leben den Fußball, das Reisen und den Radsport in beeindruckender Art und Weise. Den meisten dürfte er seit Jahren vor allem als Fußball-Autor bzw. Experte bekannt sein, deshalb wird an dieser Stelle vor allem die Kombination von Radsport und Reise ausführlich beleuchtet. Hardy hatte sich reichlich Zeit genommen und stand uns für ein umfangreiches Interview zur Verfügung.
Hardy Grüne: Nach der Tour d´Afrique nun den Andes Trail 2014 fest im Blick
turus.net: Hallo Hardy, es würde überaus reizen, mit dir sogleich über Fußball und Fankultur zu philosophieren, doch heute sollen Radsport und Reise im Vordergrund stehen. Viele Leser werden dich aufgrund deiner zahleichen Publikationen im Bereich Fußball kennen und nicht wenige werden sicherlich von deiner Teilnahme an der „Tour d´Afrique 2011“ gehört haben. Im kommenden Jahr planst du, beim Etappenradrennen „The Andes Trail“ mitzufahren. Wie kam es dazu, bei solch extrem langen und kräftezehrenden Radrennen teilzunehmen?
Hardy Grüne: Da gibt es eine Vorgeschichte. Ich arbeite ja schon länger als Journalist und Autor im Bereich Fußball und Fußballgeschichte. Seit 1992 habe ich an mehr als 100 Büchern mitgearbeitet und rund 60 Bücher herausgebracht. Und irgendwie war ich in so eine gewisse Routine gerutscht. Also habe ich mich gefragt, ob das alles noch stimmig ist und hatte das Gefühl, mal etwas ganz anderes machen zu wollen. Na ja, und dann ist Schreibtischarbeit einfach auch ziemlich einseitig, und ich hatte das Bedürfnis nach etwas mehr „Bewegung“. Ich war zwar Hobbyjogger, doch das war nicht wirklich mein Ding. So hatte ich es mit dem Radfahren probiert. Ich besorgte mir ein Rennrad, feilte an meiner Sitzhaltung und fuhr die ersten Strecken. Ich fand sofort viel Spaß dran.
turus.net: Okay, aber der Schritt vom Radfahren in heimischen Gefilden, um fit zu bleiben bzw. wieder fit zu werden, zur Teilnahme an einem Rennen von Kairo bis hinunter nach Kapstadt ist doch recht ziemlich groß. Was bewegte dich dazu, gleich solch eine gigantische Strecke in Angriff zu nehmen?
Hardy Grüne: Na, ganz so „gleich“ war das ja auch gar nicht. Insgesamt liefen da einfach ein paar Stränge zusammen. Meine Reiselust zum Beispiel. Ich bin schon immer gerne und viel gereist. Seit Jugend an. Viel natürlich über den Fußball. Mit Göttingen 05 war ich 1976 das erste Mal bei einem Auswärtsspiel in Berlin dabei. Da war ich 14. Und auch im Ausland war ich früh unterwegs. Angefangen in England, 1985. Dann Frankreich. Später habe ich dann eine Zeitlang in Tansania gearbeitet. Ich wusste, dass ich für einen längeren Zeitraum unterwegs sein wollte. Mal richtig raus aus dem Hamsterrad. Und so habe ich dann, nachdem ich das Radfahren für mich entdeckt hatte, geguckt was so geht. Das Radrennen Paris – Dakar hat mich sehr gereizt. Afrika fand ich schon immer spannend, und Paris – Dakar hat ja auch einen gewissen Klang. Daran wollte ich teilnehmen. Doch das Rennen wurde aufgrund der politischen Schwierigkeiten in Mauretanien abgesagt. Doch da war ich schon „heiß“, wollte unbedingt nach Afrika. Und dann habe ich die Tour d´Afrique gefunden. Anfangs hatte ich Bedenken, weil 12.000 Kilometer ganz schön wuchtig klangen und es oft off-road ging, während ich eher Straßenbiker bin, doch irgendwann wusste ich: das ist es!
turus.net: Hattest du dich speziell vorbereitet? Zum Beispiel an größeren Rennen in Europa teilgenommen?
Hardy Grüne: Ich habe 2010 an zwei Jedermann-Rennen in Hannover und Berlin teilgenommen. Das war’s. Aber das Rennen als Rennen war mir ohnehin nicht so wichtig. Ich lege es gar nicht drauf an, vorne mitzufahren. Ich liebe einfach das Radfahren, und das ist in einer großen Gruppe bei Rennen ein tolles Vergnügen. Gewinnen brauche ich nicht, das ist mir überhaupt nicht wichtig...
turus.net: Jedermann-Rennen in Berlin. Du meinst das Velothon?
Hardy Grüne: Richtig! Das Velothon 2010 in Berlin war mein allererstes Radrennen überhaupt. Das war schon wirklich großartig. Solch ein großes Teilnehmerfeld, das war ein beeindruckendes Erlebnis. Der Entschluss, die Tour d’Afrique zu fahren, kam erst später. Im Juli 2010. Da waren es nur noch sechs Monate bis zum Start in Kairo. Im Detail habe ich dann nix wirklich groß vorbereitet. Klar, die Rahmenbedingungen stecken und die Risiken im Blick haben. Doch nichts spezielles. Ein Crossrad hatte ich bereits. Das fand ich für die Tour optimal – wie gesagt, ich bin ja eher Straßenradler als Mountainbiker. Ein anderes Problem waren meine übersichtlichen Kenntnisse in Sachen Fahrradtechnik.
Ich habe dann einem jungen Fahrradhändler in Duderstadt von der Geschichte erzählt. Der war sogleich Feuer und Flamme und wir machten einen Deal: er half mir bei der technischen Vorbereitung und ich revanchierte mich nach meiner Rückkehr mit einem Bilder- und Videoabend in seinem Geschäft. Von den technischen Dingen hatte ich bis dahin nicht wirklich viel Ahnung. Das lief echt klasse. Ich kam in seinen Laden, und der Händler baute mein Fahrrad komplett auseinander. In sämtliche Einzelteile. Ich staunte nicht schlecht, als er meinte, so, nun könne ich alles wieder zusammenbauen. Das tat ich dann unter seiner fachmännischen Anleitung. Das war super. Er zeigte mir, wie man die Einzelteile warten muss, welche Teile vor allem vom Verschleiß betroffen sind. Danach hatte ich ein ganz anderes Gefühl zu meinem Rad. Zwar war auf der Tour ein Mechaniker dabei, doch in den meisten Fällen musste man alles allein machen. Zum Beispiel die Schaltung wechseln. Mir hat in Äthiopien ein umherfliegender Stein das Schaltwerk zerhauen. Und du kannst ja mal durch Addis Abeba laufen und versuchen, ein 105er Schaltwerk zu bekommen...
turus.net: Ich nehme an, jeder musste seine eigenen Ersatzteile selber dabeihaben. Oder hatte der besagte Mechaniker auch einen prall gefüllten Koffer im Transporter?
Hardy Grüne: Nein, hatte er nicht. Jeder musste da selber zusehen. Und logischerweise ging prompt immer das kaputt, was man eben nicht dabei hatte. Da das aber quasi bei jedem so war, glich sich das wieder aus. Wir liefen durchs Fahrerfeld, fragten die anderen und tauschten die Ersatzteile. Letztendlich alles kein Problem, jeder half dem anderen.
turus.net: Heute morgen joggte ich mit einem Freund über das Tempelhofer Feld. Dabei berichtete er mir von einem Studienkollegen, der 1992 auch an der Tour d´Afrique teilgenommen hatte. Alles verlief recht reibungslos, doch 30 Kilometer vor Schluss stieg er aus. Da war Schluss, da war auf gut Deutsch gesagt Ritze. Er hatte kurz vor Kapstadt das Meer gesehen und dann konnte er trotz aller Freude einfach nicht mehr. Hattest du ähnliche Erfahrungen gemacht?
Hardy Grüne: Ich hatte in Tansania einen fürchterlichen Durchhänger. Das war nach etwas über der Hälfte. Ich hatte einfach keine Lust mehr. Die Wüste in Kenia, und damit der schwierigste Abschnitt der gesamten Tour, lag hinter uns, was folgte, waren matschige Pisten, permanente Nässe und extreme Schwüle. Ich hatte einfach keinen Bock mehr. Doch die Gruppe war stark, alle hatten ja mal einen Hänger und man half sich gegenseitig. Man nahm die anderen in solchen Phasen ins Schlepptau. Und somit ging es weiter. Wirklich ätzend war die allerletzte Etappe nach Kapstadt. Die schien unglaublich lang, obwohl es nur etwas mehr als 100 Kilometern waren. Viele Autos auf den Straßen, fast wie hier im Stadtverkehr. Doch 20 Kilometer vor dem Ziel hatten wir einen Treffpunkt, und weil Kapstadts Radfahrgemeinde aufgerufen hatte, uns zu empfangen, warteten da ganz viele andere Radler. Zusammen sind wir dann als Konvoi von rund 2.000 Fahrern weitergefahren. Das war ein irres Gefühl. Mitten in diesem Pulk, überall an den Bordsteinen Menschen, die klatschten und jubelten. Da hat man wahrlich keine Motivationsprobleme mehr gehabt.
turus.net: Mal kurz weg vom Radsport. Du bist in Dortmund geboren und in Göttingen aufgewachsen. Nun lebst du in Duderstadt nahe der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze. Bei Duderstadt musste ich an unsere Wanderung entlang des einstigen Grenzstreifens im Sommer 2003 denken. Deshalb mal die Frage an dieser Stelle: Wie hattest du als Jugendlicher bzw. junger Mann die deutsche Teilung und die Grenzöffnung erlebt?
Hardy Grüne: Die Teilung hatte ich allein durch die räumliche Nähe der Grenze zu Göttingen schon sehr intensiv mitbekommen. Mit 14 bin ich das erste Mal mit dem Fanbus von Göttingen 05 zum Auswärtsspiel nach Berlin bei Wacker 04 gefahren. Da ging es auf der Transitstrecke durch die DDR - mein erstes Mal! In Marienborn kamen die Vopos in den Bus und kontrollierten die Pässe. Das war schon ziemlich aufregend, und grade Berlin hat mich immer wieder gereizt. Mit 05 war ich dann des Öfteren da, und bin dann auch immer in den Ostteil gefahren. Da hat sich mein Interesse für Geographie, Gesellschaftsgeschichte und Siedlungsstrukturen wohl auch schon früh entwickelt. Ich bin ja eigentlich Kaufmann und erst kam später über den zweiten Bildungsweg an die Universität und habe Geographie, Politik und Publizistik studiert. Da schließt sich der Kreis dann wieder, denn auch unter diesen Gesichtspunkten fand ich die DDR unglaublich spannend und interessant. Nach dem Fall der Mauer bin ich dann wohl fast ich jedes Wochenende in den Osten gefahren. Nicht nur DDR, auch Ungarn, Tschechoslowakei, Rumänien, Polen. Ich wusste, diese Zeit wird einzigartig sein und in dieser Form niemals wiederkehren. So begab ich mich überall auf Spurensuche. Viel natürlich über den Fußball. Durch die Grenznähe Göttingens konnte ich die Veränderungen und Entwicklung gut verfolgen. Die ersten freien Wahlen, die Veränderungen, auch die negativen – das habe ich alles schon sehr intensiv mitgenommen.
turus.net: Und in der Gegenwart?
Hardy Grüne: Jetzt auch noch, allein wegen meines Wohnorts in Duderstadt. Ich wohne nur zirka 500 Meter vom einstigen Grenzstreifen entfernt. Mit dem Mountainbike fahre ich öfters auf dem dortigen Kolonnenweg, auch wenn das eher eine Qual ist. Neulich war ein Freund aus Wales zu Gast. Wir machten gemeinsam eine rund 100 Kilometer lange Grenztour. Nicht auf dem Plattenweg, sondern auf kleinen Nebenstraßen und immer abwechselnd mal östlich, mal westlich. Wir kreuzten immer wieder die Ländergrenze und ich fragte ihn dann, was er denkt, wo wir seien und woran er das festmachen würde. Das war auch mich sehr spannend, was er da sah und erzählte.
turus.net: Da dürfte doch der Iron Curtain Trail für dich auch eine spannende Sache sein. Dieser führt vom Nordmeer bis hinunter zum Schwarzen Meer. Aus eigener Erfahrung – ich hatte von 2005 bis 2009 die Etappen von der Ostsee bis zur bulgarisch-türkischen Grenze mit ausgearbeitet – kann ich dir den ICT wirklich wärmstens empfehlen. Wäre das nicht was für dich?
Hardy Grüne: Auf jeden Fall, klingt wirklich interessant. Lass mir mal paar Informationen zukommen. Doch letztendlich ist das natürlich auch ein Zeitproblem. Ich bin zwar Freiberufler, habe aber auch feste Auftragsgeber. Da muss ich schon schauen, das alles unter einen Hut zu bekommen. Und so ein paar Ideen in Sachen Fußball habe ich auch noch.
turus.net: Stichwort Zeit. Was sagt dein Umfeld dazu, wenn du für drei, vier Monate in Afrika oder Südamerika auf dem Sattel sitzt?
Hardy Grüne: Ganz so einfach ist das natürlich nicht, zumal die Reisen ja auch in eher exotische Regionen gehen, wo bei vielen auch sofort Angst mit im Spiel ist. Dafür habe ich dann auch mein Blog (www.hardygruene.wordpress.com) am Start. Dann wissen meine Leute immer, wo ich bin und wie es mir geht. Ein anderes Thema ist die Refinanzierung. Das geschieht unter anderem über vor Ort geschriebene Artikel. Das habe ich von Afrika aus gemacht, und das mache ich auch in Südamerika wieder. Dazu kommt das Buch über die Tour d’Afrique, und auch über die Andentour werde ich sicher wieder ein Buch machen. Das ist auch insofern spannend, weil man unterwegs anders reflektieren muss, wenn man über seine Erlebnisse schreibt. Und man kriegt auch einen besonderen Blick, denn einiges, was man auf dem Rad oder im Rennen so erlebt, ist für die meisten ja nicht so interessant. Den meisten geht es eher um die Begegnung mit den Menschen, mit den Ländern, den Kulturen. Das Ganze soll auch für Nicht-Radfahrer interessant sein. Dafür muss man mit den Einheimischen ins Gespräch kommen und spannende Details in Erfahrung bringen. Deshalb lerne ich grade Spanisch, damit ich auch in Südamerika mit den Menschen kommunizieren kann. Ein Alptraum war in Afrika manchmal die Technik. In Addis Abeba konnte ich aufgrund der schlechten Verbindung nicht ein einziges Foto abschicken. Allein für den Text brauchte das Senden glatte zehn Minuten. Und Addis Abeba ist eine der größten und wichtigsten Städte in Afrika!
turus.net: Hättest du nicht mal kurz irgendein Redaktionsbüro einer örtlichen Zeitung zur Hilfe nehmen können?
Hardy Grüne: Theoretisch ja, praktisch nein. Das war auch eine Zeitfrage. Wir hatten ja immer nur einen rennfreien Tag pro Woche. Und dieser Tag war extrem wichtig für die Regeneration und die Pflege der Ausrüstung. Während die anderen ihren Tag genossen, musste ich schreiben und das nächste Internetcafé suchen.
turus.net: Vermutlich hast du alles auf einen USB-Stick gepackt und diesen dann im Internetcafé an einen Rechner gestöpselt?
Hardy Grüne: Ja, genauso. Stick und Laptop waren dann völlig von Viren verseucht. Nach der Rückkehr hatte mein Antiviren-Programm die helle Freude. Die ersten Viren habe ich mir vermutlich gleich in Kairo eingefangen.
turus.net: Aber diese brachten deinen Rechner nicht zum Abstürzen?
Hardy Grüne: Nein, so schlimm war es nicht. Ich hatte auch keine wichtigen Sachen auf dem Laptop. Nur das, was für die Tour notwendig war.
turus.net: Guckst du eigentlich auch mal die Tour de France oder interessiert dich diese Art von Profiradsport überhaupt nicht?
Hardy Grüne: Doch, schon, die Tour schaue ich mir an. Wobei mich eher der technische und taktische Teil des Ganzen interessiert, und nicht so sehr, wer gewinnt. Wie funktioniert das eigentlich alles? Beim Fußball ist es eher andersrum. Ich mag zwar spannende und vor allen Dingen kämpferische Spiele, doch wenn ich ins Stadion gehe, gucke ich zuerst in die jeweiligen Fankurven. Bei der Tour achte ich eher auf das Fahrverhalten – bestes Beispiel waren Ulle und Armstrong, die komplett unterschiedliche Stile fuhren – und die technischen und taktischen Details. Klar, bei einer Bergetappe fiebere ich auch schon mal mit. Eigentlich bin ich aber vor allem aktiver Radfahrer. Ich bin auch jetzt im Winter noch auf dem Rad und bibbere mir bei drei Grad einen ab
turus.net: Du meintest, für die Afrika-Tour hattest du dich nicht speziell vorbereitet. Sieht das dieses Mal anders aus, wenn es im August in Südamerika losgehen soll? Zumindest werden doch ein paar Jedermann-Rennen drin sein, oder?
Hardy Grüne: Das Rennen in Hannover nehme ich auf jeden Fall noch mit, und hier in Göttingen ist ja die Tour d‘Energie. Berlin wird zeitlich eher nicht klappen. Zeitlich gibt es zwischen dem Rennen in Afrika und dem jetzigen in Südamerika einen großen Unterschied. In Afrika ging es im Januar los, sprich im europäischen Winter. Das war echt nervig, zumal der Dezember 2010 total schneereich war und ich fast nur auf der Rolle sitzen konnte. Ich hatte dann in Ägypten an den ersten Tagen auch wirklich ganz schon zu kämpfen. Ich erinnere mich an den zweiten Tag, der über 166 Kilometer ging und unglaublich anstrengend war. Da ist es in Südamerika viel einfacher. Ich habe hier das Frühjahr und dann geht es dort im August 2014 los. Ich darf nur nicht übertrainieren. Nicht, dass ich dort im September oder Oktober dann über den Leistungszenit bin. Die größte Herausforderung ist wohl die Sprache. Das ist mir wichtig, denn ich möchte mich mit den Leuten vor Ort unterhalten können, will erfahren und mich mitteilen können. Das ist ja das tolle am Radfahren: Du bist einerseits recht zügig unterwegs, andererseits aber irgendwie auch „offen“, kriegst alles mit. Das Wetter, die Gerüche, die Menschen. In Afrika sorgten die Kinder entlang der Strecke immer wieder für spannende Momente.
turus.net: Hast du Vorbilder? Vielleicht andere Extremsportler, an die du mal denken musst, wenn du selber auf der Piste einen schwierigen Abschnitt zu bewältigen hast?
Hardy Grüne: Vorbilder? Nein! Die brauche ich nicht, denn ich mach das für mich und habe meine eigenen Ziele definiert. Ich muss nur wissen, was ich leisten kann und wo meine Grenzen liegen. Mal ganz abgesehen davon, dass ich mich niemals als Extremsportler bezeichnen würde. Ich sehe mich eher als halbwegs ambitionierter Hobbyradler und vielleicht ein bisschen „Weltenbummler“. Aber auf so einer Tour gibt es natürlich auch Momente, die einen verdammt hart zusetzen. Ich erinnere mich an die Steinwüste in Kenia. 90 Kilometer waren zu fahren, 60 Kilometer lagen schon hinter mir. Bei einem Durchschnittstempo von vielleicht 15 Stundenkilometern. Schneller ging es auf dem Terrain einfach nicht. Dann eine Reifenpanne. Kann passieren. Repariert und weiter ging´s. Nach wenigen Metern das gleiche Spiel. Wieder Panne! Und was soll ich sagen? Das passierte dreimal auf gefühlten 20 Metern. Das war psychisch echt schwierig. Ich fühlte mich komplett ausgebremst. Da musste ich mich sehr zusammenreißen, um die Motivation aufzubringen, weiterzufahren. Aber dann dachte ich, du musst ans Ziel. Die anderen ja auch. Wir alle mussten da mal durch.
turus.net: 60 Teilnehmer waren damals in Kairo gestartet. Wie viele von ihnen kamen bis ans Ziel?
Hardy Grüne: Alle kamen durch!
turus.net: Alle? Das ist wirklich klasse und sicherlich am Ziel ein phantastisches Erlebnis, wenn niemand auf der Strecke blieb und wegen Krankheit oder Unfall aussteigen musste.
Hardy Grüne: Das war es! Auf der Tour half jeder jedem. Das war eine motivierende Atmosphäre. Ein Beispiel: Ich bin häufig mit einem befreundeten Fahrer zusammengefahren. Als der sich eine üble Grippe einfing, hatte er echt zu knabbern. Ich sprach ihm Mut zu und nahm ihn hinten ran. Wir haben das dann gemeinsam durchgezogen. Später konnte er mir helfen, als ich in Tansania meine schwere Motivationskrise hatte. Da konnte er vorn fahren und mich mitziehen.
turus.net: Hardy, gibt es neben der erfolgreichen Teilnahme am Andes Trail vom Äquator bis Feuerland noch weitere Träume, die du dir in Zukunft unbedingt erfüllen möchtest?
Hardy Grüne: Die Seidenstraße würde mich schon reizen. Vor allem aber die Teilnahme am Rennen Paris – Brest – Paris. Das ist ein alter Traum von mir. Du weißt ja, wie ich an der Bretagne hänge. Stichwort En Avant Guingamp. Doch wie ich schon sagte, letztendlich ist das alles auch eine Zeitfrage. Schließlich muss man für Paris – Brest – Paris einige Qualifikationsrennen fahren. Aber das ist das Schöne am Fahrradfahren. Es ergeben sich so viele Möglichkeiten...
turus.net: Wir bedanken uns außerordentlich für dieses ausführliche Interview und wünschen dir bei der Umsetzung deiner Pläne alles erdenklich Gute. Ganz sicher werden wir in Zukunft dranbleiben und über die Fahrt durch Südamerika nach Möglichkeit punktuell berichten. Und gern in Kürze mal wieder ein Interview mit dir – dann aber zum Thema Fußball! ;-)
Hardy Grüne: Gerne!
Das Interview führte Marco Bertram.
Fotos: Hardy Grüne, Marco Bertram, Arne Mill
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* Homepage von Hardy Grüne: www.hardy-gruene.de
* FB-Seite von Hardy Grüne: www.facebook.com/hardygruene
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