Innerdeutscher Reiseverkehr: Nahe gehende Erinnerungen im Tränenpalast

 
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TränenpalastDie Erinnerungen aus früher Kindheit verwischen. Die gelben Kacheln in den Gängen des S-Bahnhofs Friedrichstraße. Die scheppernden Aluminiumtüren. Die Geländer, an denen die Familien sehnsüchtig auf die Liebsten aus dem Westteil der Stadt warteten. Die grauen Wolga-Taxen vor dem Bahnhofsgebäude. Der Anbau am sogenannten Tränenpalast, an dem abends die Westverwandten wieder verabschiedet wurden. In den 70ern drückten einem abreisende Westler noch das übrig gebliebene DDR-Geld in die Hand. Andere warfen die Münzen (und sogar auch Scheine) in die dortigen Büsche. Als Kind war das Ganze ein sehr merkwürdiges Szenario. Ostberlin im Jahre 1979. Wie sollte man das alles als Sechsjähriger erfassen? Sag der Tante auf Wiedersehen, sie muss jetzt da durch gehen!

TränenpalastWelcher Berliner kam nicht mit dem Tränenpalast in Berührung? Jahr für Jahr wurden dort Hunderttausende verabschiedet. Begrüßt wurden sie im Untergeschoss des S-Bahnhofs Friedrichstraße an der besagten Aluminiumtür. Wer hatte nicht einmal die Westverwandten auf dem letzten Drücker kurz vor Mitternacht zum Tränenpalast gebracht?! Jetzt aber schnell, das Tagesvisum ist gleich abgelaufen!

AusreiseDie Spuren der deutschen Teilung sind im Zuge der Modernisierung des S-Bahnhofs komplett verschwunden. Leider wurde nicht eine einzige Ecke im Originalzustand erhalten. Das Gebäude wurde entkernt. Heute ist nicht mehr erkennbar, wo genau die Trennwände standen und sich die einzelnen Gänge und Abfertigungsanlagen befanden. Nach dem Fall der Berliner Mauer und der deutschen Einheit wurde der Tränenpalast umfunktioniert. Kultur statt Grenzabfertigung. Zahlreiche Konzerte, Theaterstücke und Vorträge gab es dort zu sehen. Auch ich hatte dort im Februar 2005 einen Diavortrag über die ehemalige deutsch-deutsche Grenze gehalten. Für mich ein sehr emotionales Erlebnis.

TränenpalastAls der Tränenpalast geschlossen werden musste, machte sich Fassungslosigkeit breit. Der Abriss drohte. Auf dem Grundstück wurde ein großer Neubau hochgezogen. Glücklicherweise blieb der Tränenpalast stehen, nur die Anbauten mussten entfernt werden. Entstanden ist nun an diesem Ort die Ausstellung „GrenzErfahrungen – Alltag der deutschen Teilung“. Ins Leben gerufen wurde diese Ausstellung von der Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Es brauchte einige Zeit, bis ich den Weg in diese Ausstellung fand. Immer wieder lief ich am Tränenpalast vorbei, dachte jedoch, später mal ganz in Ruhe. Was würde mich dort erwarten? Welche Dinge, die ich noch nicht – aufgrund der eigenen Dokumentationen zum Thema Berliner Mauer und innerdeutscher Grenze - wusste, würden dort auf mich warten?

SöhnchenUnd dann die Überraschung! Hineinspaziert und sich umgeschaut! An der Hand das eigene knapp vierjährige Söhnchen. Als ich vier war, wurde die Tante abends hier verabschiedet, nun konnte ich ihm einige Dinge zeigen – aus der Zeit, als Papa klein war. Söhnchen zeigte sich begeistert – und ich war es auch. Die Ausstellung ist gut durchdacht. Nicht überladen, aber dennoch reichhaltig an Informationen. An originaler Stelle wurde ein Grenzabfertigungsschalter aufgebaut. Der Besucher kann durch gehen, in Gedanken seinen Pass vorlegen und anschließend die hart zuschnappende Tür passieren. Vor sich sieht er dann den angedeuteten Gang, der einst zum S-Bahnhof führte.

DDRVideo- und Toninstallationen lassen die Zeit der deutschen Teilung wieder nah, ganz nah wirken. Mit Hilfe eines Modells kann der Besucher die damaligen Laufwege der An- und Abreisenden erkennen. Schnell kommt ein „Ach ja, stimmt, so war das...“ auf. Jeder Besucher wird „sein“ Eckchen der Ausstellung finden. Ohne Hektik – und das mitten in der Berliner City – kann in aller Ruhe durch das hohe, helle Gebäude geschlendert werden. Und das bei freiem Eintritt. Ganz klar: Letztendlich war es für die Stadt ein Glücksgriff, dass es statt der Konzerte nun diese Dauerausstellung zu sehen gibt!

Fotos: Marco Bertram

> zur turus-Fotostrecke: DDR-Erinnerungen / Tränenpalast

> zur offiziellen Seite: Haus der Geschichte / Tränenpalast

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