Danach gefragt, was einem spontan zum Berliner Bezirk Treptow-Köpenick einfällt, schießen den meisten sicherlich Begriffe wie Wald, Wasser und Entschleunigung in den Kopf. Neben den vielfältigen Ausflugsmöglichkeiten wie Klein-Venedig, dem Müggelsee, der Bölschestraße oder auch dem Freizeit- und Erholungszentrum, gibt es in diesem Bezirk aber auch selbstverständlich ganz normale Wohnviertel. Eines dieser ist das zwischen 1987 und 1991 erbaute Kosmosviertel. Während im Osten Kosmonauten das Weltall unsicher machten, flogen im Westen die Astronauten in Richtung Mond. 1978 machte sich der Vogtländer Sigmund Jähn als erster Deutscher in den Kosmos. Ein Blick auf die Straßennamen verrät einem, weshalb das Viertel diesen Namen trägt. Die Venusstraße, Uranusstraße, Siriusstraße, den Saturnring sowie das Pegasuseck findet man hier. Von den Balkonen der Blöcke kann man einerseits auf den Plattenbau West und andererseits auf die Wiesen von Brandenburg schauen. Während an den Fassaden der häufig elfgeschossigen Plattenbauten wilder Wein hochrankt, die Grün- und Parkanlagen fast undurchdringlich zuwachsen und die Obstbäume mittlerweile kein Obst und keine Blüte mehr tragen, regnete es bei meinem Besuch wie aus Strömen.
Kosmosviertel in Berlin: Nur grauer unsanierter Plattenbau oder doch ein Kiez mit Charme und Zukunft?
HotDas Grau der meist noch unsanierten Wohnblöcke wurde teilweise noch dunkler, die Menschen eilten rasch von A nach B, ins seit etwa zwei Jahren bestehende Quartiersmanagement trugen die Mitarbeiter eilig eine ausgediente Ledergarnitur. Für Bewegung im Kiez sorgt auch der „Info-Punkt“ mit seinen vielen wechselnden Veranstaltungen. Unweit der Ortolfstraße trainiert der PSV Olympia Berlin e.V. Bekannt ist dieser Verein vor Allem für seinen Schützenverein „Adlershofer Füchse“, der einige wichtige nationale und internationale Meisterschaften für sich verbuchen konnte. Im Kosmosviertel selbst hüpften an diesem Tag große Hunde, mal getigert, mal flauschig, durch die Büsche. Ziegen und andere Streicheltiere finden sich etwas abseits des Viertels - und zwar im bereits seit 20 Jahren bestehenden Abenteuerspielplatz „Waslala“ (https://www.fippev.de/aspwaslala/home/). Gleich nebenan befindet sich der Kinderzirkus CABUWAZI. Noch etwas weiter gelangt man zum Containerdorf für Flüchtlinge. Auf dem Abenteuerspielplatz treffen die Kinder des Kosmos auf die Kinder aus nahöstlichen Gefilden.
Trotz der recht guten Infrastruktur im Viertel - mit einigen Kitas, kleinen Läden für den Alltag, Bäckereien und Kneipen - stand und steht das Viertel seit einigen Jahren in Verruf. Unter anderem eine hohe Kinderarmut und Arbeitslosigkeit schufen den Beinamen „sozialer Brennpunkt“. Hohe Wahlergebnisse für die NPD und Demonstrationen gegen das Flüchtlingsdorf brachten dem Viertel den Ruf einer rechtsextremen Enklave ein.
Bei all den Negativstereotypen wirkt das Altglienicker Viertel in der Tat recht abgeschottet von der sonst so bunten, angesagten und hippen Großstadt Berlin mit seinen extravaganten Vierteln Friedrichshain, Kreuzberg, dem Prenzlauer Berg oder Neukölln-Nord. Umso erfrischender - auf eine ganz bestimmte Art - dieses Viertel. Keine vollbärtigen Männer in Muskelshirts und geschniegelten Lederschüchen sieht man hier. Stattdessen trifft man hier auf die ganz normale Bewohnerschaft, vom Rentner über den ehrlichen Arbeiter bis hin zum russischen Aussiedler. Etwa eine Handvoll Busse fahren durchs und am Gebiet vorbei. Dazu ist die S-Bahn Station Grünbergallee in circa 20 Minuten zu Fuß erreichbar. Gleich nebenan schließt sich der Flughafen Schönefeld an. Die am Viertel vorbeiführende A113 sorgt für etwas Lärm und Dreck. Die Abgeschiedenheit mag auch daran liegen, dass die Bebauung mit dem politischen Systemwechsel ins Stocken geriet.
Der ursprünglich geplante „Dienstleistungswürfel“ wurde jedenfalls nicht fertig gestellt. Die alte Kaufhalle – nun Edeka – wird geschlossen, abgerissen, und das Gelände wird in naher Zukunft neu bebaut. Bereits im Jahre 2011 fanden hier die ersten Abrissarbeiten statt. Im gesamten Viertel beginnt eine richtige Sanierungswelle. Einige der Blöcke erstrahlen mittlerweile in vielerlei Farben. Das leerstehende Altenheim in der Venusstraße soll ab 2018 Platz für einen Neubau mit rund 70 Wohnungen machen. So erhält nun eines der letzten ursprünglich gehaltenen Viertel in DDR-Industriebauweise eine andere Fassade. Zuletzt bekam beispielsweise die Hellersdorfer Promenade bereits ein neues Außenkleid.
Viele interessante Informationen, was in diesem Viertel mittlerweile bewegt wird und sich verändert hat, kann man unter http://kosmosviertel.de und http://kosmosviertel-altglienicke.de nachlesen.
Fotos: P. Schoedler
- Berlin