Sie werden platziert! Was kosteten Schnitzel, Bier und Limo in HO- und Konsum-Gaststätten?

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Was kostet die Welt? Oder besser gefragt: Was kostete in der DDR in den 70ern und 80ern ein Kotelett, ein Teller mit gebratener Leber und eine Club-Cola? Im Zuge der Recherche für mein neues in Arbeit befindliches Buch sammelte, scannte und sortierte ich so ziemlich alles, was ich finden konnte. Fündig wurde ich in den Reise-Tagebüchern meiner Eltern. Alles, wirklich alles wurde aufgehoben und fein säuberlich neben den handgeschriebenen Notizen eingeklebt. Fahrtkarten der Deutschen Reichsbahn, Rechnungen für Urlaubsreisen, Postkarten, Kassenzettel, Eintrittskarten für Höhlen, Tierparks und Freilichtkinos sowie die Quittungen der gastronomischen Einrichtungen. Was für eine Fundgrube! Was für Erinnerungen an die eigene Kindheit und Jugend in der DDR! Zusammengefasst wurden sämtliche Reisen und Kurztouren von 1972 bis 1989. Somit sind auch jene Reisen für mich im Nachhinein erlebbar, bei denen ich Anfang und Mitte der 70er als kleines Kind noch nicht dabei war. Als meine Eltern nach Bulgarien, Rumänien und in den Kaukasus düsten, wurde ich kurzerhand bei meinem Großeltern in Berlin-Friedrichsfelde / Zeesen abgeliefert. Genau am sechsten Geburtstag startete unsere erste große gemeinsame Reise als Familie. Im August 1979 fuhren meine Eltern mit mir zwei Wochen ins Riesengebirge. Ich wusste davon gar nichts. Früh um fünf wurde ich geweckt, sechs Kerzen plus Lebenskerze brannten auf dem Wohnzimmertisch. Ich rieb mir verwundert die Augen - und dann hieß es: „Marco, wir fahren in den Urlaub! In die Berge!“

Reichsbahn

Aber das soll jetzt nicht Thema sein. Die Erinnerungen an jene Reise werde ich im Buch niederschreiben. Vielmehr wollen wir heute einmal einen Blick auf die zusammengetragenen gastronomischen Rechnungen werfen. Die damaligen EVP-Preise in den Kaufhallen und beim Bäcker haben sich fest eingebrannt. Ein Liter Milch für 66 Pfennige (früher mit 2,5 Prozent Fett 70 Pfennige), ein halber Liter H-Milch für 55 Pfennige, eine Streuselschnecke für 20 Pfennige, ein Amerikaner für 11 Pfennige, eine ermäßigte Fahrkarte in Ost-Berlin für 10 Pfennige, eine Limonade für 35 Pfennige (plus 15 Pfennige Pfand). Sich daran zu erinnern, was ein Essen in einer Gaststätte kostete - das wird schon etwas schwerer. Zumal es in privaten Restaurants keine Preisbindung gab wie bei der Bockwurst in der Mitropa-Gaststätte. Also schauen wir mal!

Ich kam eingangs auf die Leber und das Kotelett zu sprechen, weil mir als erstes eine Rechnung vom Ostsee-Hotel Ahlbeck in die Hände fiel. Es muss in den 70ern gewesen sein, denn Speis und Trank wurde nur für zwei Erwachsene notiert. Zwei Gläser Cola gab es zusammen für 1,14 Mark, das Kotelett kostete 4,60 Mark und die gebratene Leber war für 4 Mark zu haben. Somit hieß es: „Zu Ihrer Übersicht merken wir vor: 9,74 Mark“.

weimar

Weitaus teurer wurde es für meine Eltern, als sie im April 1988 einen Kurztrip nach Weimar unternahmen. Im Hotel Elephant kamen mal eben 18,70 Mark für zwei Cola (je eine Mark) und zwei Hauptspeisen (ich vermute, es sollte Schnitzel heißen) zusammen. Im Vergleich zu den sonstigen Preisen in der DDR sicherlich ein stolzes Sümmchen. Aber klar, essen gehen war etwas besonderes und nicht für jedes Wochenende vorgesehen. Zudem musste in beliebten Restaurants entweder zuvor ein Tisch reserviert oder halt in der an der Eingangstür befindlichen Schlange gewartet werden. Unvergessen, als wir - ich muss noch sehr klein gewesen sein - irre lange vor dem Aussichtsrestaurant des Flughafen Berlin-Schönefelds gewartet hatten. Nach gefühlten zwei Stunden bekamen wir endlich drei frei Stühle. Und wer bekam als Letzter sein Essen gereicht? Der Nachwuchs - sprich ich.

Marco

Doch schauen wir mal weiter und springen in das Jahr 1980. Im Kurhotel Wernigerode gab es ein Steak für 6,40 Mark, ein Bauernfrühstück für 4,05 Mark, eine Soljanka für 1,45 Mark und drei Erfrischungsgetränke für zusammen schlappe 1,35 Mark. Nicht immer wurden Getränke und Gerichte explizit mit aufgeschrieben. In vielen Fällen wurden auf dem Zettel einfach die Beträge aufgeführt und zusammengerechnet. So zum Beispiel in der Konsum-Gaststätte „Vogtlandkeller“ in Klingenthal. Aus heutiger Sicht Kultwert hat auch die damalige Telefonnummer: 2018. Und was kam zusammen? 2,20 plus 3,35 plus 4,75 plus 11,70 plus 3,90 machten 25,90 Mark. Günstiger weg kamen meine Eltern in der Konsum-Gaststätte „Tränketor“ am 20. August 1980. Preisstufe II wurde angegeben. Zu zahlen waren 9,90 Mark für drei Personen. Gut möglich, dass es sich hierbei um Kaffee und Kuchen handelte.

Urlaub in Warnemünde? Ein Besuch in der Konsum-Gaststätte Teepott war ein Muss. Drei Getränke kosteten zusammen 2,40 Mark, zwei Essen zusammen 9,90 Mark und das dritte Essen (sicherlich das Kinderessen) schlug mit 2,55 Mark zu Buche. Im Reisetagebuch gefunden habei ch auch eine Rechnung von der Ausflugs-Gaststätte (also in diesem Fall nicht HO oder Konsum) „Tante Anna“ in Friedersdorf bei Tabarz. Eine Forelle kostete Anfang der 80er Jahre dort 7,80 Mark. Von diesem Geld hätte man sich beim Bäcker in Waldesruh bei Berlin sage und schreibe 39 Streuselschnecken kaufen können. Aber so durfte das halt nicht gegengerechnet werden. Einige Grundnahrungsmittel wurden damals vom Staat subventioniert, eine frisch zubereitete Forelle in einem Ausflugsrestaurant gehörte ganz gewiss nicht dazu.

DR

Apropos, aus Tabarz hatte ich einige Rechnungen gefunden. 10,40 Mark wurden im "Gasthaus zum Stern" gelassen, 7,45 Mark wurden im „Brauhaus Tabarz“ des Ferienheims VEB Bandtex Pulsnitz gezahlt, 5,91 Mark waren es im Café Deysingslust, ein „bisschen“ was hinlegen mussten meine Eltern in einem Restaurant der Hotelbetriebe Reinhardsbrunn. In diesem kamen mal eben 24,65 Mark zusammen. 

Eine schlicht gestaltete „Verzehrquittung“ gab es einst in einem Café in Stralsund. Kaffee, Kuchen und eine Limo für das Kind machten 9,20 Mark. Sich einfach gemacht wurde es auch im Ratskeller am Markt in Weimar. Auf der Rückseite wurde notiert: 16,80 plus 5 machen 21,80 Mark. Preiswerter wurde es in der HO-Gaststätte „Schwalbennest“ in Koserow. Eine Limo kostete gerade mal 40 Pfennige. Drei Essen machten die Differenz zum Endbetrag von 13,60 Mark aus. Weshalb ich kein eigenes Getränk bekam? Vielleicht war es auch mein Vater, der lieber Leitungswasser trank.

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Witzig ist auch die Rechnung für ein Abendbrot (genaue Lokalität leider unbekannt). Drei Saft: 2,70 Mark. Ein Spiegelei: 2,90 Mark. 1 „LPG“: 3,70 Mark. 1/2 „LPG“: 2,35 Mark. Machte zusammen 11,65 Mark. Was es mit dem „LPG“ auf sich hatte, weiß ich nicht. Im Normalfall bedeutete diese Abkürzung „Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft“. Ob somit ein Fleischprodukt von der nächsten LPG gemeint war? Wer weiß.

Richtig fein säuberlich hatte eine Bedienung am 23. August 1980 in einer Gaststätte im Harz notiert. Drei Atri: 1,35 Mark. Ein Hacki: 2,45 Mark. Ein Broiler: 4,85 Mark. Ein Kaßler: 4,55 Mark. Eine Eisroulade: 1 Mark. Eine Eisroulade mit Sahne: 2,40 Mark. Ein Eisbecher: 2,30 Mark. Machte zusammen: 18,90 Mark. Unterschrieben von Schulze. Passte und war lecker! Ach ja, was ein "Atri" war? Hierbei handelte es sich um ein Orange-Fruchtsaftgetränk...

Fotos: privat, Marco Bertram

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LPG war in der DDR Gastronomie die gängige Abkürzung für ein Bauernfrühstück.
T
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Interessant wären Mal die Preise in den nicht Touristen Regionen. Ratskeller Brandenburg war um Längen günstiger.
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