1. FC Union Berlin vs. FC Erzgebirge Aue: Frust und Enttäuschung im Gästeblock

MB Updated

AueNach einer Stunde war aus Sicht der zahlreich angereisten Fans des FC Erzgebirge Aue das Fass voll. Sämtliche Fahnen wurden abgehängt und zusammengerollt. Der Support wurde eingestellt. Dort, wo eine Stunde lang der aktive Kern der Fanszene Stimmung verbreitet hatte, klaffte nun eine große Lücke. Einige Fans verließen bereits das Stadion, andere positionierten sich weiter unten, andere verharrten einfach nur noch still. Polizisten in Zivil und Uniform beobachteten äußerst aufmerksam das Geschehen, die Stimmung unter den Erzgebirglern war gereizt. Und das zurecht. Die Leistung ihres Teams war am Freitagabend einfach nur schlecht.

AueDoch der Reihe nach. Vor dem Anpfiff im Stadion An der Alten Försterei war die Laune unter den Aue-Fans durchaus gut. Ein Sparangebot an der nahen Tankstelle tat sein Übriges. Eine Flasche Bier für 49 Cent? Unschlagbar! Da war auch egal, dass es sich um ein Billiggebräu aus dem Westfälischen handelte. Beim Weg entlang der Wuhle zum Eingang des Gästeblocks wurde der letzte Schluck genommen und dann hinein in das Stadion An der Alten Försterei. Nach einer kurzen Vorkontrolle überraschten die Ordner an der Kasse, die den Ankommenden zügig und freundlich den richtigen Eingang zeigten. Nur noch zehn Minuten bis zum Anpfiff, jetzt aber fix!

Union gegen AueMal eine andere Perspektive im Stadion des 1. FC Union Berlin. Der Blick vom Gästeblock aus. Der ungewohnte Blickwinkel in Kombination mit der neuen wuchtigen Haupttribüne erzeugte das Gefühl, man sei in einem ganz anderen fremden Stadion. Nach der erneuten Umstrukturierung der Tribüne auf der Wuhleseite ist der Gästebereich wieder beachtlich groß. Die Sitzplätze für Gästefans sind mit im Gästeblock integriert. Die Ausmaße sind beachtlich, die angereisten Fußballfreunde aus dem Erzgebirge verloren sich fast im großen Block. Und es waren nicht wenige Aue-Fans, die am Freitagabend den Weg nach Berlin-Köpenick gefunden hatten! Die Stimmung war zu Beginn nicht die schlechteste. Das sollte sich im Laufe des Spiels drastisch ändern.

AueZwei gekreuzte Hämmer und ein großes W... Die Aue-Fans gaben ihr Bestes, doch es half nichts. Die Mannschaft aus dem Lößnitztal musste bereits in der siebten Minute den 0:1-Rückstand hinnehmen. Nach hübscher Hereingabe konnte Nemec für die Eisernen einköpfen. Gute Laune auf Heimseite, lange Gesichter bei den Gästen. Während Union eine passable Leistung abrief, kam in der Folgezeit von den Veilchen herzlich wenig. Bereits nach knapp einer halben Stunde wechselte Aue-Trainer Baumann zum ersten Mal aus, für Höfler kam nun Wiegel ins Spiel. Auf dem Papier gingen die Gäste nun offensiver zu Werke, doch echte Chancen blieben Fehlanzeige. Kein Wunder, dass bei dem einen oder anderen Aue-Fan Glühwein und Bier reichlich flossen. Auf Zack waren einige Zivilpolizisten, die den Ordnern auffällige Fans sofort meldeten. Ein paar Auer mussten somit bereits vor der Pause das Stadion verlassen.

UnionVöllig bedient waren die Gästefans, als Union unmittelbar vor dem Pausentee das 2:0 klarmachen konnte. Stuff wurde am Trikot gezogen, Kapitän Mattuschka verwandelte den fälligen Strafstoß überaus souverän. Aus Aue-Sicht wurde nach der Pause nichts besser. Eher noch schlimmer. Zumindest was das Resultat betraf. Der Tick mehr Einsatz nutzte nichts, in der 57. Minute machte Parensen mit seinem Treffer zum 3:0 alles klar. Im Gästeblock wurden sämtliche Fahnen abgenommen. Der Support wurde von der aktiven Szene komplett eingestellt. Einige verließen sogar das Stadion. Dort wo die eifrigsten Fans standen, klaffte die besagte Lücke. Ein paar Bierflecken auf den Betonstufen. Das war´s. Ein jüngerer Gästefans zog zwischenzeitlich blank und zeigte seinen Hintern. Ein anderer Aue-Fan nahm das Desaster auf dem Platz mit Humor und legte seinen massigen Oberkörper frei. Arme hoch, bei den Umstehenden huschte ein Lächeln über die Lippen.

PolizeiGenerell lagen jedoch Frustration, Enttäuschung und ein gewisser Grad Gereiztheit in der Luft. Ordner schritten immer wieder den Block ab, weitere Polizisten waren angerückt und verharrten auf der Treppe. Die Zivilpolizisten warfen skeptische Blicke auf ihre Schäfchen. Als der Anpfiff näher rückte, schien einer von ihnen überaus motiviert. Die grüne Weste über, die schwarzen Handschuhe schon mal an. Im Vergleich zu den meist eher locker wirkenden Berliner Kollegen, stach die Herangehensweise dieser in die Augen. Aber auch die Berliner Polizisten – zumindest die in Uniform – kamen noch zum Einsatz. Zum Ende des Spiels hin rückten einige Fans bereits in den unteren Bereich des Blocks. Nach Abpfiff kletterten einige von ihnen auf den Zaun und schimpften wie ein Rohrspatz. Verständlich und sicherlich nicht weiter wild. Über den Zaun wollte gewiss niemand von denen springen. Behelmte Polizei positionierte sich vor dem Block und forderte die Zaunkletterer vehement auf, diesen zu verlassen.

AueEin gutes Konfliktmanagement war dies sicherlich nicht. Am Ende waren es drei, vier Aue-Spieler, die maßgeblich dazu beitrugen, dass die Betriebstemperatur wieder sank. Die besagten Spieler traten bis an den Zaun und ließen die wütenden Worte auf sich einprasseln. Ein enttäuschter Fan warf sogar seinen Schal auf den Rasen. Noch ein paar Minuten wurde am Zaun diskutiert, die behelmte Polizei konnte wieder abrücken. Gut so, denn handgreifliche Zwischenfälle am Zaun wären unnötig gewesen wie ein Kropf. Letztendlich wollten sich die Fans bei den eigenen Spielern einfach nur Gehör verschaffen. Grund genug gibt es, denn in Aue brennt der Baum. Nur 24 Punkte konnten in der laufenden Saison eingefahren werden. Punktgleich mit der SG Dynamo Dresden und dem MSV Duisburg (Relegationsplatz) ist Aue auf Rang 14 zu finden. Am kommenden Wochenende kommt es zum Aufeinandertreffen mit dem Tabellennachbarn aus dem Elbflorenz.

Dass Aue-Fans in der Regel durchaus zu den entspannteren Zeitgenossen gehören, durfte an der eingangs erwähnten Tankstelle bewundert werden. Einige Gespräche zwischen Union- und Aue-Fans bei einem 49-Cent-Bierchen. Die Gemüter beruhigten sich wieder, das Leben geht schließlich weiter. Nach und nach kehrte Ruhe an der Wuhlheide ein. Auf dem Weg zum S-Bahnhof Köpenick wurde uns von zwei an einer Ecke stehenden Unionfans noch ein „Match“ zwei gegen zwei angeboten, das dankend abgelehnt wurde. Abgerundet wurde der Abend mit einem netten Gespräch vor der Sparkasse mit einem langjährigen Union-Fan. Solch einen Fußballabend kann man jedem Sportjournalisten wärmstens ans Herz legen. Weshalb? Ganz einfach. Solch ein Blick in einen Gästeblock erdet ungemein, das durften wir bereits Anfang der 90er Jahre im Müngersdorfer Stadion des 1. FC Köln spüren... ;-)

> zur turus-Fotostrecke: FC Erzgebirge Aue

> zur turus-Fotostrecke: 1. FC Union Berlin

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