Die Schneeglöckchen trauen sich schon hervor, und so langsam rollt der Ball auch wieder unter freiem Himmel. Nach dem eisigen Testkick in Opalenica am Vortag konnte es heute dennoch mal wieder etwas in der Halle sein. Die Auswahl war allerdings sehr spärlich, aber es fand sich dann doch noch eine Perle der Leibesertüchtigungen. Der Veranstaltungskalender schlug mir ein Floorball-Spiel vor. Nach genauerer Recherche entpuppte es sich als das Spitzenspiel des 9. Spieltags der 2. polnischen Floorballiga, in welcher Lublin und Poznań bisher ein Kopf-an-Kopf-Rennen führen. Floorball ist auch unter dem Namen Uni-Hockey bekannt. Der Hit sollte in der POSiR-Halle C steigen. POSiR ist das Kürzel für das Sportamt der Stadt Poznań, was auch über eine aktuelle Internetseite mit einem sehr gepflegten Veranstaltungskalender verfügt.
Exotik pur - Floorball Team Poznań gegen AZS Politechnika Lubelska
Ein Spiel zum Doppeln gab es nicht, aber dennoch machte ich mich ziemlich früh auf den Weg, um ein paar Attraktionen zu besichtigen, denn davon hat die Stadt so viele, sodass ich die bis jetzt nicht alle geschafft habe. Und das bezieht sich fast ausschließlich auf den Bereich Geschichte. Aber es gibt ja noch weitere Themenfelder. Unter dem Strich: Poznań hat sehr viel zu bieten.
Das Rathaus mit dem Trompeter und den boxenden Böcken machte zwar nicht den Auftakt des heutigen Tages, war aber die Veranstaltung mit den meisten Zuschauern. Mindestens 300 Leute wollten sehen, wie sich die zwei kleinen Böcke in steiler Höh beharkten. Das machen sie täglich um 12:00 Uhr. Dem Stimmengewirr nach waren nicht nur Polen anwesend, sondern auch Ukrainer, Deutsche und Leute, die Englisch sprachen. Gerne könnte ich mir das Schauspiel bei besserem Wetter noch einmal ansehen, aber ich denke, spätestens nach dem dritten Mal reicht es dann auch.
Danach ging es weiter in den Norden. In der Parkanlage Zitadelle, welche auf den Resten der alten Festung entstand, herrschte auch schon ein emsiges Gewusel, da sich zwischendurch immer mal wieder die Sonne für wenige Minuten zeigte. Sportler, Spaziergänger, an historischen Sachen Interessierte, Leute mit künstlerischem Wissensdurst und auch Freunde des Lost-Place sind hier zahlenmäßig mal stärker und schwächer anzutreffen.
Nach weiteren knapp vier Kilometern war das Hauptziel des Tages erreicht. Die Halle C gehört zu einem Sportkomplex bestehend aus 3 Hallen, einer Eishalle und einem Schwimmbad ist für 200 Zuschauer zugelassen, bei genau 75 gezählten Leuten herrschte somit kein Gedränge. Mit fast 100 Prozent dürften die Anwesenden Familienangehörige oder Freunde der Spieler gewesen sein, denn nur wenige waren nach der Schlusssirene gleich verschwunden. Zwischen Spielbeginn und Ende lagen fast zwei Stunden. Damit hatte ich nun gar nicht gerechnet. Natürlich war mir bewusst, dass bei jeder Unterbrechung angehalten werden würde, aber ein Drittel geht normalerweise nur 20 Minuten. Dazu wurden die 10 Minuten der Pausen im Zeitraffer vollzogen.
Noch erstaunter war ich über die gezeigte Härte auf dem Parkett. Wesentlich häufiger als bei einem Fußballspiel, musste der Sanitäter auf den Platz. Während des Spiels segelte auch mal einer der Spieler in den Zuschauerbereich. Das Schubsen über die Bande gehörte im Allgemeinen anscheinend schon zum guten Ton. Das tat schon beim Hinsehen weh. Noch schmerzhafter dürften die zwei Kopftreffer mit dem Schläger gewesen sein – einmal vorn, einmal auf den Hinterkopf. Für einen hohen Unterhaltungswert war gesorgt. Das Spiel selbst war zusätzlich noch bis 7 Sekunden vor der Schlusssirene völlig offen. Was für ein Nervenkitzel!
Lublin, genauer AZS Politechnika Lubelska, führt nach dem ersten Drittel 0:2. Poznan gleicht im zweiten Drittel aus, doch kurz vor dem Pausentee geht AZS wieder in Führung. Im letzten Drittel bringt ein Penalty Poznań auf die Siegerspur. Lublin musste in der letzten Minute auf Risiko spielen und nahm den Torwart raus. Das 7-5 wenige Sekunden vor dem Schluss war dann das KO. Trotz der Härte hatten sich alle die ganze Zeit lieb. Unglaublich! Was auch noch bemerkenswert war, dass nach Toren alle Spieler einer Mannschaft auf das Feld eilen und den Schützen abklatschen.
Nicht verwunderlich hatte die Veranstaltung einen ziemlich familiären Charakter, so kümmerte sich der Trainer von Floorballteam Poznań gleichzeitig um sein Team, den Catering-Stand und gab als Hallensprecher noch Infos ans Publikum weiter. Wer auf einen organisierten Fanblock spekuliert, wird enttäuscht werden. Die einzigen Utensilien, die an eine Fankultur erinnerten waren zwei Fanschals und ein Stuhl, auf dem bunten Pappen mit dem Vereinslogo lagen. Zu diesen gab es auch eine kleine Instruktion: „Plakate für den Zuspruch und das Unterstützen“. Ich bin gespannt, ob sich da bei einem möglichen Aufstieg etwas ändern wird!
Fotos: Michael
Benutzer-Bewertungen
Danke für den Beitrag. Zwischen den Zeilen lese ich, dass dir die Sportart Floorball/Unihockey gefallen hat. Ich wusste auch nicht, dass es in Polen eine (zweite) Liga gibt. Sehr interessant!
Tipp, falls du im Mai in Berlin sein solltest: Am 11.05. und 12.05. sind Halbfinale und Finale des Deutschen Pokals in der Max-Schmeling-Halle. Ich war da vergangenes Jahr und kann das wärmsten empfehlen. Google einfach „floorball final4“.
Eher unüblich sind meines Wissens nach Kopftreffer bzw dass diese unbestraft bleiben.