Schaut man sich die aktuelle Tabelle der Schweizer Super League und das Duell im Cupfinale an, könnte man meinen, dass der Schweizer Fußball aktuell von zwei Teams dominiert wird. Doch ein genauer Blick verrät, dass zumindest der Grasshopper Club Zürich, immerhin Rekordmeister der Eidgenossen, dort eher überraschend steht. Die letzte Meisterschaft konnten die Blau-Weißen vor exakt 10 Jahren holen, für den letzten Pokalsieg muss man sogar 19 Jahre in die Vergangenheit reisen und in der letzten Saison konnte GC den Abstieg in die zweite Liga nur dank der Insolvenz von Xamax Neuchatel und dem Abzug von 36 Punkten für den FC Sion abwenden.
FC Basel vs. Grasshopper Zürich: Duell der Giganten und Pyro-Festspiele
Schaut man sich die aktuelle Tabelle der Schweizer Super League und das Duell im Cupfinale an, könnte man meinen, dass der Schweizer Fußball aktuell von zwei Teams dominiert wird. Doch ein genauer Blick verrät, dass zumindest der Grasshopper Club Zürich, immerhin Rekordmeister der Eidgenossen, dort eher überraschend steht. Die letzte Meisterschaft konnten die Blau-Weißen vor exakt 10 Jahren holen, für den letzten Pokalsieg muss man sogar 19 Jahre in die Vergangenheit reisen und in der letzten Saison konnte GC den Abstieg in die zweite Liga nur dank der Insolvenz von Xamax Neuchatel und dem Abzug von 36 Punkten für den FC Sion abwenden.
Dementsprechend überrascht ist die Schweizer Fußballwelt über das Auftreten in dieser Saison, war GC zwischenzeitlich mit sieben Punkten Vorsprung Tabellenführer, verspielte diesen Vorsprung jedoch, so dass dem FC Basel bei aktuell sechs Punkten Vorsprung bei noch drei verbleibenden Spielen der Titel kaum zu nehmen sein sollte. Für GC reicht es wahrscheinlich trotzdem für den zweiten Platz, der immerhin die Teilnahme an der Champions-League-Qualifikation bedeuten würde.
Doch am Pfingstmontag hatten die Hoppers einer noch größere Chance, spielte man sich doch mit Siegen gegen die Fünftligisten Vedeggio Calcio und AC Vallemaggia sowie Siegen über Schaffhausen (3.Liga), Aarau (2.Liga) und den FC Zürich ins Pokalfinale, dass in der Schweiz traditionell im Berner Wankdorfstadion ausgetragen wird. Gegner dort: der FC Basel, welcher sich gegen den FC Amriswil, den FC Chiasso, Locarno, Thun und Sion behaupten musste, um die insgesamt 18.Finalteilnahme zu ermöglichen. Für GC ist es sogar die 32.Teilnahme am Pokalendspiel, wenig überraschend sind die Züricher auch Rekordpokalsieger mit insgesamt 19 Cupsiegen. Beide Vereine standen sich bereits viermal in einem Pokalfinale gegenüber, dreimal (1933, 1963 und 2002) konnte dabei der FC Basel gewinnen, nur 1942 ging der Pokal im direkten Duell nach Zürich.
Während man sich auf der Vereinsebene gewohnt professionell gegenüber tritt, ist das Verhältnis der beiden Fangruppen nicht sonderlich positiv zu bewerten. Dies bezieht sich nicht nur auf die beiden Vereine speziell, sondern auch auf die Städte Basel und Zürich, die eine lange Rivalität um den Titel „wichtigste Stadt der Schweiz“ pflegen und dabei schon immer wirtschaftlich und kulturell konkurrieren. Wenig überraschend setzten die beiden Fangruppen schon vor dem Spiel den ersten Reibungspunkt, denn beide Szenen riefen den Waisenhausplatz in der Innenstadt als Treffpunkt aus, um von dort gemeinsam zum Stadion zu laufen. Getrennt wurde man nur durch eine Großbaustelle, was aber nicht helfen sollte, denn beide Seiten suchten nach der Ankunft des ersten GC-Sonderzuges die Konfrontation und bewarfen sich gegenseitig mit allerhand Krempel und Pyrotechnik. Die Polizei konnte zwar einschreiten, hatte aber trotzdem genug Probleme, die Situation unter Kontrolle zu bekommen.
Für den Sicherheitsdirektor der Stadt Bern, Reto Nause (CVP), ein Grund, die Fanmärsche in Zukunft zu verbieten und weiter für auf die Verschärfung des sogenannten „Hooligan-Konkordats“ einzutreten. Auch der Stadtpräsident der Hauptstadt, Alexander Tschäppät bläst in ein ähnliches Horn und fordert klare Regeln für die Zukunft – falls diese nicht eingehalten werden sollten, könne er sich, ähnlich wie Nause, durchaus vorstellen, dass Bern in Zukunft keine Finalspiele mehr austrägt. Ein unrühmlicher Auftakt für ein Spiel, das ansonsten in positiver Erinnerung bleiben wird.
Ein erstes Kuriosum hält die Mannschaftsaufstellung beider Teams bereits, denn die jeweils besten Torschützen im laufenden Wettbewerb stehen nicht in der Startaufstellung. Während Frank Feltscher bei den Grasshoppers (bisher acht Tore) in der zweiten Halbzeit eingewechselt wird, steht Joao Paiva seit dem Winter und der Strafversetzung in die U21 nicht einmal im Kader von GC. Auch bei Basel sind die Pokal-Topscorer nicht dabei: Alexander Frei beendete im April seine Karriere, führte den FCB noch ins Europa-League-Halbfinale und ist seitdem Sportdirektor beim FC Luzern. Und auch die nachfolgenden Toptorschützen Jaques Zoua (verletzt) und Mohamed Salah (gesperrt) fehlen.
Vor dem Anpfiff ist die Anspannung im nicht ganz ausverkauften Wankdorfstadion spürbar. Das Zahlenverhältnis ist ausgeglichen und das merkt man auch bei den Mannschaftsaufstellungen, die, je nach Verein, von der einen Seite bejubelt und von der anderen nieder gepfiffen werden. Die Mannschaften laufen ein und beide Fanszenen eröffnen das Pokalspiel mit ansehnlichen Choreographien: während die GC-Fans zwei Grashüpfer mit dem Pokal und dem Wunsch „besieged dä Cupfluech und bringed dä Chübel hei“ präsentieren, sind die Basler selbstbewusst und zeigen dies mit einem Notenband auf einer Blockfahne und dem Hinweis, dass sie doch „Doonaagäbend“ seien. Sie sollten sich irren…
Das Spiel ist in den ersten 20 Minuten recht ausgeglichen, beiden Seiten merkt man die Nervosität an und nur wenige Chancen können erspielt werden. Danach kommt der FC Basel etwas besser zurecht, wirklich klare Torchancen sind jedoch Fehlanzeige. Das Übergewicht des FCB ist jedoch nur von kurzer Dauer, ungefähr ab der 30.Minute kommt GC besser ins Spiel und kann sich die ein oder andere Chance erarbeiten – die größte vergab Shkelzen Gashi kurz vor der Halbzeit, als der GC-Stürmer den Ball freistehend neben das Tor setzte. Aber auch Kultverteidiger Milan Vilotic hatte wenige Minuten vorher die große Chance auf die nicht Führung, allerdings lenkte FC-Keeper Sommer den Schuss des Serben in letzter Sekunde noch um den Pfosten. Eine Führung für den Außenseiter wäre in diesem Moment nicht unverdient gewesen, konnten sich die Hoppers doch ein deutliches Chancenplus erarbeiten, während Basel aus seinem Ballbesitz nicht viel machte.
Die GC-Fans spüren das und peitschen ihre Mannschaft nach vorn, aber auch die Anhänger der Rot-Blauen singen weiter tapfer ihre Lieder, können jedoch nicht das von ihnen bekannte Niveau erreichen. Im „Gästeblock“ (der FCB wird als erste Mannschaft genannt) sind auch deutlich mehr Emotionen zu spüren, der Cup ist greifbar und die Anhänger des Züricher Traditionsclubs lechzen nach diesem Pokal, während man auf Seiten des FCB-Anhangs schnell das Gefühl bekommt, dass ein Pokalfinale schon ein wenig zum Standard gehört und bei weitem nicht mehr die Emotionen auslöst, die es verdient hätte – trotz der siebten Finalteilnahme seit 2000 etwas unverständlich und schade, was trotzdem nichts daran ändert, dass es sich hier und heute um ein klasse Stimmungsduell handelt, zu dem bekanntlich immer zwei Seiten gehören.
Zur zweiten Halbzeit setzt der GC-Anhang den nächsten optischen Höhepunkt und kann mit einer Chaos-Aktion aus Luftballons, Konfetti, Fahnen, Wurfrollen, Schals und einer stattlichen Anzahl Bengalen überzeugen. Die Reaktion des restlichen Publikums stellt dabei Balsam für die Seele des deutschen Pyrofanatikers dar, denn hier pfeift keiner, stattdessen werden die Handys und Fotoapparate gezückt und die Aktion erhält sogar Applaus des normalen Publikums – in Deutschland leider unvorstellbar. Dazu widmen die Anhänger dem Schweizer Rundfunk noch ein Transparent: „SRF: Lakaie vom Propagandaminister Fehr!“.
Der Grund dafür findet sich im letzten Stadtderby in Zürich, als beide Blöcke als Protest gegen das verschärfte „Hooligan-Konkordat“ die beiden Fanblöcke in den ersten 10 Minuten leer ließen. Für den SRF kein Grund, auf Stimmung zu verzichten, also wurden in die Szenen aus den ersten 10 Minuten Fangesänge vom Band eingespielt, wofür sich der Sender später entschuldigte. Mario Fehr ist ein rechtskonservativer Politiker, der für den Kanton Zürich im Nationalrat sitzt und als großer Verfechter der Verschärfungen gegenüber den Fans gilt. Auch die Basler Fans greifen das Thema bereits in der ersten Halbzeit mit dem Spruch „SRF: Auf beiden Augen taub?“ auf.
Auf dem Rasen gehen die zweiten 45 Minuten währenddessen dort weiter, wo die ersten aufhörten. GC ist weiter am Drücker und hat wieder durch Vilotic die beste Chance zur Führung, allerdings geht dessen Kopfball nur an die Latte. Am Spielverlauf ändert sich lange Zeit nichts, so dass das 1:0 für den FCB in der 70.Minute etwas überraschend kommt. Nachdem Markus Steinhöfer im GC Strafraum nicht angegriffen wurde, zog dieser einfach mal ab und traf dabei GC-Verteidiger Stéphane Grichting, von dessen Arm der Ball ins Tor trudelte und Torhüter Roman Bürki keine Chance ließ. Unverdient, aber so ist der Fußball eben. Die Basler Anhänger feiern dieses Tor natürlich und ziehen in der Pyrosparte mit ihrem Kontrahenten gleich. Und auch hier gibt es bis auf die obligatorische Ansage des Stadionsprechers keine Pfiffe und Beschwerden, was den Eindruck manifestiert, dass Pyro in der Schweiz bei den Zuschauern als Teil der Fankultur gilt und akzeptiert und gewollt ist.
GC musste jetzt kommen und tat dies auch. Nur fünf Minuten nach der Basler Führung stand Izet Hajrovic goldrichtig und konnte den schwach abgewehrten Distanzschuss von Michael Lang ohne Probleme verwerten – der verdiente Ausgleich für die Blau-Weißen, auch hier begleitet vom Schein der Fackeln in der GC-Kurve. Danach taten die Hoppers weiter mehr für den Sieg, bis zum Ende der regulären sollte dieser aber nicht eintreten. Es musste also die Verlängerung her, um vielleicht die Entscheidung zu bringen.
Beide Teams zogen sich nun ein wenig zurück, die beste Chance hatte GC, jedoch wurde Ben Khalifa von Bobadilla im Strafraum in letzter Sekunde zu Fall gebracht und konnte seinen Lauf auf das Tor nicht fortsetzen – eine strittige Entscheidung, die jedoch erst später mit Hilfe der Fernsehbilder aufgeklärt werden konnte: es hätte Elfmeter geben müssen! Die Berührung war jedoch nur leicht (aber ausreichend) und deswegen im Spiel schwer zu erkennen, so dass Kritik am souveränen Schiedsrichter nicht von Nöten ist. Die Extrazeit brachte keinen Sieger hervor, es wurde Zeit für die Elfmeter-Lotterie. Diese wurde vor der GC-Kurve ausgetragen, was übrigens schon vor dem Spiel entschieden wurde. Ein Blick in die Gesichter der Anhänger offenbarte das wunderschöne Mienenspiel zwischen Hoffnung und Verzweiflung, zwischen „ich will nicht hinsehen“ und dem unbedingten Drang, nichts zu verpassen…
Der FC Basel fängt an und als erster tritt Fabian Schär an, der den Elfmeter souverän verwandelt. Veroljub Salatic steht dem in nichts nach und verwandelt ebenfalls souverän für die Grasshoppers, so dass der Druck wieder beim FCB und seinem nächsten Schützen Fabian Frei liegt. Der erlösende Moment für den GC-Anhang wird begleitet von lautstarkem Jubel, denn Frei verlädt zwar GC-Torhüter Bürki, knallt den Ball dabei jedoch an die Latte. Der Torschütze zum 1:1, Izet Hajrovic, ist am Zug und trifft sicher zum 2:1 im Elfmeterschießen. Und auch der Schütze zum 1:0, Markus Steinhöfer, trifft und gleicht somit aus. Noch ist GC vorn und hat alles selbst in der Hand, allerdings verwechselt Verteidiger Michael Lang anscheinend die Sportart – ein klasse Fieldgoal wäre es ja gewesen, beim Elfmeterschießen bleibt es aber ein Schuss, der weit über das Tor geht und somit den FC Basel wieder heran bringt. Diaz (FCB) und Feltscher (GC) treffen, nun ist Raul Marcello Bobadilla an der Reihe, dem deutschen Fan eventuell von seiner Zeit bei Borussia Mönchengladbach bekannt und von 2007 bis 2009 auch schon in Diensten der Grasshoppers.
Der letzte Elfmeter… und auch er trifft nur die Latte! Nun ist es am auffälligsten Spieler des Matches, dieses Spiel zugunsten der Hoppers zu entscheiden: Milan Vilotic, der im Spiel mehrere gute Chancen hatte, tritt an und kann GC zum Cupsieger machen. Angelaufen, Schuss… und drin – der Cupsieger 2013 heißt Grasshopper Club Zürich. Sofort ist die Mannschaft ein einziges riesiges Knäuel und auch auf den Rängen ist die Freude und Erleichterung in den Gesichtern anzusehen. Der einzige, der die Freude in wenig stört, ist der Schweizer Fußballverband, der recht schnell auf die Einhaltung des Ablaufs pocht und somit die Mannschaft von den Fans entfernt.
Zudem verärgert der SFV auch einzelne Medienvertreter, fordert die Fotografen auf, den Rasen zu verlassen und sorgt auch mit seiner Bevorzugung einzelner Medien für die üblichen Jubel-Fotos für Verstimmung. Die Krönung erfolgt nach dem offiziellen Teil, als die Mannschaft sich vor der Kurve zum mittlerweile traditionellen Einklatschen versammelt, die Fotografen aber davon abgehalten werden, den Rasen zu betreten, der ist dank ausgefahrenem Spielertunnel aber die einzige Möglichkeit, zu den Spielern zu kommen. Schade, dass auch der Schweizer Verband nur die Durchsetzung seiner Interessen im Kopf hat und dabei wenig bis gar keinen Raum für Emotionen lässt.
Dass die Grasshoppers verdient ihren ersten Pokalsieg seit 19 (!) Jahren feiern können, interessiert in der SFV-Riege niemanden, Hauptsache, das Protokoll ist eingehalten. Ein kleiner Fleck auf der ansonsten weißen Weste dieses Tages, der vermutlich allen Beteiligten noch lange in Erinnerung bleiben wird und der sein Ende auf der Züricher Langstraße und in den vielen Kneipen der Stadt findet, immer wieder untermalt von lautstarken Gesängen und Fackeln. Letztere sorgen für einen kleinen Skandal in der Schweiz, denn neben den Fans lässt es sich auch Milan Vilotic (der schon wieder!) nicht nehmen, mit einer Fackel den Sieg zu feiern. Skandal oder doch nur Bagatelle? Die Schweiz diskutiert und zeigt, wie schnell manchmal die eigentlich wichtigen Dinge in den Hintergrund geraten können…
Text & Fotos: Frank Grunert
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