FK Partizan vs. Roter Stern Belgrad: Freudentränen und Brandherde nach dem 1:0

JP Updated
Belgrader Derby 2013

Das „ewige Derby“ in Belgrad gilt als eines der größten Spiele der Welt und neben den Städteduellen in Istanbul und Thessaloniki mit Sicherheit als hitzigste Ansetzung Europas. Jeder Fußballfan, der regelmäßig über seinen Vereins-Tellerrand blickt, sollte diese Begegnung einmal live erlebt haben. Am Samstag fand im mit 32.710 Zuschauern restlos ausverkauften Partizan-Stadion die 144. Auflage des Ortsvergleichs statt. Als einer von nur vier akkreditierten deutschen Journalisten – bei 32 Absagen – war Jörg Pochert für turus.net live im Innenraum vor Ort.

Belgrader DerbyDas „ewige Derby“ in Belgrad gilt als eines der größten Spiele der Welt und neben den Städteduellen in Istanbul und Thessaloniki mit Sicherheit als hitzigste Ansetzung Europas. Jeder Fußballfan, der regelmäßig über seinen Vereins-Tellerrand blickt, sollte diese Begegnung einmal live erlebt haben. Am Samstag fand im mit 32.710 Zuschauern restlos ausverkauften Partizan-Stadion die 144. Auflage des Ortsvergleichs statt. Als einer von nur vier akkreditierten deutschen Journalisten – bei 32 Absagen – war Jörg Pochert für turus.net live im Innenraum vor Ort.

PartizanBereits vor dem Spiel ging es hoch her. Fans von Roter Stern griffen den Mannschaftsbus von Partizan an und beschädigten ihn dabei schwer, glücklicherweise blieb es bei Sachschäden. Dies wiederum nahmen Partizan-Anhänger zum Anlass, vor dem Stadion Fans des Rivalen zu attackieren, welche wiederum auf ihre Art und Weise antworteten: Zuerst wurden auf den Einlass wartende Grobari aus dem Stadioninneren über die Brüstung mit Wurfgeschossen eingedeckt, und etwa eine Stunde vor dem Anpfiff starteten etwa 300 Anhänger der Gäste einen Versuch, die Haupttribüne einzunehmen, der aber scheiterte. Insgesamt 104 Festnahmen waren die Konsequenz des „Vorspiels“. Darunter befanden sich 20 Fans aus Bosnien, vier Fans aus Russland und ein Grieche.

PartizanAber nicht nur zwischen den Fans beider Vereine gibt es große Spannungen, sondern auch in der Partizan-Szene. Die Zabranjeni traten nach einem Streit um die Benutzung bestimmter Plätze im Stadion in einen Konflikt mit dem Club, ebenso gibt es Stress mit Alcatraz, einer der größten Gruppierungen der Grobari. Hier geht es unter anderem darum, ob man als Fangruppe von Partizan internationale Freundschaften pflegen darf wie u.a. mit PAOK Saloniki und Sporting Lissabon, oder nur mit serbischen Brudervölkern wie den Russen von CSKA Moskau. Für das heutige Derby war allerdings aufgrund der eminenten sportlichen Wichtigkeit des Spiels ein szeneinterner Waffenstillstand ausgerufen worden. Und neben dem Spiel auf dem Rasen und dem Wettstreit beider Kurven war es eine der spannendsten Fragen des Tages, ob dieser halten würde.

BRoter Sterneide Szenen starten das Spiel mit einer großen Choreografie, die jeweils die komplette Kurve bedeckte. Angesichts dessen, dass im Vorfeld von einem Materialverbot die Rede war, eine positive Überraschung. Während Partizan silbergraue Folien hochhielt und in der Mitte eine Überrollfahne mit einem Totenkopf präsentierte, bot Roter Stern Ähnliches, allerdings etwas bunter, und das Motiv war auch besser zu erkennen, nämlich ein rot-weißes Bein, welches ein schwarz-weißes bricht – Punktsieg für den Gästeanhang. Supporttechnisch ging es anschließend wirklich brachial los. Beide Kurven überboten sich gegenseitig mit Dauergesängen.

PartizanDa ich mich unmittelbar vor den Partizan-Fans platziert hatte, kam mir der Heimanhang natürlich wesentlich lauter vor, aber auch Roter Stern war stets zu vernehmen und vor allem in Bewegung. Schließlich waren immerhin 10.000 der 32.000 Zuschauer Anhänger des Rekordmeisters, so viele wie lange nicht mehr. Während auf dem Spielfeld noch die Phase des Abtastens lief, gingen die Partizan-Fans weniger zimperlich miteinander um. Der oben schon erwähnte Konflikt brach wieder aus, die Waffenruhe hielt genau bis zur siebten Spielminute.

PolizeiDutzende Fans schlugen und traten aufeinander ein und durften dies einige Minuten lang tun, bevor die Polizei in den Block einmarschierte, aber noch nicht für Ruhe sorgen konnte - zu groß ist der Hass aufeinander, zu sehr die Szene gespalten. Ja, die Riots gingen sogar soweit, dass dem Gegenüber brennende Bengalfeuer auf Kopfhöhe entgegen geschleudert wurden, aus nächster Distanz und voller Wucht. Bestimmt eine Viertelstunde lang ging es hier immer wieder hoch her, bis sich die Kurve auf den Support besann und wieder anders Vollgas gab, nämlich mit Stimme, Fahnen und Bengalos. Ja, Bengalos. Diese sind hier nicht nur geduldet, sondern absoluter Usus. Immer wieder brannte es in beiden Kurven, insgesamt waren in dieser Hinsicht die Gäste allerdings etwas aktiver. Sportlich ging es mit einem torlosen Unentschieden in die Pause.

Roter SternWährend der Halbzeitunterbrechung wechselte ich meinen Standort. Nun wollte ich mir die Fankurve von Roter Stern mit ihren berühmten Delije näher anschauen. Und die Entscheidung erwies sich als goldrichtig. Mit dem Wiederanpfiff begannen die Rot-Weißen einen Dauergesang, der sich immer weiter steigerte und eine beinahe ohrenbetäubende Lautstärke erreichte. Schwierig wurde es für mich, den permanent geworfenen Böllern auszuweichen, deren Explosionen wirklich eine Lautstärke erreichten, die für einen Tinnitus oder gar ein Platzen des Trommelfels locker gereicht hätten. Eines dieser Exemplare detonierte nicht einmal einen Meter neben mir, glücklicherweise ohne bleibende Schäden. Ebenso wurden immer weitere Bengalos gezündet, so dass es an mehreren Stellen im Block lichterloh brannte. Insgesamt wurden hier in den ersten fünf Minuten der zweiten Halbzeit mindestens fünfzig Fackeln ihrer Bestimmung zugeführt, was aber nichts gegen das war, was auf Partizan-Seite folgen sollte.

Roter SternAb der 51. Minute nämlich, als den Delije der Pyrovorrat auszugehen schien, brannte es nämlich in der Südkurve lichterloh. Sage und schreibe 110 Fackeln und Blinker erleuchteten gleichzeitig den Belgrader Nachthimmel. Auch in einem Land wie Serbien, in dem in Sachen Pyrotechnik ein sehr lockerer Umgang herrscht, blieb dem Schiedsrichter gar nichts anderes übrig, als die Partie für etwa vier Minuten zu unterbrechen. Nachdem alle Lichter ausgebrannt oder im Innenraum entsorgt worden waren, ging das Spiel ganz normal weiter. Warum funktioniert das in Deutschland nicht? Euphorisiert vom phantastischen Support und den Darbietungen fürs Auge, schaffte ich es während der letzten halben Stunde sogar immer wieder, mehrere Minuten am Stück aufs Spielfeld zu schauen.

PartizanInsgesamt war Tabellenführer Partizan die bessere Mannschaft, wenngleich Roter Stern besonders in der Schlussviertelstunde durchaus den einen oder anderen gefährlichen Konter setzen konnte. Für eine Mannschaft auf dem zweiten Tabellenrang, die mit einem Sieg den Erzrivalen überflügelt hätte, kam hier aber deutlich zu wenig. Die Entscheidung fiel 22 Sekunden vor dem Ende der regulären Spielzeit. Aus zwanzig Metern Entfernung von halblinker Position gab es einen Freistoß für Partizan. Milos Jojic setzte den Ball an die Unterlatte, der Ball sprang vor der Torlinie auf und von dort an den Unterschenkel des bemitleidenswerten Roter Stern-Torwarts Bajkovic, welcher ihn hinter die Linie bugsierte. Der Torjubel war ohrenbetäubend, selbst für diejenigen, die auf der gegenüberliegenden Stadionseite standen.

PartizanDie Südkurve mit ihren Grobari supportete sich fortan wieder in einen Rausch, aber auch die Delije gaben nur wenige Sekunden nach dem Rückschlag wieder Vollgas – Respekt. Nun galt es für Partizan nur noch, die achtminütige Nachspielzeit zu überstehen, größtenteils verursacht durch die Spielunterbrechung aufgrund des Pyro-Infernos. Als auch diese Zeit überstanden war, gab es kein Halten mehr. Während die Gästespieler schnell in den Katakomben verschwanden, feierten die Partizan-Akteure ihren Sieg ausgiebig vor der Kurve. Obwohl die Polizei schnell eine Doppelkette bildete, konnte das Betreten des Innenraums durch einige hundert Fans nicht verhindert werden. Bis auf ihre Unterhose behielten sämtliche Spieler keine Kleidungsstücke an, zu begehrt waren die Trikots und Hosen als Trophäe des Sieges über den Erzfeindes, der wie eine Meisterschaft gefeiert wurde. Und dies nicht zu Unrecht, denn bei zwei verbleibenden Spielen hatte Partizan nun fünf Zähler Vorsprung auf den Rivalen aus dem nur 500 Meter entfernten Maracana-Stadion.

Brände beim Belgrader DerbyUnd die Fans von Roter Stern? Sie zeigten sich nach dem Spiel wieder von ihrer hässlichsten Seite, nämlich indem sie etliche Feuer im Gästeblock legten. Zehn Minuten nach dem Abpfiff räumte die Polizei den Block, bereits jetzt hatte es mehr als 15 Brandherde gegeben, die teilweise meterhohe Stichflammen verursachten. Aber ihren Unmut über die Derbyniederlage äußerten die Delije nicht nur mit stumpfer Gewalt, sondern auch mit Liebesentzug gegenüber ihren Lieblingen. Am folgenden Mittwoch kamen zum letzten Heimspiel der Saison nur noch ganze 4.930 Zuschauer. Sie mussten mit ansehen, wie beim 1:2 gegen den Provinzclub Sloboda Uzice auch die letzte theoretische Titelchance verspielt wurde. Partizan siegte derweil in Smederovo souverän mit 2:0 und holte sich die Meisterschaft aus eigener Kraft.

Fotos: Jörg Pochert

> zur turus-Fotostrecke: FK Partizan vs. FK Roter Stern

 

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