„Denk ich an Hansa in der Nacht, bin ich um den Schlaf gebracht.“ Von wem auch immer dieses Zitat stammen mag, es beschreibt in einem Satz, was in den vergangenen Monaten in mir als Hansa-Fan vorging. Fairerweise muss dazugesagt werden, dass es nicht immer die Enttäuschung und teilweise auch Wut waren, die einen den Schlaf raubten. Es waren letztendlich auch die wenigen schönen Momente, die man aufgrund der Seltenheit plötzlich umso mehr zu schätzen wusste. Folgend ein persönlicher Blick auf die Drittligasaison 2012/13:
Saisonrückblick: 25.000 Kilometer unterwegs mit Hansa Rostock
Die sportlichen Eckpfeiler der Saison sind wohl relativ schnell ausgemacht. Da wäre der knappe und wohl auch glückliche Sieg zum Saisonbeginn gegen die Kickers aus Stuttgart. Danach ging es stetig bergab. Der vorläufige Höhepunkt wurde dann an einem warmen Mittwochabend in Burghausen erreicht, als ohne jegliche Gegenwehr nicht nur das Spiel, sondern auch sämtliche Aufstiegshoffnungen verloren gingen. Die mitgereisten Fans, die laut Stadionsprecher mitten in der Woche die weiteste Strecke in Fußballdeutschland zurückgelegt hatten, machten ihrem Unmut natürlich auch dementsprechend Luft.
Bereits hier konnte man bei einigen Spielern erkennen, wem wenigstens ein bisschen was am Verein liegt und wer die Kogge nur spazieren trägt, um sich für höhere Aufgaben bzw. höhere Gehälter bei anderen Vereinen zu empfehlen. Nach besagtem Spiel in Burghausen musste „Papa Wolf“ dann auch seinen Platz räumen. Für ihn rückte mit Marc Fascher ein Typ nach, der vor allem gegen Ende der Saison noch für viel Gesprächsstoff sorgen sollte. Zunächst sorgte er aber erst einmal für Jubel, denn unter ihm konnte eine kurze Serie gestartet werden, die dann aber irgendwo kurz vor den Aufstiegsplätzen ein jähes Ende nahm und letztendlich sogar noch im tiefsten Abstiegskampf gipfelte. Erst am vorletzten Spieltag konnte der Klassenerhalt endgültig gesichert werden.
Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Oder lieber nicht. Das soll es erst einmal zum Sportlichen gewesen sein, sozusagen als Pflicht vor der Kür, denn gerade in schweren Zeiten sind es diese ganz besonderen Erlebnisse, die man irgendwie nur im Zusammenhang mit Fußball hat und die einem immer wieder die Motivation geben, mitten in der Nacht aufzustehen und in irgendein Kaff am anderen Ende des Landes zu fahren. Fahrten, die definitiv in Erinnerung bleiben werden, sind da zum Beispiel die WET-Touren nach Darmstadt und Bielefeld, aber auch die Autofahrten zum Freitagsspiel in Offenbach und nach Saarbrücken. Mit Sätzen wie „Ach Erich… „ oder „Bürotechnik ist kein Verbrechen“ wird man auch heute noch jedem, der unsere Reisegruppe zum Spiel in Darmstadt begleitet hat, ein kleines Grinsen ins Gesicht zaubern können.
Aber diese Fahrt war es auch, die mal wieder die ganze Sinnlosigkeit polizeilicher Maßnahmen gegenüber Fußballfans aufzeigte. Wo aufgrund einer Verwechslung ein Neuling zum „Gewalttäter Sport“, eine Hautcreme zu Sprengstoff und Edding-Stifte zu Waffen werden, da ist die Bahnhofspolizei Fulda stets an Ort und Stelle. Fortan standen dann also diese sogenannten „Permanentmarker“ auf der Liste der verbotenen Gegenstände. Es wurden auch die Leute, die immer der Ansicht waren, dass Autofahrten eine eher langweilige Sache sind, eines Besseren belehrt. So blöd es klingen mag, aber wenn Glühwein zum Mittel für den Abschuss wird oder fünf erwachsene Leute sich an einem riesigen Kaufhaus erfreuen, wie es wohl sonst nur kleine Kinder können, dann steht gerade so etwas für die kleinen Momente, die diese Saison trotz des ganzen sportlichen Desasters unvergesslich machen.
Bei all den Anspielungen auf die immer wieder miesen Leistungen der Mannschaft – oder sagen wir besser Truppe – auf dem Platz, muss aber trotzdem ein Moment hier auf jeden Fall erwähnt werden, der jedem, der dabei war, wohl ewig im Kopf bleiben wird. Mit einem leichten Grinsen denke ich mittlerweile an die Gespräche in der Halbzeitpause in Aachen zurück. Mit Sprüchen wie „Wenn du hier verlierst, dann steigst du ab“, wurde sich angesichts des negativen Spielstands auf eine ziemlich harte, aber ehrliche Art und Weise auf die kommenden Wochen eingestimmt. Was dann allerdings in der zweiten Halbzeit folgte ist auch jetzt, zwei Monate danach, noch extrem schwer zu beschreiben.
Als nach dem 3:1 für Alemannia Aachen auf unserer Seite nur noch Fassungslosigkeit herrschte, die Heimmannschaft am Tivoli schon frenetisch, fast übermütig, gefeiert wurde und die daheimgebliebenen Rostocker schon völlig frustriert sämtliche Ticker abschalteten, geschah tatsächlich noch etwas, was man sonst eher gegen uns gewohnt ist. Ein kurzes, fast schon ironisches Feiern des Treffers zum 2:3-Anschluss, ein leicht verunsicherter Jubel nach dem Ausgleich und letztendlich ein völliges Ausrasten nach dem Führungstreffer und dem späteren Abpfiff.
Wie gesagt, es ist heute noch schwer, das alles in Worte zu fassen. Egal woher und wie gut man irgendwelche Leute kannte, man fiel sich einfach nur in die Arme und feierte diesen Moment, der im Nachhinein wohl der einzige wirkliche Höhepunkt der Saison sein sollte. Wie bestimmt bereits aufgefallen ist, werden hier als „Höhepunkte“ nur Auswärtsspiele genannt. Was man unserer thüringischen Reisegruppe der Exil-Hansafans zugutehalten muss, ist diese extrem anstrengende Strecke, was aber auch nicht als Standard-Ausrede gelten soll. Wenn man bedenkt, dass im Laufe der Saison Einzelkämpfer oder maximal drei Leute dem mit Zug gen Rostock unterwegs waren und wir dann auf dem Weg zum letzten Heimspiel knapp 30 Hansafans aus unserer Region im Zug enttarnten, dann läuft da irgendwas falsch. Bisher ist es uns ja ganz gut gelungen, die Fans aus der Region zusammenzubringen und vielleicht kommt ja Dank des letzten Heimspiels noch der eine oder andere dazu, damit wir in der nächsten Saison vielleicht die vier, fünf Leute pro Spieltag finden, die das alles auf Dauer finanziell erträglich gestalten.
Auch für mich selbst hat sich diese Saison einiges geändert. Hieß es vorher noch „Wenn ich selber kein Spiel habe, kann ich ja zu Hansa fahren“, so heißt es jetzt: „Coach, an dem Tag spielt Hansa, da kann ich nicht!“. Nicht zuletzt das ist neben vielen weiteren ein Grund, warum nach dieser Saison 28 besuchte Spiele (13 Heim, 15 Auswärts) auf dem Zettel stehen, die mir in der Kilometer-Tabelle über 25.000 Punkte eingebracht haben.
Trotz der unter dem Strich miserablen Saison. Trotz all der Strapazen: Alles in Allem würde mir ein, zwei Wochen Sommerpause durchaus genügen und von mir aus könnte es lieber heute, als morgen wieder losgehen. Endlich wieder unterwegs sein und hunderte Kilometer mit einem Haufen verrückter Menschen zurücklegen, weil wir alle das gleiche Ziel haben: Unseren Verein spielen und vor allem siegen zu sehen. Unseren Verein, der uns alle immer wieder wahnsinnig macht, aber auch mal für die unbeschreiblichen Momente im Leben sorgt. Danke an all die Verrückten, die mich in dieser Saison begleitet haben oder die ich begleiten durfte. Es war mir eine Ehre und ich hoffe auf viele weitere schöne Momente, vor allem aber darauf, dass ich endlich auch mal wieder etwas sportlich Positives berichten kann. Man sieht und liest sich in der Saison 2013/14!
Fotos: P. Schoedler, R. Lichtenfeld, M. Bertram, K. Hoeft, turus.net-Archivbilder
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