Pogon Szczecin vs. Legia Warszawa: Aus dem Blickwinkel eines Polen-Neulings


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Pogon & Legia

Wer sich im polnischen Fußball bestens auskennt, wird in diesem Artikel wahrscheinlich wenig Neues oder Spannendes finden. Die Bilder werden unterhaltsam sein aber vom Prinzip her auch bekannt. Wer aber – so wie ich – ein Neuling auf dem Gebiet ist, kann sich vielleicht mehr für meine jungfräulichen Entdeckungen begeistern. Unsere Reise führt nach Szczecin (die deutsche Schreibweise Stettin bereitet mir auch nach mehreren Versuchen weiterhin deutlich geringere Probleme), wenige Kilometer entfernt von der deutschen Grenze und nahe der Ostsee.

PogonWer sich im polnischen Fußball bestens auskennt, wird in diesem Artikel wahrscheinlich wenig Neues oder Spannendes finden. Die Bilder werden unterhaltsam sein aber vom Prinzip her auch bekannt. Wer aber – so wie ich – ein Neuling auf dem Gebiet ist, kann sich vielleicht mehr für meine jungfräulichen Entdeckungen begeistern. Unsere Reise führt nach Szczecin (die deutsche Schreibweise Stettin bereitet mir auch nach mehreren Versuchen weiterhin deutlich geringere Probleme), wenige Kilometer entfernt von der deutschen Grenze und nahe der Ostsee.

PogonDas dortige Team Pogon ist in der letzten Saison in die Ekstraklasa, die erste polnische Liga, zurückgekehrt und hat sogar den Klassenerhalt geschafft. Während viele Stadien in Polen durch die letzte Europameisterschaft in moderne Arenen umgewandelt wurden, scheint in (man möge es mir verzeihen) Stettins Stadion Florian Krygier (Kapazität: 18.027) die Zeit stehen geblieben zu sein: hier sprüht er noch, der rustikale osteuropäische Charme den die sterilen Arenen verloren haben: gigantische Flutlichter türmen sich über dem bröckelnden hufeisenförmigen Stadion das nur teilweise überdacht ist und noch eine echte Kurve hat.

LegiaDie Gäste von Legia Warschau haben in der letzten Saison beide Spiele gegen Pogon gewonnen und dazu noch die Meisterschaft. Das Team aus der Hauptstadt ist auch vor diesem Spiel wieder Tabellenführer, direkt gefolgt von Pogon. Nicht, dass das nach nur einem Spieltag sonderlich viel Aussagekraft hätte. Und überhaupt, sollte der reine Fußballaspekt heute für keinen so richtig im Mittelpunkt stehen.

> zur turus-Fotostrecke: Pogon Szczecin

Pogon & LegiaPolnische Fans sind berühmt-berüchtigt dafür, regelmäßig Pyrotechnik einzusetzen und brachiale Gesänge zu orchestrieren. In mehreren Fällen gepaart mit tiefem Hass und Gewalt zwischen den verschiedenen Fangruppierungen. Die polnischen Behörden haben darauf reagiert und die „Karta Kibica“ eingeführt, die letztendlich ein System personalisierter Tickets darstellt: jeder, der in Polen ein Spiel besuchen möchte, muss sich zunächst mit seinen persönlichen Daten registrieren. Der Einlass im Stadion kann dann recht lange dauern, so dass Fans (vor allem Gäste) schon mal fast das gesamte Spiel verpassen.

PogonDiese Regeln galten auch heute, jedoch ist es zwischen Pogon und Legia eine recht entspannte Angelegenheit: beide Fangruppen sind freundschaftlich verbunden. Das geht sogar so weit, dass beide Ultra-Gruppen gemeinsam im selben Block stehen (normalerweise sind polnische Gäste in Käfige gesperrt). Die Gesänge aus der großen Ultra-Kurve begannen lange vor Spielbeginn und ertönten bis nach dem Abpfiff.

PogonWährend bei einem normalen Fußballspiel in schöner Regelmäßigkeit Schmährufe ausgetauscht werden, zelebrierten heute fast alle Gesänge die Freundschaft zwischen Legia und Pogon. Einige der Lieder folgten einer aufwändigen Call and Response Choreographie bei der zunächst eine Fangruppe ein Lied auf das eine Team anstimmte, und die andere dann nahtlos dieselbe Melodie auf das ihrige ergänzte. Fast tänzerisch dirigierten dabei beide Capos, unterstützt von Trommlern, auf dem gemeinsamen Podest ihre Chöre.

PogonDie Gesänge waren eine pausen- und atemlose Untermalung des Spiels, das selbst kaum Beachtung fand. Es gab noch nicht einmal Reaktionen auf die drei Legia-Tore. Und wer den Blick nicht oft auf das Spielfeld schweifen ließ, verpasste auch nicht allzu viel: Pogon spielte engagiert aber vergab zu viele Chancen, Legia traf noch vor der Pause nach einer Standardsituation und legte im zweiten Durchgang mit geschickten Kontern zwei Mal nach. Nur ein einziges Mal kommentierten beide Ultra-Gruppen gleichermaßen empört das Spielgeschehen: als ein Pogon-Spieler nach einer übereifrigen Grätsche am Legia-Torwart frühzeitig zum Duschen geschickt wurde. Auch ich konnte mich kaum für das Spiel selbst begeistern, zu sehr hielten mich die sirenenartigen Gesänge, Klatschkonzerte und Schal-Schwenkereien der Kurve in ihrem Bann.

PogonZehn Minuten vor Schluss bedeckten die Ultras dann die gesamte Kurve mit einem Banner: zu sehen war ein Wolf, mit einem Megaphon in der einen und einer brennenden Fackel in der anderen Tatze. Wobei wir schon den Höhepunkt des Abends einläuten: unter dem Banner zogen sich einige Fans komplett um und maskierten ihre Gesichter. Eine geschickte Variante, um die folgende Pyro-Show vorzubereiten, denn so würden sie später nicht identifiziert werden. Blauer Rauch kündigte nun das Finale an: das Banner wurde wieder heruntergelassen und zahlreiche Fackeln erleuchteten die dunkle Stettiner Nacht, während im Fotograben zahlreiche Böller explodierten.

PogonDie Aktion wurde nicht nur von den fest montierten Sicherheitskameras gefilmt sondern auch von einer Foto-Drohne, die schon während des gesamten Spiels über dem Stadion schwebte. Instinktiv ging ich von einem Polizei-Gerät aus, das über die Fans wachen sollte. Und musste mich eines besseren belehren lassen: die Drohne gehörte den Fans und wird dazu eingesetzt, die Choreographien aus einer besseren Perspektive einzufangen. Da sind die Ultras also fast noch besser ausgestattet als die Behörden.

PogonHeute hatte die Drohne mit Sicherheit beeindruckende integrierte Fangesänge, Banner- und Pyro-Aufnahmen im Kasten. Mein erstes Mal in Polen bot alles, was ich erwartet hatte, wenn nicht sogar ein wenig mehr. Mit einer Ausnahme. Ich lehne jegliche Form von Gewalt strikt ab. Und ich erfreue mich wahnsinnig daran, wenn Menschen zusammen arbeiten und nicht gegeneinander, und damit Großartiges schaffen – das war heute der Fall. Doch es fehlte ein wenig, wie die Höhen und Tiefen des Spiels selbst mit in die Atmosphäre eingeflochten werden. Wie Anspannung und Erleichterung vom Rasen auf die Ränge und wieder zurück transportiert werden. Aber mein erstes Mal muss ja nicht mein letzte Mal gewesen sein.

Fotos: Frank Langkabel, Michael, Felix Natschinski

> zur turus-Fotostrecke: Pogon Szczecin


Der Artikel ist im englischen Original erschienen auf www.GroundhoppingEtc.com. Dort und auf www.facebook.com/GroundhoppingEtc berichtet Felix über seine Fußballerlebnisse in Prag, London oder Berlin etc.

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