Viel geändert hat sich im Röntgen-Stadion, gelegen im Remscheider Stadtteil Lennep, seit dem 04. Oktober 1992 nicht wirklich. Damals war in der 2. Bundesliga Hertha BSC zu Gast im Bergischen – und verlor durchaus verdient mit 1:2 vor 2.500 Zuschauern. Persönlich war es der erste und bis zum 22. September 2013 auch der letzte Besuch im 1925 gebauten Röntgen-Stadion, das damals als überaus schäbig, in der Gegenwart indes eher als „old-school“ und kultig bezeichnet werden dürfte. Die Erinnerungen waren aus Berliner Sicht nicht die besten. Eiskalter Wind, ein ungemütlicher Gästeblock und eine Alte Dame, die auf einem Bein hinkte.
FC Remscheid vs. Wuppertaler SV II: Emotionaler Auftritt beim kleinen Bergischen Derby
20 Jahre lang war der FC Remscheid nicht mehr auf dem persönlichen Bildschirm, zumal der Klub aus dem Bergischen in den sportlichen Niederungen verschwand. Von der zweiten Bundesliga hinab in die sechste Spielklasse. 1998/99 spielte der einstige Pokalschreck der 80er Jahre letztmalig in der Regionalliga West-Südwest. Am Ende der Saison 2000/01 rutschte Remscheid sogar aus der Oberliga Niederrhein ab und rückte somit endgültig aus dem überregionalen Sichtfeld.
Im August 2012 kam der FC Remscheid allerdings in der turus-Redaktion wieder ins Gespräch. Das Landespokal-Duell gegen den Wuppertaler SV stand auf dem Programm. Keine Frage, dieses Spiel wurde auf die Arbeitsliste gesetzt. Und das zurecht! 1.800 Zuschauer fanden den Weg ins Röntgen-Stadion, unter ihnen rund 800 Gästefans aus Wuppertal. Ein Großteil von jenen wurde bis weit nach Spielbeginn von den polizeilichen Einsatzkräften eingekesselt und kam erst im Laufe der ersten Halbzeit ins Stadion. Pyrotechnik und gute Stimmung auf beiden Seiten. Auf Remscheider Seite endete das Ganze in einen Jubelorkan, da der Außenseiter mit 2:0 gegen den Viertligisten gewinnen und somit in die nächste Runde einziehen konnte. Laufereien und Polizeieinsätze prägten die Endphase und spätere Drumherum.
Zwar war am gestrigen Sonntag zum Landesliga-Duell nicht die erste Mannschaft des WSV zu Gast, sondern nur die zweite Vertretung, doch trotzdem rechnete der FC Remscheid mit einer erhöhten Gästeanzahl. Der Grund: Zum einen die Brisanz, zum anderen die Tatsache, dass die erste Mannschaft des WSV bereits am Samstag gespielt hatte. 30 anreisende WSV-Fans? Oder gar 100? Es war schwer zu sagen, was im Detail zu erwarten war. Als gegen 14 Uhr zehn WSV-Fans am Bahnhof Remscheid-Lennep auf den nächsten Zug aus Wuppertal warteten, rechnete auch die Polizei mit weiteren eintreffenden Gästen und zog zwei weitere Fahrzeuge heran. Die Regionalbahn rollte ein, doch kein Rot-Blauer stieg aus. Es blieb beim „harten Kern“ von zehn WSV-Fans, die gemeinsam zum Stadion zogen. Im Stadion selbst waren später noch zirka 15 weitere Fußballfreunde auszumachen, die den Gästen die Daumen drückten, aber lieber verstreut das Geschehen auf dem Rasen verfolgten.
Erstaunte Blicke am Haupteingang des Röntgen-Stadions. Nur dieser eine Zugang wurde geöffnet. Einen separaten Einlass für etwaige Gästefans gab es dieses Mal nicht. „Dann müssen sich die Jungs eben mal zusammenreißen!“, ließ ein diensthabender Polizist verlauten. Der gemeinsame Zugang sorgte für Gesprächsstoff, doch am Ende verlief alles problemlos, da die paar Gästefans im üblichen Gästebereich stehen durften. Allerdings war von ihnen in der ersten Halbzeit kein Mucks zu hören. Sicherlich hatte sich der „harte WSV-Kern“ von zehn Leuten auch gedacht, dass es ein paar mehr Wuppertaler werden könnten. Nun durften sie alleine das Ding gerade stehen. Zwar wurde auf Remscheider Seite ebenfalls nicht im überdurchschnittlichen Maße mobil gemacht, doch unter dem Dach der alten Haupttribüne fand sich durchaus eine akzeptable Anzahl an supportwilligen Remscheidern ein. Nach 20 Minuten kamen geschlossen weitere 15 meist jüngere FCR-Fans hinzu und bildeten mit den Älteren eine kleine, aber feine stimmungsvolle Truppe.
„1908, die Mannschaft aus der Röntgenstadt wird siegen, 1908...“ ertönte es von der maroden, aber sicherlich mit altem Charme behafteten Tribüne, an deren oberen Rand des Daches zum Teil uralte Werbetafeln geschraubt waren. Auf dem Rasen entwickelte sich eine flotte Partie, in der anfangs die Hausherren klar besser waren und verdient Dank eines Treffers von Serkan Hacisalihoglu in der 19. Minute mit 1:0 in Führung gingen. Richtig emotional wurde es in der zweiten Halbzeit, in der es noch satte vier Tore zu sehen gab. Zuerst konnte Serkan Hacisalihoglu in der 50. Minute zum viel umjubelten 2:0 nachlegen, nur sechs Minuten später gab es zum einen eine Rote Karte für Wuppertal und einen Elfmeter für Remscheid, den Domenico Cozza sicher verwandeln konnte.
Kurioserweise kam nun das Team des Wuppertaler SV II in Unterzahl besser ins Spiel. So konnte Kouadia Wilfried Taki in der 66. Minute der Remscheider Abwehr enteilen und den 1:3-Anschlusstreffer klarmachen. Zaghafter Jubel bei den Gästefans. Wüste Beschimpfungen von den Remscheider Fans als Antwort. Lauter war der Wuppertaler Jubel in der 78. Minute, als es plötzlich nur noch 2:3 aus Gästesicht hieß. Hier ging noch was für den WSV II! Es folgte eine heiße, emotionale Schlussphase, in der die Gäste noch zu zwei, drei hochkarätigen Möglichkeiten kamen. Mit viel Einsatz konnte Remscheid – unter dem Strich sicherlich verdient – die knappe Führung über die Runden bringen und die wichtigen drei Punkte einfahren. Hinter dem Cronenberger SC und dem SC Düsseldorf-West kann der FC Remscheid auf Rang drei Anschluss zur Tabellenspitze halten.
Apropos: Für die Besucher auf der Gästeseite wurde direkt nach Abpfiff der seitliche Zugang geöffnet. Gut so, denn ein Stück weiter hatten sich bereits zahlreiche Remscheider Jungs versammelt. Diese wurden jedoch von der Polizei daran gehindert, die Wuppertaler Fans in der zum Bahnhof führenden Friedrichstraße abzufangen...
Fotos: Marco Bertram