Bereits zwei Wochen vorher wurde gemunkelt, dass polnische Fans mit Taschen voller Pyrotechnik zum Sportforum Berlin-Hohenschönhausen anreisen könnten. Zwar sind Bengalos und brachialer Support beim Rugby eher untypisch, doch die Gelegenheit, bei den Deutschen zu spielen, hätten womöglich Ultras diverser polnischer Fußballvereine nutzen können, um in der Heimstätte des Oberligisten BFC Dynamo für Furore zu sorgen. Wenige Tage vor dem Länderspiel verflüchtete sich das Gerücht. Es würde friedlich bleiben, so die Infos einiger szenekundiger Polen. Allerdings sei so oder so mit zahlreichen Rugby-Anhängern aus dem Nachbarland zu rechnen, so dass eine ordentliche Kulisse eingeplant werden darf.
Rugby-Länderspiel Deutschland vs. Polen: Athletik und Schnelligkeit bezwingen Kraft
Die polizeilichen Einsatzkräfte gingen am Samstagnachmittag auf Nummer sicher. Etliche Fahrzeuge wurden auf dem Parkplatz neben der großen Sporthalle abgestellt. Geöffnet wurde nur ein Zugang des Sportforums, so dass man einen guten Überblick hatte, wer so alles vor auf den Rängen sein wird. Immerhin 2.832 zahlende Zuschauer fanden den Weg zum Topspiel des Division 1B des European Nations Cus (ENC), rund die Hälfte unter ihnen drückte dem polnischen Team fest die Daumen. Auf der Haupttribüne ihr Stelldichein gaben auch einige Fans des BFC Dynamo – und das, obwohl zeitgleich ihr Team beim RSV Waltersdorf gespielt (und mit 3:0 gewonnen) hatte. Keine Frage: Hätte das Oberligaspiel nicht parallel stattgefunden, wäre die 3.000er Marke locker geknackt worden. Ein paar weinrote Banner wurden befestigt und zum Ende des Spiels hin ertönte nicht überhörbar ein kraftvolles „Dynamo!“ von den Sitzplätzen.
Auf der Gegengerade rechneten indes die polnischen Fans fest mit einem Sieg ihrer Mannschaft und legten einen vergleichsweise recht ordentlichen Support hin. Ruda Sluska, Olsztyn, Siedlece und auch Berlin. Die polnischen Rugby-Freunde waren aus den verschiedensten Ecken angereist und hatten in der Anfangsphase des Spiels einen echten Grund zur Freude. Die polnischen Kraftpakete erwischten einen guten Start und gingen fix mit 6:0 in Führung. In Sachen Körperbau schienen die Polen überlegen und manch ein Zuschauer vermutete, dass die Polen das deutsche Team locker in die eigene Zone schieben würden. Allerdings zählen beim Rugby bekanntlich nicht nur Muskelberge, sondern auch Schnelligkeit und Taktik. Genau diese beiden Punkte wurden auf dem Rasen des Sportforums ausschlaggebend, die deutschen Spieler ließen sich nicht beirren und konterten mit zwei Versuchen. Im Anschluss kontrollierte das deutsche Nationalteam die Partie überraschend deutlich.
So sah das auch DRV-Kapitän Alexander Widiker, der gegen Polen insgesamt zehn Punkte einfahren konnte und im Ligabetrieb beim Heidelberger RK spielt: „Danach haben wir den Ball und das Spiel kontrolliert. Das war wichtig, da wir in der ersten Halbzeit gegen den starken Wind spielen mussten. Unser Versuch mit dem Halbzeitpfiff war eine Vorentscheidung.“ Bereits zur Pause war zu ahnen, dass die Deutschen nach den insgesamt 80 Minuten Spielzeit ziemlich sicher als Sieger vom Platz gehen würden. Und so war es auch. Wenig überraschendes im zweiten Spielabschnitt. Das deutsche Team stand hinten sicher und nutze nach vorn hin die Gelegenheiten. Unmittelbar vor Abpfiff konnte das polnische Team noch einmal punkten und somit ein wenig Kosmetikkorrektur betreiben. Ganz klar: 13:43 klingt nicht ganz so arg wie 06:43.
Nach dem Sieg gegen Polen ist ein Aufstieg in die Division 1A in Reichweite. Doch im Fall des Aufstiegs müssen die drei Sturmreihen noch unbedingt verbessert werden, erklärte Nationaltrainer Kobus Potgieter nach dem Spiel. Nur so bestünden Chancen in der höchsten Amateur-Spielklasse mitzuhalten. Ebenfalls im Fokus steht die Rugby-WM 2015 in England, für diese ist die DRV XV (15er Rugby / Rugby Union) noch im Rennen. Bis dorthin ist jedoch noch ein langer Weg. Erst einmal steht das schwere Auswärtsspiel in Moldawien am 16. November 2013 auf dem Programm. Und auch dort darf mit einem physisch starken Gegner gerechnet werden...
Fotos: Marco Bertram
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