Der Schweizer Fußball auf seinem Tiefpunkt

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An die wöchentliche Gewalt an und um Fußballanlässe hat man sich in der Schweiz mittlerweile gewöhnt. Doch beim Europa-League-Spiel zwischen Lazio Rom und dem FC Zürich erreichte die Schweizer Fan(un)kultur ihren Tiefpunkt. Anlass genug für den turus.net Autor Kalleman den Klubfußball in der Schweiz mal genauer unter die Lupe zu nehmen. Ganz besonders im Fokus: Der FC Zürich. Zudem die Frage am Rande: Wie steht es eigentlich um die Schweizer Nationalmannschaft? Die U17 - ein echter Hoffnungsschimmer in der Alpenrepublik?!

An die wöchentliche Gewalt an und um Fußballanlässe hat man sich in der Schweiz mittlerweile gewöhnt. Doch beim Europa-League-Spiel zwischen Lazio Rom und dem FC Zürich erreichte die Schweizer Fan(un)kultur ihren Tiefpunkt. Anlass genug für den turus.net Autor Kalleman den Klubfußball in der Schweiz mal genauer unter die Lupe zu nehmen. Ganz besonders im Fokus: Der FC Zürich. Zudem die Frage am Rande: Wie steht es eigentlich um die Schweizer Nationalmannschaft? Die U17 - ein echter Hoffnungsschimmer in der Alpenrepublik?


Zürich im WinterSeit Ottmar Hitzfeld die Schweizer Nationalmannschaft trainiert, ist man sich an das trostlose Gekicke unserer Nati gewöhnt. Die Mutlosigkeit Hitzfelds erreichte seinen unrühmlichen Tiefpunkt, als er bei einem 0:1 Rückstand gegen Wales – die Schweizer standen nur noch zu zehnt auf dem Platz – einen Mittelfeldspieler auswechselte und dafür einen Verteidiger auf den Platz schickte. Man ging chancenlos 0:2 unter und musste somit dem Fussballzwerg Montenegro den zweiten Platz in der Gruppe überlassen. Man hat sich an die Tatsache gewöhnt, dass unter Hitzfeld die Entwicklung der sehr talentierten Nationalmannschaft stagniert, ja man sogar mehrere Schritte zurückgegangen ist. Ganz im Gegensatz zu den Jugendabteilungen, die nach dem U17-Europameistertitel den Weltmeistertitel folgen liessen und sich auf der U21-Stufe nur Spanien geschlagen geben musste. Man darf gespannt sein, wie gut sich die Jugend an den Olympischen Spielen in London schlägt; die Schweiz muss sicherlich zum engeren Favoritenkreis für die Goldmedaille gezählt werden.

SchweizAnders als in der Nationalmannschaft trägt die hervorragende Juniorenarbeit im Klubfussball Früchte. Mit tollem Offensivfussball holte der FC Basel auswärts bei Manchester United einen 0:2 Rückstand auf und musste den Ausgleich zum 3:3 erst in letzter Sekunde hinnehmen. Der FC Sion liess in der Qualifikation Celtic Glasgow keine Chance, wurde dann aber wegen früherer Regelverstösse von der UEFA vom Wettbewerb ausgeschlossen. YB scheiterte nur knapp am Titelverteidiger Braga, der winzige FC Thun warf Palermo aus dem Wettbewerb. Diese Leistungen sind umso bemerkenswerter, als das der Schweizer Klubfussball unter chronischem Geldmangel leidet und es finanziell mit ihren sportlichen Gegnern nicht im Ansatz aufnehmen kann.

Alles gut also im Schweizer Klubfussball?! Leider ist dem überhaupt nicht so. Jedes Wochenende kommt es an und um Fussballspiele zu Gewalt. Zu Ausschreitungen kommt es nicht nur bei den „grossen“ Klubs wie der FC Zürich oder der FC Basel, auch bei anderen Spielen, wie zum Beispiel St. Gallen gegen den FC Aarau, gibt es regelmässig Ärger. Und niemand will etwas dagegen tun. Die Fans wehren sich gegen jegliche Massnahme für mehr Sicherheit, die Klubs wollen nichts tun, um die Fans nicht zu verärgern. Sie fürchten um ihre Einnahmen. Die Polizei fällt immer wieder durch eigenartige Taktiken auf, beklagt aber auch völlig zu Recht die mangelnde Unterstützung durch die Clubs und die Politik, Richter fällen äusserst milde Urteile gegen Randalierer und die Politik tut sich schwer, die richtigen Rahmenbedingungen zu schaffen. In den letzten Wochen ist die Situation aber derart eskaliert, dass man einhellig der Meinung ist, dass es so nicht weitergehen kann. Der Schweizer Klubfussball ist an seinem Tiefpunkt angelangt.

Im Derby im Oktober zwischen dem FC Zürich und dem Grasshoppers Club Zürich musste zum ersten Mal in der Schweizer Fussballgeschichte ein Spiel wegen Fanausschreitungen abgebrochen werden. Zahlreiche Anhänger des FC Zürich versuchten den Fanblock der Grasshoppers zu stürmen, nachdem diese FCZ-Fahnen verbrannt hatten. Dabei wurden Leuchtfackeln in die Zuschauermenge geworfen. Wie durch ein Wunder gab es keine Verletzten. Man fragt sich, wie es möglich ist, dass Fangruppen über die Abschrankungen klettern und durch das halbe Stadion zum Gästeblock laufen können, ohne von den Sicherheitsleuten daran gehindert zu werden. Es ist auch nicht das erste Mal, dass Leuchtraketen und Knallpetarden in den Gästesektor geschossen werden. Unvergesslich sind die Zwischenfälle bei einem Spiel zwischen den Grasshoppers und Basel, als Knallpetarden in den Familiensektor geschossen wurden.

Ein paar Tage später empfing der FC Zürich den FC Basel. Als die Fans aus Basel am Bahnhof Zürich-Altstetten von einem grossen Polizeiaufgebot empfangen wurden, kam es zu einer sehr eigenartigen, aber aussagekräftigen Szene. Die Polizei forderte die Fans auf, Pyromaterial abzugeben und auf Vermummung zu verzichten – dann könnten sie zum Stadion gehen. Die Basler Fans weigerten sich jedoch aus dem Zug auszusteigen und fuhren gleich wieder zurück. Dieses Verhalten ist typisch für die Fans. Sie suchen die Auseinandersetzung und wehren sich gegen sämtliche Massnahmen. Das Spiel ging ohne Gästefans und ausnahmsweise friedlich über die Bühne.
Leuchtraketen und Knallpetarden sind in Schweizer Stadien eigentlich verboten. Für die Fans aber gehören diese Fackeln zur Fankultur. Bei praktisch jedem Spiel in der Schweizer Liga wird Pyromaterial abgefackelt. Offenbar ist es kein Problem, dieses Material ins Stadion zu bringen. Der Verdacht kommt auf, dass es von den Klubs geduldet wird.

Der FC Zürich befindet sich auf sportlicher Talfahrt und steht unter enormen Leistungsdruck. Nach dem Europa-League-Spiel im Olympiastadion zu Rom stand denn auch ein sichtlich gezeichneter FCZ-Präsident Ancillo Canepa vor die Kamera. Allerdings war es nicht die 1:0 Niederlage gegen Lazio – der FCZ hatte ganz gut gespielt – die ihm den Schlaf raubte.

Zu Beginn des Spiels hüllten die Anhänger des FCZ das Olympiastadion in Rauch ein. Eine grosse Anzahl von Böllern wurde abgeknallt. Dabei kam es zu folgenschweren Ereignissen. Ein Böller explodierte in der Nähe eines Balljungen, der dabei einen Gehörsturz erlitt und ins Spital abtransportiert wurde. Ein Knallpetarde explodierte zu früh, riss dem Idioten, der diese in die Luft schiessen wollte, drei Finger ab. Umstehende erlitten schwere Verbrennungen und Hörstürze. Ancillo Canepa war ganz schön frustriert und benützte Wörter, die man normalerweise nicht der Öffentlichkeit anvertraut. Dabei darf aber nicht vergessen werden, dass sich auch der FCZ-Präsident bisher nicht besonders ins Zeug legte um die Gewalt einzudämmen.

Man darf nun gespannt sein, ob man sich in der Schweiz endlich aufrafft und Massnahmen gegen die Gewalt in den Stadien ergreift oder ob man sich empört um danach nichts zu tun. Ancillo Canepa verkündete, dass für das Auswärtsspiel gegen Sporting Lissabon keine Tickets verkauft werden. Die FCZ-Fans sollen gefälligst zu Hause bleiben. Es wird wohl die einzige Massnahme gegen Gewalt bleiben. Auf zu den nächsten Ausschreitungen. Und dann werden sich wieder alle empören und sich einig sein, das es so nicht weitergehen kann.
Foto Mitte: Blick auf das winterliche Zürich (Marco Bertram)

> zu den turus-Fotostrecken: Stadien, Fußballfans, Ultras & Pyrotechnik

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