Nach der Aufstiegseuphorie kam die harte Landung. Die Fans des 1. FC Lokomotive Leipzig durchlebten bisher eine nicht gerade erquickende Regionalliga-Saison. Schnell war die prächtige Laune vom Spiel bei Fortuna Chemnitz am Ende der vergangenen Oberligaspielzeit hinfort. Grund zum Jubeln gab es zuletzt selten, Tiefpunkt war die 0:5-Klatsche gegen das Kellerkind 1. FC Union Berlin II. Keine Frage, in Probstheida hing der Haussegen schief. Hinzu kamen die 17 jüngst verhängten Stadionverbote, die sowohl daheim im Bruno-Plache-Stadion als auch bei Auswärtsspielen des 1. FC Lok gelten.
3:0 beim Ostklassiker: Lok Leipzig schlägt den 1. FC Magdeburg
So war bereits im Vorfeld des Ost-Klassikers gegen den 1. FC Magdeburg klar, dass es keine so prächtige Kulisse wie beim Derby gegen RB Leipzig geben würde. Waren es gegen die Roten Bullen sage und schreibe 24.795 Zuschauer (unter ihnen rund 13.000 in Blau-Gelb), so hoffte man nun – nicht zuletzt auf Grund der zahlreich anreisenden FCM-Fans – auf zumindest 5.000 Zuschauer, die das einstige Leipziger Zentralstadion mit Leben füllen. Und dann das! Das Kellerkind konnte den Mit-Aufstiegsfavoriten aus der Börde mit 3:0 bezwingenn! Tiefes, ganz tiefes Aufatmen bei der Loksche. Doch alles der Reihe nach.
Leipzig Hauptbahnhof gegen 9 Uhr. Während in Berlin ganz normal der Arbeit nachgegangen werden muss, ist in Sachsen Feiertag. Die Stadt schlummert noch, nur einige Reisende laufen die Bahnsteige entlang. Zwei Anhänger der SG Dynamo Dresden steigen um. Ihr Ziel: Hannover. Ein kurzes „Dyyyynaaamo“, dann herrscht wieder Ruhe auf dem passablen Kopfbahnhof. Zwei Tassen Kaffee später. Gegen 11 Uhr ergibt sich bereits ein anderes Bild. Zwar herrscht noch immer Ruhe, doch ist diese extrem angespannt. Zahlreiche Polizisten patroullieren und nehmen vor einem Gleis Aufstellung. Während der Sonderzug aus Magdeburg am Bahnhof Leipzig-Messe enden wird, treffen die mit dem regulär fahrenden Nahverkehrszug reisenden FCM-Fans am Hauptbahnhof ein.
Alles was nach Lok-Fan aussieht, wird aus der Bahnhofshalle gebeten. Weg frei für die Magdeburger Jungs. Und in der Tat, gegen 11:15 trifft ein stattlicher Magdeburger Mob ein. Mit Polizeibegleitung geht es in Richtung Seitenausgang, vor dem einige Shuttle-Busse bereit stehen. Und nicht nur das. Das Terrain vor dem Seitenflügel ist überflutet von Polizeifahrzeugen und deren Besatzungen. Lok gegen Magdeburg? Die Polizei möchte nichts anbrennen lassen. Recht bereitwillig lässt sich die kernige Reisegruppe in die Busse verfrachten, die dann auch recht fix in Richtung Stadion düsen.
12 Uhr. Stelldichein vor der Red-Bull-Arena, die einst den klangvollen Namen Zentralstadion besaß. Auf Heimseite wirkte noch immer alles verschlafen. Nur wenig deutete darauf hin, dass vom Namen her ein echter Kracher auf dem Programm stand. Richtig was los war im Prinzip erst, als die beiden Mannschaften auf den grünen Rasen marschierten. Das Geschehen hinter den Toren konnte sich akustisch und optisch hören und sehen lassen – mit leichten Vorteilen auf Gästeseite. Der Anblick in der Arena - knapp 5.300 Fußballfreunde fanden den Weg - war etwas kurios. Zwei knackige Fanblöcke – der Rest war tote Hose. Ein paar Zuschauer auf der Haupttribüne, die Gegengerade blieb komplett geschlossen. Die Fans taten auf beiden Seiten das einzig richtige. Kompakt stehen und geschlossen die jeweilige Mannschaft anfeuern. Ein wenig erinnerte das Szenario an die Stadionverhältnisse auf dem Balkan.
„L – O – K!“, ertönte es auf der einen Seite. „Hier regiert der FCM!“, auf der anderen Seite. Dazu ein kraftvolles „Leipzig und Halle, Fußballkrawalle!“ Apropos Halle. Die Freundschaft zwischen den Ultras von Lok und dem HFC war unübersehbar und bildete die Basis für den heutigen Support. Auch auf dem Rasen ging es sogleich flott zur Sache. Die Gastgeber wollten die letzten drei Niederlagen in Folge zu den Akten legen, gegen den Favoriten aus Sachsen-Anhalt sollte wieder eine andere Loksche Dampf machen. Gesagt, getan, in der elften Minute wurde ein Schuss von Alexis Theodosiadis zur Ecke geklärt. Der Heimblock kam jetzt noch mehr in Schwung. Die verbale Antwort aus dem Gästeblock, die eigentlich eine Frage war: „Welche Hure, welcher Bock erschuf den 1. FC Lok?!“
Zeitgleich kam Lok zur nächsten guten Möglichkeit. Markus Krug spielte prima Christoph Schulz an, doch dieser befand sich im Abseits. Allein diese Aktion zeigte bereits, dass an diesem Mittwochnachmittag mit den Leipzigern zu rechnen war. Während jedoch Lok anfangs häufig mit der Brechstange agierte, zeigten die Magdeburger den technisch besseren Fußball. Allerdings nutzte dies vor dem gegnerischen Gehäuse nicht allzu viel, denn am heutigen Tage fehlte es an Präzision und Durchschlagskraft. In der 17. Minute hätte es für Magdeburg klingeln müssen, doch Tobias Friebertshäuser schoss aus dem Gewühle heraus über die Latte. Im direkten Gegenzug war Lok brandgefährlich, ein scharfer Schuss von Theodosiadis ging knapp am rechten Pfosten vorbei.
Es blieb weiterhin eine offene Partie, in der die Hausherren erstaunlich gut mithalten konnten. Und nicht nur das! Unmittelbar vor dem Pausenpfiff hämmerte Patrick Grandner der Ball zum 1:0 in die Magdeburger Maschen. Ein Urschrei im Leipziger Fanblock. Die Erleichterung bei den Lok-Spielern und Fans war bis in die letzten Winkel des Stadions zu spüren. Vom Pausentee kehrten beide Mannschaften überpünktlich auf den Platz zurück. Zur Sache! Für neutrale Besucher – wenn gleich diese wohl kaum auf den Rängen anzutreffen waren – erschien dieser Spielverlauf optimal. Es musste etwas geschehen. Magdeburg musste nun kommen. Diese Partie konnte einfach nicht dahin plätschern, so viel war klar.
Und richtig! Es war Pfeffer im Spiel. Auf dem Rasen und auf den Rängen. „Tod und Hass dem FCM“, skandierte der Leipziger Block. Als Antwort detonierte ein Böller. Richtig rasant wurde es, als in der 67. Minute Steve Rolleder hart in den Magdeburger Keeper Matthias Tischer holzte. Glatt Rot für den Lok-Spieler. In Unterzahl musste nun die Sache gedeichselt werden. Ein paar Magdeburger Fans zerrissen sogleich provokativ einen gelb-blauen Stoff und warfen diesen verächtlich in den Innenraum. Kurz darauf hatte Magdeburgs Marco Kurth eine prima Möglichkeit, die jedoch nicht verwertet werden konnte. Im gleichen Atemzug zeigte der Leipziger Anhang drei Spruchbänder: „Man macht uns zu Verbrechern, zu finsteren Gestalten. Doch selbst wenn Lok Leipzig fällt, werden wir die Stellung halten! Scenario Lok!“
Während im Lok-Block eine Uffta zum Besten gegeben wurde, hatte der zuvor eingewechselte Fabian Burdenski die Möglichkeit für Magdeburg den Ausgleich zu erzielen. Besser machte es Albert Spahiu, der in der 81. Minute nach einer Ecke mit dem Kopf ins Schwarze traf. 2:0 für Lokomotive Leipzig. Der Magdeburger Anhang gab nun das Spiel verloren. Es detonierten noch zwei Böller, etwas unmotiviert wurde ein lilafarbener Rauchtopf gezündet. Große Frustattacken blieben jedoch im Gästeblock aus, dafür war der bisherige Saisonverlauf – vor allem in Anbetracht der zurückliegenden grottenschlechten Spielzeit – dann doch zu gut. In der Nachspielzeit erzielten die Hausherren per Strafstoß sogar noch das 3:0.
Wer hätte nach dem 0:5-Debakel gegen die U23 von Union Berlin und der 1:3-Niederlage in Neustrelitz gedacht, dass diese Mannschaft gegen Magdeburg etwas reißen könnte? Sei wie es sei. Nach den Wochen der Tristesse könnte nun wieder eine hoffnungsvollere Zeit folgen. Und dann würden auch wieder mehr Zuschauer zu den Heimspielen (zuletzt nur 2.500 gegen den FCU II) ins Bruno-Plache-Stadion kommen. Die Möglichkeit dazu gibt es bereits am 10. November, wenn Optik Rathenow seine Visitenkarte abgibt.
Und die Magdeburger? Nach dem derben Schock werden sie fix ins Training finden müssen, denn am Sonntag, den 11. November trifft der FCM daheim wieder auf eine Leipziger Mannschaft. Genauer gesagt auf den Tabellenführer RB Leipzig, der derzeit in der Regionalliga Nordost sportlich das Maß aller Dinge ist. Sollten die Roten Bullen am kommenden Wochenende in Torgelow patzen, könnte Magdeburg im direkten Duell im Fall eines Sieges auf zwei Punkte herankommen.
Fotos: Marco Bertram
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