Als ich mich vor etwa einem Jahr mit Markus Zschiesche unterhielt, sah es gut aus für seinen Verein Torgelower SV Greif (TSV). Die Mannschaft spielte eine ansprechende Rolle in der Oberliga Nordost und war auf dem Sprung in die neue Regionalliga Nordost. Zschiesche war einer der erfahrenen Spieler im Team, hatte unter anderem zwischen 2006 und 2008 fast 50 Regionalligaspiele bei Union Berlin absolviert. Er blickte wohlwollend auf seine Zeit in Köpenick zurück und in seiner Stimme lag etwas Bedauern. Gerne wäre er weiter Teil der Erfolgsgeschichte gewesen, die die Berliner am Ende in Liga zwei katapultierte. Aber er konnte nicht mehr an seine Leistungsgrenze gehen, die neu gegründete Familie hatte Vorrang.
1. FC Union Berlin II vs. Torgelower SV Greif: Gestutzte Flügel bei den Nordlichtern
Nach einigen Wechseln schloss er sich schließlich 2010 den Greifen an und war hoch motiviert, als erfahrener Spieler etwas im Mecklenburgischen mit aufzubauen. Er nannte den Club „klein aber fein“: ambitioniertes Arbeiten, aber ohne finanzielles Risiko. Aus diesem Grund verzichtete der TSV nach der Saison 2010/11 trotz Meisterschaft auch auf den Aufstieg in die Regionalliga Nord. Als wir miteinander sprachen war die Enttäuschung darüber aber bereits verflogen. Die neue Regionalliga Nordost erschien dem Verein realistischer, daher wurde nach vielen soliden Oberligajahren der Aufstieg als Ziel erklärt.
Stolz berichtete Zschiesche damals über die Besonderheiten seines Clubs: um Talente in der Stadt zu halten arbeitete der Verein mit seinen Sponsoren Hand in Hand. Die Unternehmen boten den jungen Spielern Ausbildungsplätze an und stellten sie zudem für das Training tagsüber frei – keine Selbstverständlichkeit. Die Jungs konnten ihrer Leidenschaft nachgehen, sich aber gleichzeitig ein zweites Standbein aufbauen. Auch den Berlin-Pendlern, zu denen Zschiesche zählt, kam der Verein entgegen indem er Unterkünfte zur Verfügung stellte. So kann Zschiesche noch heute mit seiner Frau und seinen zwei Kindern in Berlin wohnen, muss aber nicht jeden Tag die etwa 150km von Berlin nach Torgelow auf sich nehmen. In der Meisterschaftssaison 2010/11 gab es für ihn ein Wiedersehen mit den Eisernen bzw. mit deren frisch aufgestiegener U23. Gemeinsam mit den jungen Unionern traten die Greifen dann schließlich wie geplant in der letzten Saison die Reise in die Regionalliga an.
Während Union als Zweiter automatisch qualifiziert war, musste Torgelow als Tabellenfünfter gegen den achten der Südstaffel, Fortuna Chemnitz, antreten und setzte sich erst nach Verlängerung des zweiten Relegationsspiels durch. Damit erreichte Torgelow als letzter die neue Liga. Und es sieht so aus, als wären die Greifen die ersten, die sie wieder verlassen müssen. Denn nach bislang nur einem Sieg und drei Remis stehen sie mit gestutzten Flügeln abgeschlagen am Tabellenende. Trotz eines großen Punkteabstands ist Unions U23 aber ebenfalls mitten im Abstiegskampf. Nachdem die Berliner zuletzt gegen direkte Konkurrenten Federn lassen mussten (1:4 bei Cottbus II und 0:1 gegen Lok Leipzig), war heute ein Sieg im heimischen Friedrich-Ludwig-Jahnsportpark Pflicht.
Doch die Greifen waren keine leichte Beute und entblößten zu Beginn mehrfach die wackelige Defensive der Berliner. Mitten in dieser Phase der Unsicherheit erzielte jedoch Felipe Gallegos in Minute 28 das 1:0 für Union – eine Erlösung für den lange verletzten chilenischen Youngster, der zu Beginn dieser Saison eigentlich zur Verstärkung des Mittelfelds in Liga 2 gedacht war. Die jungen Unioner blieben am Drücker, zur Halbzeit stand es daher verdient 1:0.
Von den 132 Zuschauern – darunter etwa 30 Gäste der Kategorie F (Family & Friends) – war nur das übliche Gemurmel zu vernehmen, lauter hallten da die Schreie der Spieler auf den Rängen und in der gespenstisch leeren Gegengerade des Jahnsportparks wider. Und als sich im zweiten Durchgang wechselseitig die Torhüter an ihren Torpfosten das Erdreich vom Schuh klopften, klang es laut metallisch wie Morse-Code im weiten Rund. Jubeln konnten dann nach erneut defensiv nachlässiger Phase noch zweimal die Union-Fans: Gallegos, der sonst eher zögerlich und ungenau passte, erzielte immerhin effizient seinen zweiten Treffer des Tages und auch Ricky Okai Djan traf bereits zum dritten Mal im dritten Spiel in Folge. Torgelow gab nicht auf und kam noch zum Ehrentreffer, nachdem sich der eingewechselte Djibril N’Diaye acht Minuten vor Schluss kraftvoll im Strafraum durchsetzte.
Als ich mich nach dem heutigen Spiel erneut mit Markus Zschiesche unterhalte, ist seine Stimmung deutlich getrübter als noch vor einem Jahr. Durch einen Umbruch in der Mannschaft zu Beginn der Saison (u.a. sind auch nicht mehr alle Azubis an Bord) hat der TSV seiner Ansicht nach deutlich an Spielstärke verloren. Und nach der achten Niederlage in Folge fällt es schwer, Mut und Motivation zu schöpfen. Aber aufgeben werden er und seine Greifen nicht. Vielleicht gelingt ja am Samstag eine Überraschung beim Tabellenführer in Leipzig. Unions „Zweete“ ist am Sonntag erneut Gastgeber im Prenzlauer Berg. Gegner ist dann die Mannschaft von Germania Halberstadt.
Da es sich heute um ein Nachholspiel handelte, dauert es auch nicht mehr lange bis zum Rückspiel: Unions Nachwuchskicker reisen Ende Mai in den Norden und einem jeden sei ans Herz gelegt, es ihnen bei einem Heimspiel des TSV bei schönem Wetter gleichzutun. Die Gegend lässt sich sehr gut mit dem Fahrrad erkunden: der Berlin-Usedom Radweg führt direkt durch Torgelow und weiter nach Ueckermünde an die ersten Ausläufer des Bodden. Vor dem Spiel lockt also eine Entdeckungstour, zur Belohnung gibt es dann ein lauschiges von Wald umrahmtes Stadion. Und bis zum Ende dieser Saison auch noch Regionalliga.
Fotos: Felix Natschinski
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