Windige unüberdachte Fankurven wurden im Winter zum Härtetest. Kuttenträger prägten noch die Fanszenen. Wattenscheid und Uerdingen spielten noch eine Rolle in Fußballdeutschland. Eine ermäßigte Stehplatzkarte kostete in Köln und Dortmund fünf Deutsche Mark. Bengalische Fackeln gehörten auf dem Betzenberg und im Westfalenstadion zum festen Programm. Den Begriff „Ultrà“ kannte man nur vom Hörensagen aus Italien. Der große Zuschauerboom stand noch kurz bevor. Kurzum: Wir sprechen vom Fußball Anfang der 90er Jahre.
Bevor die Ultras und Arenen kamen: Fußball Anfang der 90er Jahre
HotUnd siehe da, während ich in mein erstes Ausbildungslehrjahr bei der EBAG stolperte, spielte Hertha BSC in der 1. Bundesliga. 1990/91 war die alte Dame mit dabei in der obersten Etage. Pünktlich zur deutschen Einheit. Problem war nur, dass diese Hertha grottenschlecht spielte und gleich wieder abstieg. Mein erstes Fußballspiel überhaupt war ein Schülerländerspiel zwischen Deutschland und England, das im Frühjahr 1990 mit 0:4 ausging. 70.000 Zuschauer sahen diese Partie im Berliner Olympiastadion. Ganze Schulklassen wurden zu diesem Spiel mit der S-Bahn hingekarrt. Der Eintritt war frei. Die Kulisse war großartig. Das Spiel war einseitig. Und ja: Die englischen Schüler waren allesamt einen Kopf größer.
Mein erstes Spiel bei Hertha BSC sollte bald folgen. Ich wählte als Premiere ein Freundschaftsspiel gegen eine Weltauswahl. Die Partie wurde an einem Abend im Herbst 1990 ausgetragen. Meine Kumpels in der Ausbildungsklasse schüttelten nur den Kopf und erklärten mich für total bescheuert. Sie fuhren am Wochenende mit dem FC Berlin lieber nach Greifswald und Jena und teilten dort mächtig aus. Wenn ich Bock habe, könne ich mich jederzeit anschließen. Zuletzt in Rostock gab es richtig auf die Fresse. Ich überlegte ernsthaft. Die Angst vor einer zerhauenen Kauleiste überwog jedoch, und somit lehnte ich ab. Lieber zu Hertha und erst einmal schnuppern.
Allein fuhr ich mit der U-Bahn zum Olympiastadion, kaufte mir eine Karte und ging schnurstracks zur Einlasskontrolle. Mein Herz pochte. Es war bereits dunkel und die Flutlichter brannten schon. Der Ordner staunte nicht schlecht, als er an meinem Gürtel ein Messer entdeckte. Im Nachhinein unglaublich, aber ich hatte mir damals einfach keine Platte gemacht. Als 17-jähriger hatte so manch einer eine gewetztes Eisen dabei. Am Besten ein Butterfly-Messer oder ein Jagdmesser, doch niemand war so verrückt und versuchte es mit in ein Stadion zu nehmen. Der Ordner blieb allerdings ganz entspannt und meinte, ich müsste es halt irgendwo draußen verstecken, dann könnte ich es ja nach dem Spiel wieder abholen. Gesagt, getan. Ich legte das große Messer unter einen Busch und deckte es mit Laub zu. Dann ging es hinein ins weite Rund. Keine Ahnung, wie das Spiel ausging. Keine Ahnung, wie viele Zuschauer eigentlich da waren. Zwei Dinge blieben hängen. Valderrama mit Prachtfrisur auf dem grünen Rasen und die Hertha-Hools, die auf dem Oberrang neben der Anzeigetafel ordentlich Rabatz machten.
Die große Fußballbühne gab es für mich ab September 1991. Ich zog ins Rheinland, um dort bei der Bayer AG in Leverkusen meine Ausbildung fortzusetzen. Damals hatten große westdeutsche Konzerne noch junge Leute abgeworben und an den Rhein oder Main gelockt. Der Bedarf an talentierten Nachwuchskräften in den Firmen war groß. Zig tausende junge Menschen siedelten von Ost nach West über, um dort einen beruflichen Neuanfang zu starten.
Bereits am dritten Tag meines Aufenthaltes im Rheinland besuchte ich das erste Fußballspiel. Es war ein Traumstart. Das DFB-Pokalspiel TSV Bayer 04 Leverkusen vs. 1. FC Köln stand auf dem Programm. Ich war begeistert, auch wenn ich mich ausversehen mit frisch gekauftem Bayer-Schal im Gästeblock wieder fand. Volle Hütte, tolle Stimmung. Ein spannendes Spiel, das 2:0 für Bayer ausging. Und für Action war auch gesorgt. Im damaligen H-Block rumorte es mächtig. Aufgebrachte Kölner Hooligans randalierten und zündeten eine Wurstbude an. Auf dem Heimweg wurde ich an einer Tankstelle von Kölner Fans gejagt. Im Laufschritt die Flucht angetreten. Willkommen im neuen Leben. Ich war wahrlich Feuer und Flamme.
Das nächste Bundesligaspiel war ein herber Rückschlag. Beim Spiel Bayer Leverkusen vs. Fortuna Düsseldorf waren nur 11.000 Zuschauer im Ulrich-Haberland-Stadion. Ich war ein wenig schockiert, dachte ich doch, die Post würde immer so abgehen wie beim Pokalfight wenige Tage zuvor. Trotzdem, das Fußballfieber hatte mich gepackt. Ausbildung in Leverkusen - da lag es nahe, auch zu den Heimspielen von Bayer 04 zu gehen. Mit neuen Kumpels ging es voller Enthusiasmus in den C-Block. Mit Schal und Fahne. Als Fahnenstock diente damals ein gekürzter massiver Besenstiel. Heutzutage würde man mit diesem Knüppel in kein einziges Stadion kommen. Damals jedoch scherte sich kein Ordner drum.
Die Stadien waren Anfang der 90er Jahre selten permanent ausverkauft. Auf den Zäunen saßen keine Typen, die Fangesänge anstimmten. Den Begriff "Ultrà" kannte man im Prinzip nur vom Hörensagen aus Italien. Rauchbomben und Bengalische Fackeln waren vielerorts zu sehen. Bei Bayer 04 war indes alles eine Nummer kleiner. Mit einer Bengalischen Fackel wäre man dort auch damals schon aus dem Stadion geflogen, doch ein bisschen Kleinkram hatten wir selbstverständlich immer mit dabei im Block C. Großartig in die Jackentaschen hatte kaum ein Ordner geschaut.
Restbestände von der zurückliegenden Silvesterparty nahmen meine Kumpels und ich häufig mit ins Stadion. Kleine Lichter, Chinaböller, Wunderkerzen und auch mal einen Goldregen. Einmal hatte sich der ganze Kram sogar in der Jackentasche entzündet. Mitten im Block. Wir kamen aus dem Lachen gar nicht mehr heraus. Alles halb so wild. Nicht wirklich liefen wir damals mit stylischen Klamotten zum Fußball. Da hinter einem immer mal ein Bier geworfen oder etwas gezündet wurde, hatten meine Kumpels und ich nicht das beste Zeug an. Zudem reichte das Ausbildungsgehalt nicht für den Gang ins nächste Diesel-Geschäft.
Ein Jahr lang schaute ich mir so gut wie jedes Heimspiel von Bayer 04 Leverkusen an und auch auswärts war ich bei dem einen oder anderen Spiel dabei. Erschreckend waren teilweise die mageren Zuschauerzahlen. Gegen die Stuttgarter Kickers und die SG Wattenscheid 09 kamen gerade einmal knapp über 8.000 Fans ins Ulrich-Haberland-Stadion. Waren Borussia Dortmund, der FC Schalke 04 oder der FC Bayern München zu Gast, handelte es sich um lupenreine Heimspiele für den Gegner. Die Stimmgewalt der Gästefans war bei jenen Spielen immer eine echte Wucht. Schalker, Dortmunder und Bayern füllten die Eckblöcke A und G und den flachen unüberdachten H-Block. Zudem saßen noch etliche Gästefans auf den Tribünen West und Ost. Der C-Block mit seinen 2.500 Bayer-Fans hatte bei jenen Partien kaum eine Chance gegen diese Übermacht anzukommen.
Bei Auswärtsspielen in NRW wurde für die Bayer-Fans meist ein Sonderzug der Deutschen Bundesbahn eingerichtet. Ein Fahrt nach Mönchengladbach dauerte mit solch einem Sonderzug gefühlte vier Stunden. Vielleicht war dies auch der Grund, weshalb Anfang der 90er Jahre nach Gladbach stets wenige Leverkusener Anhänger fuhren. Auf der steilen Gästetribüne des Bökelbergs verloren sich meist rund 500 bis 700 Fans. Stand man mittendrin, fühlte sich alles noch akzeptabel an. Ging man mal aufs Klo und schaute sich das Ganze aus der Distanz an, wurde einem das Desaster bewusst. Ein grandioses Erlebnis war Mönchengladbach trotzdem immer wieder. Die steilen Ränge, der Nieselregen, der im Winter richtig unangenehm werden konnte, die Stimmung auf Seiten der Borussia-Fans. Der Bökelberg war einfach Kult.
Auf dem Rückweg zum Bahnhof gab es jedoch immer wieder Probleme mit der Polizei. Stets genügten Belanglosigkeiten, damit die polizeilichen Einsatzkräfte den Gummiknüppel schwingen konnten. Wie Vieh wurde man in Richtung Bahnhof getrieben. Mit übertriebener Härte bekam ich grundlos auf dem Rücken den Knüppel zu spüren. Fast wäre ich vor Wut ausgerastet. Ich beschimpfte die behelmten Einsatzkräfte und meinte, sie sollen mal am 1. Mai nach Berlin kommen. Dann würde es für sie richtig auf die Fresse geben. In der Tat, Mönchengladbach und Bochum waren Anfang der 90er Jahre berüchtigt für seine tatenfreudige Polizei. Nicht ohne Grund erhielt damals die Bochumer Polizei den „Goldenen Schlagstock“ als Auszeichnung.
In der Saison 1991/92 sah ich im Ulrich-Haberland-Stadion auch den F.C. Hansa Rostock und den 1. FC Dynamo Dresden auflaufen. Der Gästeblock war nur mäßig gefüllt. Damals wurden die Fußballfans aus dem Osten eher belächelt. Beim Spiel Bayer 04 Leverkusen vs. Hansa Rostock waren auch ein paar Hooligans des BFC Dynamo zu Gast. Gemeinsam mit Leverkusener Hools verfolgten sie von der Sitzplatztribüne D aus das Spiel. Freundschaftlich verhöhnte man gemeinsam die Rostocker. Die Fans im C-Block sahen das Treiben nebenan nicht allzu gern und riefen "Wir wollen keine Hooligans!" Ich enthielt mich der Stimme und feierte innerlich ab. Zudem war ich über die Berliner Gestalten erstaunt, die als Männerchor einen kräftigen Gesang anstimmten und fast den gesamten C-Block übertönten.
Am Ende unser ersten Saison 1991/92 wurde meinem besten Kumpel Karsten und mir klar, dass der Fußballhorizont erweitert werden musste. Das Fußballleben konnte schließlich nicht nur aus Bayer 04 bestehen. NRW bot eine pralle Palette, man musste sich nur bedienen. Die Eintrittspreise für die Stehblöcke waren äußerst moderat und ausverkauft waren eigentlich nur die Derbys und Spitzenspiele. Der eigentliche Zuschauerboom setzte in der Bundesliga erst wenig später ein. Die Preise für die Stehblöcke waren überall ähnlich niedrig. Ermäßigt bekam man in der Regel ein Tickt für acht Deutsche Mark. In Leverkusen, Dortmund und auf Schalke. Top-Zuschläge kannte man damals noch nicht. In Köln waren die Eintrittskarten gleichzeitig Fahrausweise für den Verkehrsverbund VRS, auf Schalke und in Dortmund für die VRR. Ein komplettes Fußball-Wochenende kostete somit wahrlich kein Vermögen.
Am 04. April 1992 war der TSV Bayer 04 Leverkusen zu Gast beim 1. FC Köln im Müngersdorfer Stadion. Erstes Anschnuppern auf dem dortigen Terrain. Sage und schreibe schlappe fünf DM kostete der ermäßigte Eintritt für den Block 39. Schätzungsweise 1.500 Bayer-Fans waren vor Ort. Nein, von einem richtigen Kracher-Derby (wie das gegen Mönchengladbach), das die Massen wie ein Magnet anzieht, konnte man damals weiß Gott nicht reden. Auch auf Kölner Seite hielt sich das Interesse für das Duell gegen Leverkusen stark in Grenzen. Gerade einmal 22.000 Zuschauer verloren sich in der weiten Betonschüssel. Ein beeindruckendes Erlebnis war das Spiel, das am Ende leistungsgerecht 1:1 ausging, trotzdem. Schräg über der Gästekurve machten sich die Kölner Hools im berühmten Block 38 lautstark bemerkbar und stimmten Kölsche Lieder an. Im Vergleich zu den kernigen Kölner Jungs auf dem Oberrang klang zu jener Zeit der eigentliche Fanblock in der Südkurve eher wie ein Knabenchor.
Oh ja, Köln machte Lust auf mehr und somit war ich kurze Zeit später wieder vor Ort bei den Geißböcken. Gegen den F.C. Hansa Rostock stellte ich mich wieder kurzerhand in die überaus geräumige Gästekurve. Warum? Das hatte zwei Gründe. Zum einen wollte ich mir mal anschauen, wer von der Ostsee alles mitkam, zum anderen hätte ich mich kaum in die Südkurve oder den 38er Block stellen können. Ein Sitzplatz war allein unter finanzieller Gesichtspunkten ausgeschlossen. Also Gästeblock in Köln - und das in den kommenden vier Jahren etliche Male. Dort bekam ich zu sehen, was die deutschen Fanszenen zu jener Zeit zu bieten hatten. Angefangen bei Borussia Mönchengladbach und dem FC Schalke 04 über Borussia Dortmund und den 1. FC Nürnberg bis hin zum Hamburger SV, dem VfB Leipzig, dem 1. FC Dynamo Dresden (damals nicht als SG am Start) und dem F.C. Hansa Rostock.
Nicht allzu viele Rostocker Fans hatten den weiten Weg nach Köln-Müngersdorf auf sich genommen. Neben den Normalos befanden sich wahrlich etliche schräge Gestalten im Block. Manch ein Rostocker mit Kutte sahen dermaßen müde, abgekämpft und fertig aus, dass man ihnen automatisch aus Mitleid den Sieg in Köln gönnte. Trotz des Kölner Mobs auf dem Oberrang waren einige Hansa-Fans ziemlich schmerzfrei und provozierten, was das Zeug hielt. Ein besoffener Mittvierziger in kompletter Jeans-Montur zog kurzerhand seine Hose runter und zeigte den Kölnern im Block 38 sein Prachtstück. Immer wieder ließ er mit offener Buchse seinen Pimmel baumeln und zeigte den Stinkefinger. Schön und gut, ich amüsierte mich prächtig, doch breitete sich in der Magengegend ein ungutes Gefühl aus. Das konnte nach Spielschluss nicht gut ausgehen, denn die Kölner Hools gaben eindeutig zu verstehen, dass es später hübsch auf die Nuss geben würde. Wie später zu hören war, hatten wohl einige vor der Südkurve verirrte Rostocker nach dem Spiel massiv aufs Maul bekommen. Zu jenem Zeitpunkt hatte ich mich glücklicherweise längst aus dem Staub gemacht und war über die sogenannte Boxwiese zur Straßenbahn geeilt.
Ein weiteres Schlüsselerlebnis war das Spiel Borussia Dortmund vs. TSV Bayer 04 Leverkusen im Frühjahr 1992. Der BVB 09 kämpfte nach langer Zeit wieder um den Meistertitel mit. Für ebenfalls sagenhafte fünf Deutsche Mark stand ich mit Karsten im Westfalenstadion auf der Nordtribüne im Block 02. Groß war die Überraschung in zweierlei Hinsicht. Erstens: Die rund 1.000 Bayer-Fans fanden sich inmitten von Dortmunder Fans wieder. Einen separaten Gästebereich gab es bei jenem Spiel nicht. Zweitens: Unfassbar, was zu damaligen Zeiten alles auf der Südtribüne abgebrannt wurde. Die Tribüne war ein einziges Fahnen- und Konfetti-Meer, in dem Bengalische Fackeln wie rote Signallichter brannten.
Die Atmosphäre sorgte für Gänsehaut und feuchte Augen. Heja BVB! Als Dortmund in Führung ging, bebte das Stadion. Nein, es bebte nicht nur, es stand Kopf. Wie Statisten standen die Leverkusener Fans auf der Nordtribüne inmitten der brodelnden Masse. Und auch ich war ein Statist und konnte nur staunen, was vor allem gegenüber auf der Südtribüne abging. Bayer 04 verlor sang- und klanglos mit 1:3 und verspielte somit die eigenen Meisterschaftschancen. Der Frust war bei manch einem Bayer-Fan groß. Direkt neben mir schlug ein junger Fan seinem Fußball-Kumpel, der „Johnnie Walker“ genannt wurde und Nickelbrille trug, mitten zwischen die Hörner. Verdutzt sackte der Getroffene auf die Stufen und richtete seine Sehhilfe. Ohne Worte.
Auf nach Nürnberg! Freitagabendspiel im Frankenstadion. Beim damaligen Fanbetreuer Peter Bode reservierten Karsten und ich zwei Plätze in einem Reisebus. Wir hatten Glück. Unser Bus fuhr. Der andere versprochene Bus kam nicht. Etliche Bayer-Fans blieben somit im Morgengrauen auf dem Parkplatz vor der Wilhelm-Dopatka-Halle zurück. Der Bus war wohl das älteste Modell, das aufgetrieben werden konnte. Hammer! Es fehlte sogar die hintere Scheibe! Das klaffende Loch wurde kurzerhand mit einem Transparent zugehängt. Der Alkohol floss in Strömen, Kilometer für Kilometer näherten wir uns dem Frankenland. Abends gab es noch eine Überraschung. Auch im Frankenstadion gab es für die Leverkusener keinen eigenen Gästebereich. Mitten unter Club-Fans mussten die wenigen angereisten Rheinländer das Spiel verfolgen und mit ansehen, wie der 1. FC Nürnberg verdient mit 1:0 gewann. Für heutige Verhältnisse waren die damaligen Zustände im Frankenstadion unvorstellbar. Als Gästefan - wenn gleich es nur rund 100 waren - wurde man von all den FCN-Fans dermaßen eingedrängt, dass man kaum das Spiel auf dem Rasen verfolgen konnte, zumal wir erst wenige Minuten vor Anpfiff hineingelassen wurden.
Nun kann man es drehen und wenden, wie man möchte. Niemand wünscht sich ein nasskaltes Wedaustadion mit Rundlaufbahn und einen „Kärcher“ quakenden Stadionsprecher zurück, doch mit dem Bau all der modernen Fußballtempel ging auch etwas verloren, das man in der 1. Bundesliga nicht mehr finden kann. Jeder ahnt, was ich meine. Und auch ich weiß nicht, wie man es konkret in Worte fassen soll. Vielleicht hatte man es einfach nur geliebt, sich ein wenig in nasskalten, zugigen Stadien zu quälen. Sicherlich ist man auch einfach nur traurig, weil man weiß, dass diese Zeit nie wieder zurückkehren wird.
Ohne Dach und somit der Witterung komplett ausgesetzt stand man als Fan in zahlreichen Bundesliga-Stadien in den Kurven. Im Frankfurter Waldstadion, im Hamburger Volksparkstadion, im Münchener Olympiastadion, im Gelsenkirchener Parkstadion, im Karlsruher Wildparkstadion, im Duisburger Wedaustadion. Komplett überdachte Fußballstadion ohne Rundlaufbahn waren Anfang der 90er Jahre noch eher die Ausnahme. Das Ulrich-Haberland-Stadion in Leverkusen, das Westfalenstadion in Dortmund, das Ruhrstadion in Bochum und das Fritz-Walter-Stadion in Kaiserslautern waren bereits damals die Spielstätten mit kompletter Überdachung und Tribünen direkt am Spielfeldrand. Mischformen gab es natürlich auch einige. Der Bökelberg in Mönchengladbach hatte keine Rundlaufbahn, aber eben auch nur ein Dach auf der Haupttribüne. Das Müngersdorfer Stadion in Köln war zwar komplett überdacht, hatte aber eine extrem stimmungsfeindliche Rundlaufbahn.
Kein Genuss war es Anfang und Mitte der 90er Jahre die Heimspiele von Hertha BSC im Berliner Olympiastadion zu besuchen. Überdacht waren nur die Seiten. Die Kurven waren den Witterungsverhältnissen schutzlos ausgeliefert und zu manch einer Zweitliga-Begegnung verloren sich nur 6.000 Zuschauer im weiten Rund. Manchmal waren es sogar noch weniger. Gegen die SpVgg Unterhaching, den VfL Wolfsburg, Hannover 96 und Co sah ich manch ein Spiel und sehnte mir bessere Zeiten herbei. Das Kurioseste, was ich mit Hertha in jener Zeit erlebt hatte, war das Auswärtsspiel beim FC Remscheid. Der Gästeblock war einfach nur eine aufgeweichte, abschüssige Rasenfläche, auf der die paar hundert Berliner Fans kaum Halt finden konnten. Auch dieses Spiel wurde verloren. Wie sollte es auch anders sein?!
Mit der Alten Dame war ich zu jener Zeit auch bei Fortuna Düsseldorf zu Gast. Im alten Rheinstadion verloren sich ein paar tausend Zuschauer. In der Betonschüssel stand ich mit im Gästeblock schräg hinter dem Tor. Was sich damals im Gästebereich tummelte, war unglaublich. Vor Ort waren ein paar hundert Unentwegte, die immer und überall hinreisten. Zahlreiche typische Kuttenträger und zudem ein paar Kerle, die völlig fertig waren. Die Fahrt von Berlin ins Rheinland war lang und somit war der Alkoholpegel im Allgemeinen bedenklich hoch. Das „Ha Ho He!“ wurde von manch nur noch gelallt. Direkt hinter mir ließ es ein schwankender Kuttenträger im mittleren Alter einfach laufen. Er pinkelte mir mir quasi an die Beine. Gestört hatte das niemanden. Mich schon, ich schämte mich für diese Truppe, die einen erbärmlichen Eindruck machte. Diese Fans, dieser Verein sollten meine Heimatstadt repräsentieren?
In Düsseldorf war ich in der Saison 1992/93 noch ein weiteres Mal, und zwar gegen die Himmelblauen des Chemnitzer FC. Dieses Mal stellte ich mich in den Heimblock, der sich auf dem Oberrang direkt unter dem Dach befand. Die Stimmung im Fortuna-Block war gar nicht übel, im Rest des weiten Runds herrschte gähnende Leere. Das Spiel ging 1:1 aus. Letztendlich stieg Fortuna Düsseldorf sogar ab. Ein Jahr später, am Ende der Saison 1993/94 bot sich die Gelegenheit, in Düsseldorf noch einmal ein Spiel zu besuchen. Die Aufstiegsrunde zur 2. Bundesliga (Gruppe Westfalen) stand an. Zu Gast war Paderborn-Neuhaus und über 16.000 Zuschauer wollten diese Begegnung sehen. Na ging doch, ein echter Lichtstreifen am Horizont.
Die Eintrittspreise wurden bereits in diesem Beitrag thematisiert, doch an dieser Stelle noch ein paar weitere Beispiele, um zu zeigen, wohin die Wege später geführt haben. Die fünf Deutsche Mark beim 1. FC Köln und bei Borussia Dortmund für einen ermäßigten Stehplatz waren selbstverständlich nicht mehr zu unterbieten. Für damalige Verhältnisse tief in die Tasche gegriffen hatte ich für ein Ticket für das Spiel Borussia Dortmund vs. FC Bayern München in der Saison 1992/93. Für einen guten Sitzplatz im Block N drückte ich damals 35 DM ab. Ein Sitzplatz-Ticket kaufte ich auch für das Bundesligaspiel 1. FC Köln vs. FC Schalke 04 in der Saison 1993/94. Für das Plätzchen im Block 18 im Oberrang zahlte ich 25 DM - sprich rund 13 Euro. Andere Beispiele: Für das Länderspiel Deutschland vs. Brasilien am 17. November 1993 zahlte der Fußballfreund für einen Stehplatz in der Südkurve 15 DM. Ein Ticket (Kurve West Oberring) für das DFB-Pokalendspiel 1993 Hertha BSC / Amateure vs. TSV Bayer 04 Leverkusen kostete exakt 20 DM. Ein echter schmaler Taler, wenn man bedenkt, was solche Veranstaltungen in der Gegenwart kosten!
Beim Anblick des Ticket-Haufens auf meinem Schreibtisch frage ich mich, wo es Anfang der 90er Jahre in Fußball-Deutschland wohl besonders interessant war. Dortmund und Kaiserslautern waren damals unbestritten die Stimmungs-Hochburgen. Akustisch und optisch wurde einem dort einiges geboten. Die Heimtribüne brannte häufig wie in Italien und bei guten Spielen beteiligte sich das gesamte Publikum am Support. Leverkusen war bei Spielen gegen Vereine aus NRW, die gut was mitbrachten, durchaus einen Besuch wert. Bochum lockte aufgrund der innerstädtischen Lage und seinen engen, überdachten Tribünen. Dortmunder, Schalker und Gladbacher füllten dort die gesamte Stehtribüne auf der Gästeseite. Das war wirklich ein nettes Szenario, da sich somit zwei gleich große Fanblöcke gegenüber standen. Im Müngersdorfer Stadion in Köln konnten die Gästefans auch eine ganze Kurve füllen. Spiele gegen Dortmund, Schalke 04 und Gladbach waren ein echtes Highlight. Durchschnittsspiele gegen den KSC oder Stuttgart waren dagegen eher bescheiden. Kamen nur um 20.000 Zuschauer in die große Betonschüssel, fühlte sich das Ganze eher trist an. Es sei denn, die Gästefans zogen eine Show ab wie die Rostocker und zogen blank.
Ähnlich verhielt sich das beim FC Schalke 04. Anfang der 90er Jahre war das Parkstadion keineswegs stets gut gefüllt. Selbst gegen den SV Werder Bremen kamen meist zwischen 30.000 und 35.000 Zuschauer. Somit war das 70.000 Zuschauer fassende Rund nur halb gefüllt. Das Parkstadion war sowieso eine Sache für sich. Sprang einmal der Funke über, konnte der Kessel verdammt laut werden. Ging es mau zur Sache und kam noch schlechtes Wetter dazu, war der dortige Besuch nicht wirklich ein Genuss. Überraschenderweise waren Anfang der 90er Jahre meist nicht die Derbys gegen den BVB 09 ein Highlight (zwar volle Hütte, aber nicht selten ein mageres Spiel mit eher durchschnittlicher Stimmung), sondern die Spiele gegen den 1. FC Köln. Ich sah Begegnungen, die waren wirklich knackig. Sowohl auf dem Rasen, als auch auf den Rängen. Unvergessen die von Kölner Hools aufgeschnittenen Zäune am Nikolaustag 1992 und der anschließende Sturm auf die Haupttribüne.
Mit Bayer 04 Leverkusen verschlug es mich in der Saison 1994/95 ins Münchner Olympiastadion. Einmal wollte ich mir selbstverständlich auch diese Spielstätte anschauen. Ich werde wohl kaum jemanden mit der Tatsache überraschen, wenn ich sage, dass dieses weite Stadion alles andere als berauschend war. Kurios war indes die Situation in Bremen, als Anfang der 90er Jahre sämtliche Tribünen überdacht waren und nur die Werder-Fans hinter dem Tor auf ihrer Tribüne unüberdacht im Regen standen. Das ist nun längst Geschichte.
Geschichte ist auch das alte Leipziger Zentralstadion, in dem in der Saison 1993/94 der VfB Leipzig mehr schlecht als recht in der 1. Bundesliga kickte. Einst passten rund 100.000 Zuschauer in Deutschlands größtes Stadion. Anfang der 90er Jahre wurden im maroden Rund nur noch rund 40.000 Zuschauer zugelassen. Voll war die Schüssel, als der VfB Leipzig beim Sachsen-Derby in der 1. Bundesliga gegen den 1. FC Dynamo Dresden spielte. 35.000 Fans wollten das Spiel sehen. Für immer im Gedächtnis wird man wohl das von wüsten Ausschreitungen begleitete 3:3 haben. Auf der einen Seite: Olaf Marschall als Held des Tages. Auf der anderen Seite: Hunderte zertretene Sitzbänke. Das altehrwürdige Zentralstadion als Schlachtfeld.
Fußballerisch betrachtet trist ging es Anfang der 90er in meiner Heimatstadt Berlin zu. Hertha BSC spielte in der 2. Bundesliga und der FC Berlin (BFC Dynamo) und der 1. FC Union Berlin kickten in den Oberligen. Tennis Borussia spielte auch zwischenzeitlich in der 2. Liga und bescherte den Berlinern somit ein Stadtduell. Rund 16.000 Zuschauer wollten die Partie Hertha BSC vs. TeBe in der Saison 1993/94 sehen. Für jenes Spiel bin ich damals extra nach Berlin gefahren. Im Gästeblock waren nur ein paar hundert TeBe-Fans zu sehen. TeBe hatte es nicht geschafft, das Berliner Publikum für sich zu gewinnen. Für einen dritten Fanblock im Olympiastadion sorgten an jenem Nachmittag die Anhänger des 1. FC Union Berlin. Sie protestierten gegen die vom DFB verweigerte Lizenz für die zweite Liga und wollten TeBe zeigen, was sie von diesem Charlottenburger Verein halten.
Mein erstes Heimspiel bei den Eisernen sah ich während eines kurzen Heimataufenthalts am 7. Juni 1992. Ich überredete ein paar Kumpels mitzukommen und besuchte mit ihnen das Relegationsspiel zur 2. Bundesliga gegen den VfL Wolfsburg. Nur noch rund 3.500 Zuschauer wollten diese aus Berliner Sicht unbedeutende Partie sehen. Der Aufstiegszug war für die Eisernen bereits so gut wie abgefahren. Für die Wölfe aus Niedersachsen stand die Tür jedoch sperrangelweit auf. Der amtierende Meister war damals ein absoluter Provinzverein, der nur ein winziges Häufchen Fans mitbrachte. Die kleine Fangruppe mit drei Fahnen und einer Trommel wurde im Stadion An der Alten Försterei einfach mitten unter die Union-Fans auf der Gegengerade gestellt. Die Zustände im Stadion waren von den heutigen wahrlich meilenweit entfernt. Dass sich später sogar noch Anhänger des Erzrivalen BFC Dynamo unter die Heimzuschauer gemischt hatten, setzte diesem Fußballnachmittag ein echtes Krönchen auf
Ein weiterer Verein, der Anfang bis Mitte der 90er Jahre im Oberhaus agierte und später in der Versenkung verschwand, ist der FC Bayer 05 Uerdingen. Gespielt wurde - wie in der Gegenwart als KFC Uerdingen 05 auch - im Grotenburg-Stadion, das Maskottchen war bereits damals der Grotifant und das hässlichste am Stadion war die Anzeigetafel, die nur die Farben grün, rot und orange besaß. Bayer 04 Leverkusen blamierte sich allzu gern beim kleinen Bruderverein und somit war der Ausflug nach Krefeld immer wieder eine grässliche Angelegenheit. In guter Erinnerung blieb indes der 4. Juni 1994. Uerdingen empfing in der 2. Bundesliga die Jungs von Hertha BSC. Mit dem erkämpften 0:0 hatten die Berliner den Klassenerhalt so gut wie sicher. Über 1.000 Hertha-Fans waren damals im Gästeblock zugegen und sorgten für richtig gute Stimmung. Für mich ein neues Hertha-Gefühl, zumal die Wochen zuvor aufgrund der akuten Abstiegsgefahr extrem nervenaufreibend waren.
In der Saison 1993/94 schrammte die Alte Tante Hertha denkbar knapp am Abstieg in die Oberliga vorbei. Zwei Spieltage vor dem Match in Uerdingen unterstützte ich die arg angeschlagene Hertha bei ihrem Auswärtsspiel beim Wuppertaler SV. Im Stadion am Zoo wurden die Weichen gestellt. Auswärtssieg = Hoffnungsschimmer. Niederlage = wohl oder übel der Gang in die Drittklassigkeit. Es war ein Abendspiel unter der Woche und nur wenige Gästefans waren vor Ort. Die Mannschaft von Hertha BSC riss sich am Riemen und gewann nach großem Kampf mit 2:1 beim WSV. Es folgten ein Heimsieg und das besagte Remis bei Bayer 05 Uerdingen. Klassenerhalt. Gott sei Dank. Die Arbeitskollegen hatten bereits Zettelchen für den Fall des Abstieges vorbereitet, die ich dann auf meiner Werkbank vorgefunden hätte.
Zurück zum Thema 1. Bundesliga. Beim VfB Stuttgart schaute ich am 20. Februar 1993 vorbei. Für 8,50 DM kaufte ich ein Ticket für den Block G. Der Gegner: Der Hamburger SV. Das Gottlieb-Daimler-Stadion wurde zu jenem Zeitpunkt für die bevorstehende Leichtathletik-WM umgebaut, somit fand die Partie auf einer halben Baustelle statt. Fast auf den Tag genau nach zehn Jahren reiste ich ein weiteres Mal nach Stuttgart. Am 27. Februar 2003 war Celtic FC zu Gast und zelebrierte mit den tausenden mit angereisten Fans eine grün-weiße Megaparty.
Und Frankfurt? In der Saison 1992/93 war ich mit Bayer 04 Leverkusen zweimal bei der Eintracht im Waldstadion zu Gast. Beim Ligaspiel im Herbst 1992 waren nur wenige Bayer-Fans vor Ort. Wenige Monate später waren es einige tausend Leverkusener, die sich auf den Weg zur Main-Metropole gemacht hatten. Für zehn DM stand man im Block A. Überraschend deutlich mit 3:0 gewann Leverkusen bei der Frankfurter Eintracht und zog somit ins DFB-Pokalfinale ein. Trainer Dragoslav Stepanovic trat anschließend bei der SGE zurück und holte doch noch den Pott, denn er übernahm noch während der Saison den Posten als Trainer bei Bayer 04 und durfte sich somit im Juni 1993 im Berliner Olympiastadion über den Pokalsieg gegen die Amateure von Hertha BSC freuen. Allerdings rührte er den Pokal nicht an und überließ das Abfeiern eher den Spielern und Fans.
Stichwort Bayer 04. Der Werksklub in Leverkusen war in vielen Dingen Mit-Vorreiter. In der Fanszene von Bayer 04 gab es bereits Anfang der 90er Jahre ernsthafte Versuche, eine Ultrà-Bewegung zu schaffen, was letztendlich auch gelang. Und den Verantwortlichen beim Verein wurde schnell klar, dass man sich um den Nachwuchs kümmern muss. Mitte der 90er Jahre wurde in Leverkusen die Family-Street ins Leben gerufen. Den Muff der 80er und Anfang-90er wollte man im Ulrich-Haberland-Stadion - später in BayArena umbenannt - für immer ablegen. Auch dies gelang überraschend schnell.
Zum Abschluss noch ein paar Worte zum Layout der Eintrittskarten, denn diese waren schließlich der eigentliche Aufhänger für diesen ersten ausführlichen 90er-Jahre-Bericht auf turus.net. Auf meinem Schreibtisch liegen hunderte davon auf einem Haufen. Sortiert nach Vereinen und Spielzeiten. Neben dem unterschiedlichen Design der Tickets stelle ich noch ganz andere Dinge fest. Dinge, die bereits völlig in Vergessenheit geraten sind. Erstaunt betrachte ich die Eintrittskarte vom DFB-Pokal-Halbfinale 1993/94. Im Georg-Melches-Stadion traf damals Rot-Weiß-Essen auf Tennis Borussia Berlin. Fast hätte meine Heimatstadt zum zweiten Mal hintereinander eine Mannschaft im Finale gehabt.
Doch darum geht es jetzt nicht. Vielmehr soll das Layout der damaligen Eintrittskarten unter die Lupe genommen werden. Fangen wir beim TSV Bayer 04 an. In der Saison 1991/92 gab es noch kleine schlichte Karten für die Stehblöcke. Die Karten für die Sitztribünen waren etwas größer. An jedem Spieltag hatten die aus Altpapier angefertigten Tickets für die Stehblöcke eine andere Farbe.
Bereits in der Saison 1992/93 gab es völlig andere Eintrittskarten. Die Tickets waren größer, aufwendiger gestaltet und gelb-weiß gehalten. Wieder einen kompletten Designwechsel gab es für die Saison 1993/94. Auch mit dem heutigen Auge sahen diese farbigen Tickets erstaunlich modern aus. Ein Quantensprung zu den Altpapiertickets zwei Jahre zuvor. 1995/96 wurde das Design wieder schlichter, die Tickets wurden quadratischer und ein silbernes Hologramm sorgte für die Sicherheit.
Ähnlich altertümlich und schlicht wie die von Bayer 04 aus der Saison 1991/92 sahen die Tickets von Hertha BSC aus. Der einzige Unterschied: Die Altpapiertickets gab es bis 1998. Selbst in der ersten Bundesligasaison 1997/98 wurden noch die überaus schlichten Eintrittskarten verkauft. Erst 1998/99 gab es die angemessenen farbigen Tickets mit Hologramm des DFB. Der Berliner Konkurrent 1. FC Union hatte bereits ab der Saison 1995/96 ansprechende rot-weiße Tickets für die Regionalliga anfertigen lassen.
Die Eintrittskarten der Bundesligisten konnten Anfang bis Mitte der 90er in Größe und Design unterschiedlicher kaum aussehen. Der Phantasie schien keine Grenzen gesetzt. So waren die Tickets des MSV Duisburg in der Saison 1991/92 sage und schreibe viermal so groß wie die von Borussia Dortmund. Und siehe da: 1992/93 hatte der MSV die gleichen Karten. Statt dem hellgelb gab es ein hellblau. Apropos, dieses Design schien beliebt. Der FC Bayer 05 Uerdingen und der VfB Stuttgart hatten zu jener Zeit die gleichen Ticket, nur halt in ihren Vereinsfarben. 1993/94 stellte der BVB auf kleine Karten mit Hologramm um. Der MSV tat es ebenso. Gleiche Druckerei - gleiche Größe - gleiches Design. 1994/95 trennte sich dann jedoch der gleiche Design-Weg des MSV Duisburg und der Dortmunder Borussia.
Für einen Augenkollaps sorgten die Tickets des FC Schalke 04 Anfang der 90er Jahre. Weiß, hellblau und pink waren die Farben. In der Saison 1993/94 lächelte einem zudem eine Miezekatze mit Nase in Herzform an. Werbung für den Ruhr Zoo Gelsenkirchen. Ab der Saison 1993/94 gab es dann auch bei den Knappen die kompakten modernen Karten. Die Vereine probierten aus, was das Zeug hielt. Auch Borussia Mönchengladbach. Zuerst gab es die dicken Pappkarten mit dem lilafarbenen Innenteil, dann gigantisch große Tickets in Vereinsfarben, später wurde die Größe geviertelt, dann wurden sie ganz dunkelgrün und letztendlich wurden sie vor allen Dingen eins: teurer!
Der 1. FC Köln behielt von 1992/93 bis 1994/95 die gleichen dicken Tickets. Nur der aufgedruckte Hauptsponsor änderte sich jährlich. Aus Citibank wurde Pepsi. Aus Pepsi wurde Ford. Mit Ford wagte man 1995/96 schließlich einen Designwechsel. Die Ticketgröße blieb, doch nun gab es auf der Vorderseite eine Luftaufnahme des Müngersdorfer Stadions zu sehen. Die Rückseite blieb identisch. Die Idee mit einem Foto auf der Eintrittskarte hatte allerdings der SC Fortuna Köln bereits in der Saison 1993/94. Auf der Rückseite ein farbiges Mannschaftsfoto - womit sich der Kreis zum Beginn des Textes schließt.
Zum Abschluss noch eine letzte Anekdote aus meiner Heimatstadt: Die Idee mit dem Foto griff der BFC Dynamo in der Saison 2000/01 auf. Nachdem es in den 90er Jahren als FC Berlin unsagbar hässliche Eintrittskarten gab, wollte man sich zu Beginn des neuen Jahrtausends nicht lumpen lassen. Als Eintrittskarte gab es eine Postkarte mit einem Spielerfoto drauf. Zum Relegationsspiel gegen den 1. FC Magdeburg am 2. Juni 2001 schmückte Jörn Lenz die Vorderseite der massiven Pappkarte. Genutzt hatte es nicht. Während die Magdeburger den Sprung in die Regionalliga Nord packten, geriet der BFC Dynamo in finanzielle Schräglage, ging in die Insolvenz und startete in der Verbandsliga einen Neubeginn. Allerdings ist dies ein ganz anderes Kapitel