Im Fokus: Stadion und Fans von Borussia Mönchengladbach

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Steile Tribünen. Ein Stadion mitten im Wohngebiet. Tradition pur. Mit einem weinenden Auge denken viele Fans von Borussia Mönchengladbach an die alten Zeiten auf dem Bökelberg. Nässe, Wind und Kälte - hart waren dort in Herbst und Winter die Zeiten, doch ist der neue moderne Borussia-Park das non-plus-ultra? Das turus-Magazin war vor Ort beim Rhein-Derby gegen den 1. FC Köln und zieht Bilanz.
 

Steile Tribünen. Ein Stadion mitten im Wohngebiet. Tradition pur. Mit einem weinenden Auge denken viele Fans von Borussia Mönchengladbach an die alten Zeiten auf dem Bökelberg. Nässe, Wind und Kälte - hart waren dort in Herbst und Winter die Zeiten, doch ist der neue moderne Borussia-Park das non-plus-ultra? Das turus-Magazin war vor Ort beim Rhein-Derby gegen den 1. FC Köln und zieht Bilanz.

Bökelberg

Besuchte man früher das erste Mal als Gästefan das Stadion auf dem Bökelberg, hatte man Angst vor möglichen Stürzen und damit verbundenen Schürfwunden und Knochenbrüchen. Steil waren die Tribünen, glitschig die Stufen bei regnerischem Herbstwetter. War der Gästebereich gut gefüllt, konnte man jedoch nicht hinunterfallen - man stand wie eine Presswurst im Block.

Die Schlachtrufe wurden vom Wind - je nach Wetterlage - von der Gladbacher Fantribüne quer durch das Stadion getragen. War die Gladbacher Elf am Drücker, so konnte es richtig laut werden auf dem Bökelberg. Wurden auch noch die Zuschauer auf der großen überdachten Sitztribüne munter, so konnte das Stadion zu einem Hexenkessel werden.
Legendär war für die Gästefans stets die Anreise. Vom Hauptbahnhof zu Fuß durch das Wohnviertel hinauf auf den Bökelberg. Vorbei an den Bronzeskulpturen von Netzer, Vogts & Co. Bei einem Abendspiel sah man geradezu auf der rechten Seite bereits die Flutlichtmasten. Bier- und Bratwurstgeruch sowie die ersten Schlachtrufe begrüßten die Ankömmlinge. Bei sonnigem Prachtwetter ging man nach dem Spiel mit Sonnenbrand, bei regnerischem Dreckwetter mit durchweichter Kleidung nach Hause.
 
Bökelberg
 
Nicht selten bekam man es nach dem Spiel mit den lokalen polizeilichen Einsatzkräften zu tun. Besonders bei Abendspielen wurden in der Fußgängerzone in Richtung Hauptbahnhof häufig und nicht zu knapp Reiterstaffel und Knüppel eingesetzt. Ein Erlebnis war der Bökelberg in jedem Fall. Man hatte ihn gehasst und doch zugleich geliebt. Anders als in Hamburg, Frankfurt und München gab es dort keine Rundlaufbahn. Man war dicht am Spielfeldrand. Man spürte den Pulsschlag des Spiels und den Pulsschlag der Fans.

Während in Hamburg, Stuttgart, Frankfurt, Dortmund und Leverkusen die Stadien nach und nach zu modernen Arenen ausgebaut werden konnten, blieb den Gladbachern diese Möglichkeit nicht. Mitten im Wohngebiet gab es keinen Weg zum Ausbau. Platz für Infrastruktur fehlte, die Anwohner hätten sowieso nicht zugestimmt.
 
Bökelberg

Ein neuer Standort musste also her. Außerhalb auf der grünen Wiese fand sich dann ein Plätzchen. Rein logistisch betrachtet erschien alles perfekt. Freie Flächen, keine Anwohner, schnelle Autobahnanbindung. Da viele Heimfans von Borussia Mönchengladbach von außerhalb anreisen, war das mit der schnellen Anbindung eine durchaus kluge Entscheidung.
Aber! Ohne Geschichte, ohne Tradition entstand der neue Borussia-Park mitten auf dem platten Land. Keine Möglichkeit zu Fuß mit dem Bierchen in der Hand vom Hauptbahnhof aus zum Stadion zu pilgern.
 
Ein Besuch im Borussia-Park gleicht einem Kino- oder Konzertbesuch. Anreisen, hinein, Platz einnehmen, schauen, konsumieren - fertig. Irgendwie fehlt das Drumherum. Die Kneipen und Treffpunkte im Umfeld eines Stadions. Fragt man einen echten Fußballfan, weshalb er wegen 90 Minuten Spiel solch einen großen Aufwand betreibt und den halben oder gar ganzen Tag auf Achse ist, wird er meist sagen: Weil mindestens 50% des Ganzen das Drumherum ausmachen. Das Bier davor, das Bier danach. Das sich sammeln, treffen und quatschen. Das Warten, Schauen, und Klönen. Die Anreise mit dem Zug, der Gang zum Stadion.

Viele Vereine der 1. Fußballbundesliga haben ihre Stadien aufpoliert oder komplett umgebaut. Eintracht Frankfurt und der Hamburger Sportverein bauten ihre Stadien an gleicher Stelle komplett um. Das alte Waldstadion und das alte Volksparkstadion waren weite, zugige Betonschüsseln mit Rundlaufbahn. Das Herz schmerzte trotzdem vielen Anhängern, als die altehrwürdigen Tribünen und Ränge der Abrissbirne zum Opfer fielen. Immerhin blieben die vertraute Umgebung und die gewohnten Anfahrtswege. Auf Schalke wurde die neue moderne Arena direkt neben dem alten Parkstadion hochgezogen. In Stuttgart, Bremen und Leverkusen wurden die Stadien Stück für Stück erweitert, modernisiert und umgebaut.
 
Gladbach

In München und Mönchengladbach ging man dagegen komplett neue Wege. Die Allianz-Arena und der Borussia-Park wurden in völlig neuer Umgebung hochgezogen. In Mönchengladbach wählte man für den Standort eine Freifläche weit außerhalb der Stadt. Mit Pendelbussen gelangt man von Mönchengladbach Hbf oder Rheydt Hbf direkt zu den Stadioneingängen. Die Busse zum Gästebereich fahren direkt in einen umzäunten Bereich hinein. Es wirkt schon etwas skurril, wenn vollgestopfte Busse mit Gästefans mit Polizeibegleitung in den Hochsicherheitstrakt fahren. Weit oben in der Luft der alles umkreisende Polizeihelikopter. Vom Borussia-Park aus kann man auf Felder, Wiesen, ein kleines Waldstück, Trainingsgelände und ein paar Baugrundstücke schauen. An einem großen eingezäunten Parkplatz wurde ein neues Fanhaus für die Borussia-Anhänger gebaut.
 
Gladbach

Weit und breit keine Geschäfte, keine Kneipen, keine Stände und kein gemütliches Plätzchen, wo sich Fans vor oder nach dem Spiel treffen können. Ein freundschaftlicher Austausch und Schnack mit Gästefans - Fehlanzeige. Alles ist extrem getrennt. Beim brisanten Rhein-Derby gegen den 1. FC Köln durchaus berechtigt, gegen manch andere Vereine jedoch durchaus schade.
Auf dem Weg von Rheydt Hbf zum Stadion tuckelt der Pendelbus an Gehöften und Feldern vorbei. Man hat das Gefühl, als fahre man zu den abseits gelegenen Flughäfen bei Basel oder Maastricht. Fußballvorfreude mag da nicht recht aufkommen.

Das Stadion als solches ist von innen nicht übel. Quadratisch, praktisch, gut - ohne viel Schnickschnack. Auf der Heimseite befindet sich hinter dem Tor ein großer Stehblock. Der Gästebereich in der gegenüber liegenden Ecke hat auch eine angemessene Größe. Schaut man jedoch auf die Details, so sieht man zahlreiche Verbesserungsmöglichkeiten. Das Dach und die Blende zwischen Tribüne und Dach wirken viel zu kalt und grau. Das verwendete Profilblech ist dem ähnlich, das auf dem Tivoli bei Alemannia Aachen verwendet hat. Der einzige Unterschied: In Aachen leuchtet das Dach in einem freundlichen Gelb. Weshalb das Dach im Borussia-Park nicht grün ist, bleibt ein Rätsel. In Aachen verwendete man für die obere Blende statt des Blechs Plexiglasscheiben - und schon sieht alles viel freundlicher aus. Ein weiteres Problem: Sitzt man ganz oben, zieht es im Borussia-Park kurioserweise wie Hechtsuppe und man weiß gar nicht, woher das Windchen weht. Der Außenbereich mit den Toiletten und den Verkaufsständen der oberen Sitzplätze ist nicht überdacht. Bei schlechtem Wetter steht man dort schutzlos im Regen.

Ohne Frage war dies damals auf dem Bökelberg ein Normalzustand. Bei einer modernen Arena erwartet man jedoch Gemütlichkeit und Komfort. Wenn schon denn schon. Der neue Tivoli ist da ein perfektes Beispiel! Am Borussia-Park werden sich die Fangeister auch in Zukunft scheiden. Für viele Anhänger, die von weit her anreisen, ist die schnelle Anbindung an die Autobahn ein Geschenk. Dieser Punkt ist nicht zu unterschätzen. Es gibt kaum einen anderen Traditionsclub, bei dem so viele Heimzuschauer von außerhalb anreisen. Gladbach-Fans kommen regelmäßig sogar aus dem fernen Berlin angereist. So gibt es in der Hauptstadt zum Beispiel den Fanclub Spreeborussen.
 
Gladbach
 
Für Familien, die Fußball nur als Entertainment betrachten, ist das neue Stadion auch optimal. Auf der Strecke blieben jedoch die Tradition und die eingefleischten Fußballfans.
Zwischen einem Spielbesuch beim VfL Bochum und bei Borussia Mönchengladbach liegen inzwischen Welten. In Bochum hat man das Gefühl, mitten im Fußballleben zu stehen. Auf dem Weg vom Bahnhof hinauf zum Stadion kommt man an zahlreichen Kneipen und Cafés vorbei. Das Stadion liegt mitten in der Stadt. Der Fußballnachmittag wird in Bochum zu einem echten hautnahen Erlebnis.

Ähnlich wie in Aachen hat man den heimischen Fans im Borussia-Park eine sehr große Stehtribüne gebaut, doch vielleicht ist dieser Stehblock einfach zu groß. Richtig gute Stimmung kann nicht aufkommen, zu viele "normale" Zuschauer, die nur das Spiel sehen und eine billige Karte kaufen wollen, stehen mit im Block. Selbst beim Derby zuletzt gegen den 1. FC Köln kam selten richtig knackige Stimmung auf. Gladbacher Ultras haben sich auch aus diesem Grund einen neuen Standort gesucht. Gegen Köln standen über 400 Ultras auf dem Oberrang im Block 18A und heizten von dort aus die Stimmung an. Den paar hundert Ultras der Nordkurve gelang es, mehr Stimmung zu verbreiten als der gesamte riesige Stehblock mit den tausenden Gladbacher Fans.
Dass Größe nicht alles ist, hat man in Leverkusen gelernt. Dort bezogen die Bayer-Fans auf eigenen Wunsch nach dem Umbau der BayArena den Stehblock im C-Bereich in der Ecke, dort wo sie bereits Anfang der 90er Jahre im alten Ulrich-Haberland-Stadion standen. Kompakt stehende 2.000 Fans können durchaus für mehr Stimmung sorgen als eine riesige Stehgerade.
 
Gladbach

Man darf gespannt sein, wohin bei Borussia Mönchengladbach die Reise gehen wird. Mit Wehmut muss man an die alten Zeiten auf dem Bökelberg denken. Gilt zu hoffen, dass sich am Borussia-Park die Umgebung ein wenig anpassen und die gesamte Struktur mit wachsen wird. Dass das nicht von heute auf morgen geht, ist völlig klar.
 
Fotos & Bericht: Marco Bertram, K. Hoeft, Claude Rapp

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