Ostalgie, Trauerspiel und Desaster: Viktoria Frankfurt besiegt Stahl Brandenburg

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Kein Trauerspiel war das, was am Samstagnachmittag das Team des Frankfurter FC Viktoria 91 gegen den FC Stahl Brandenburg auf dem Rasen abgeliefert hatte, doch ein echtes Trauerspiel sind der Zustand des Stadions der Freundschaft und die Tatsache, dass der Klub in der sechstklassigen Brandenburgliga versackt ist. Gleiches gilt für Stahl Brandenburg. In den 80er Jahren sind sich die beiden Vereine als Vorwärts Frankfurt und BSG Stahl in der DDR-Oberliga begegnet. Und das vor durchaus gut gefüllten Rängen. Heute verloren sich 165 Fans im verwaisten Rund.

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Kein Trauerspiel war das, was am Samstagnachmittag das Team des Frankfurter FC Viktoria 91 gegen den FC Stahl Brandenburg auf dem Rasen abgeliefert hatte, doch ein echtes Trauerspiel sind der Zustand des Stadions der Freundschaft und die Tatsache, dass der Klub in der sechstklassigen Brandenburgliga versackt ist. Gleiches gilt für Stahl Brandenburg. In den 80er Jahren sind sich die beiden Vereine als Vorwärts Frankfurt und BSG Stahl in der DDR-Oberliga begegnet. Und das vor durchaus gut gefüllten Rängen. Heute verloren sich 165 Fans im verwaisten Rund.

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Für Ostalgiker und Spurensucher ist das Stadion der Freundschaft in Frankfurt/Oder ein echtes Eldorado. Verwaiste Ränge, auf denen das Gras wuchert. Alte Flutlichtmasten, an denen die Lampen längst abmontiert wurden. Ein Eingangsbereich, der dunkel an glorreiche Zeiten erinnert und ein Gebäudetrakt samt Umkleidekabinen, bei dem nicht nur die Zeit stehen geblieben ist, sondern an der sogar der Zahn der Zeit genagt hat. Und das ganz gewaltig. Das Stadion der Freundschaft fristet sein Dasein. Kurios allerdings die neuen Wellenbrecher in einem Block hinter dem Tor. Hoffen auf bessere Zeiten? Gegen den FC Stahl Brandenburg wurde dieser Gästebereich allerdings nicht genutzt. Die rund 50 angereisten Anhänger des FC Stahl nahmen auf der Geraden neben der kleinen 90er-Jahre-Sitzplatztribüne Platz.

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Samstag kurz nach eins. Eine Gruppe Brandenburger Fans schlenderte zum Stadion, das sich unweit des Bahnhofs nahe des Oderufers befindet. Hinter dem in den 50er Jahren errichteten Eingangsbereich waren auf der Freifläche ein Tisch und ein Stühlchen aufgebaut. Eine junge Frau verkaufte die Tickets an die brav anstehenden Stahl-Anhänger. Kontrollen von Seiten etwaiger Ordner gab es nicht. Einfach am Tisch vorbeilaufen zählte jedoch nicht, denn ein wenig Polizei war vor Ort. Bei vier Euro Eintritt war die Versuchung sowieso nicht allzu groß, Geld sparen zu wollen. Bei 1,60 Euro für ein Frankfurter Bier wurde das für Fußballfreunde ein durchaus preiswerter Nachmittag. Das Frankfurter Publikum wird jedoch durch solche Fakten nicht mehr hinter dem Ofen hervorgelockt. Über Viktoria Frankfurt wird nur noch traurig gelächelt. Wer geht schon zum FFC Viktoria 91, das in den vergangenen 20 Jahren so einiges falsch gemacht hatte?!

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Ein Härtefall hoch drei allein das Stadion. Immerhin. Man durfte froh sein, dass überhaupt im Stadion der Freundschaft und nicht auf einem Nebenplatz gespielt wurde. Wehmütig saßen ein paar Herrschaften auf der verkrauteten Gegengerade. Das Ganze strahlt einen extrem osteuropäischen Muff aus. Auf den einsamen Rängen des Stadion fühlt man sich ins hinterste Polen oder vielmehr in den letzten Winkel Rumäniens, Russlands, der Ukraine oder des Balkans versetzt.

Weshalb wurde in Frankfurt/Oder nicht einmal richtig angepackt? Warum hatte man nie die Leute mobilisiert, um wenigstens optisch ein wenig das Stadion aufzupolieren. Der gesichtslose Frankfurter FC Viktoria 91 hätte sich ein paar andere Vereine der Region Nordost zum Vorbild nehmen sollen! Eine Rückbenennung in Vorwärts Frankfurt hätte alte Kräfte mobilisieren und Wunder bewirken können. In dem jetzigen Ist-Zustand ist sogar bei Dynamo Eisenhüttenstadt (ich meine nicht den EFC Stahl) mehr los. Schade für den Verein, schade für die Stadt. Sieht man denn nicht, was bei der BSG Chemie Leipzig oder dem 1. FC Lok Leipzig passiert?

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Nicht viel besser sieht es beim FC Stahl Brandenburg aus. Sportlich wurde der FC Stahl vom Konkurrenten Brandenburger SC Süd 05 abgehängt. Während die Jungs von „Südfeuer“ immerhin in der Oberliga NOFV-Nord eine recht passable Rolle spielen, kämpfen die Jungs von „Stahlfeuer“ in der Brandenburgliga meist um den Klassenerhalt. Zwischenzeitlich drohte gar das totale Aus, da der Klub nur noch in der Landesliga spielte. Eine Fusion mit dem BSC Süd 05 war im Gespräch. Glücklicherweise konnte dies verhindert werden. Immerhin wahrte man im Stadion am Quenz die Tradition, indem man seit 2005 wieder ein Logo verwendet, dass dem Alten recht ähnlich sieht. Von 1993 bis 1998 hatte der Verein ein neues Emblem, das mit der Tradition völlig gebrochen hatte.

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Am Samstag nun das Duell der einstigen DDR-Oberligisten. Nur 165 zahlende Zuschauer fanden den Weg ins Stadion der Freundschaft. Wäre der Saisonstart nicht so miserabel gewesen, hätten es vielleicht auch 300 werden können. Rund 40 bis 50 Anhänger des FC Stahl hatten den Weg nach Frankfurt/Oder gefunden. Unter ihnen auch ein paar alte Haudegen, die von der Polizei kritisch beobachtet wurden. Kurz vor Anpfiff tat sich noch etwas im Eingangsbereich. Etwa 20 schwarz gekleidete Jugendliche wollten ebenfalls das Spiel sehen, doch die Polizei hielt diese auf dem Vorplatz fest. Niemand wusste diese Jungs zuzuordnen. Die örtliche Antifa? Ultras des SV Babelsberg 03? Ultras des FC Energie Cottbus? Wer weiß. „Lasst doch den Kindergarten rein! Wir wollen auch unseren Spaß haben!“, „Sind das etwa Frankfurter? Immer rein mit denen!“, riefen die Stahl-Fans mit einem Lächeln.

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„Die können die doch nicht einfach wieder rausschmeißen...“ Die Jungs in Schwarz hätten doch für etwas Stimmung und Abwechslung gesorgt. Es war nichts zu machen. Noch drei Dienstwagen brausten mit Blaulicht heran. Kurze Besprechung. Die schwarze Gruppe durfte nicht ins Stadion. Sie wurde ganz einfach in die schäbige Baracke gebracht. Bis zum Spielende war von denen nichts mehr zu sehen.

Für den FC Stahl fing die Partie gut an, bereits nach drei Minuten erzielte Carlo Czarnowski den Führungstreffer zum 1:0 aus Sicht der Gäste. „Stahlfeuer!“, „Stahlfeuer!“ In der 15. Minute fiel fast noch das 2:0 für die Brandenburger, doch der Schuss ging links am Tor vorbei. Ein wenig überraschend schossen die Frankfurter in der 26. Minute den Ausgleich zum 1:1. Björn Keller war der Torschütze. Lautsprechermusik wie auf der Kirmes. Viktoria schien beflügelt und machte nun Druck. Die Brandenburger verloren dagegen komplett den Faden. Nicklichkeiten und Meckereien auf dem Platz. Brandenburgs Co-Trainer Andreas Koch schimpfte wie ein Rohrspatz. „Da können wir gleich runter gehen. Kann ich zu Hause auf dem Sofa bleiben...“ Unmut bei den Stahl-Fans. Seelenruhe bei den zehn Leuten auf der Gegengerade. Die zwei Ordner mit dem gelben Leibchen tranken derweil unter dem Wellblechdach ein kühles Blondes.

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1:1 zur Pause und eine Ansage des Stadionsprechers an die Freunde der Notdurft. Das Toilettenhäuschen sei heute geöffnet und zwar jenes am Eingang an der Straßenbahnhaltestelle. Sportlich lief es bei den Frankfurtern im zweiten Spielabschnitt richtig rund. Wenn nicht heute, wann dann?! Mit vollem Einsatz wurde gedrückt. In der 55. Minute fast das 2:1, doch die Angelegenheit konnte zur Ecke geklärt werden. Drei Minuten später war es dann soweit. Sehenswert über links reingespielt, gekonnt lochte Selcuk Gülec ein.

„Verdammt! Wir sind komplett inkonsequent hinten!“, lautete eine Ansage unter den Stahl-Spielern. Wie wahr. Und das blieb auch so. Zwar versuchte der FC Stahl nun einiges, doch erfolgreicher waren die Frankfurter. 20 Minuten vor Abpfiff konnte der Brandenburger Keeper mit einer Glanztat noch einen höheren Rückstand verhindern. Keine Chance hatte er in der 73. Minute, als Selcuk Gülec einen fälligen Strafstoß sicher verwandelte.
Stahl-Co-Trainer Andreas Koch inzwischen außer sich vor Wut: „Wir spielen ja schon scheiße, doch was ihr bietet!“ Es folgte eine klare Ansage des Linienrichters. So nicht!

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Nicht locker ließ die Mannschaft des FFC Viktoria. Noch zwei Chancen, die nichts einbrachten, doch in der 87. Minute letztendlich das 4:1, erzielt von Björn Keller, der bereits das 1:1 geschossen hatte. Im Gästebereich nickten bereits ein paar Stahl-Fans weg. Nur mit Hilfe zweier Kumpels konnte einer von ihnen von dannen getragen werden. Einfach so nach Hause ging es nicht. Am Ausgang sammelte die Polizei das Brandenburger Häufchen. Von manch einem wurden gar die Personalien aufgenommen.

Mit dem ersten Sieg im fünften Spiel konnte sich der FFC Viktoria 91 unten im Tabellenkeller ein wenig Luft verschaffen und nach Punkten mit der Konkurrenz gleichziehen. Der FC Stahl bleibt mit sieben Punkten auf Rang sieben. Am kommenden Wochenende treten die Brandenburger daheim gegen den RSV Waltersdorf an, die Frankfurter reisen dagegen zum MSV 1919 Neuruppin.

Fotos: Marco Bertram

> zur turus-Fotostrecke: FFC Viktoria 91 – FC Stahl Brandenburg

 

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