Euro 2012: Ein Schuss Melancholie bei Kroatiens „Heimspiel“ gegen Italien

MB Updated

Im Berlin-Warszawa-Express gab es am frühen Donnerstagmorgen nochmals ein kleines Wiedersehen der Iren und Kroaten. Während die irischen Fans in Posen umstiegen und weiter nach Danzig fuhren, war für die kroatischen Anhänger die Stadt an der Warta Endstation. Als der Eurocity gegen 9:30 Uhr in Poznan Glowny eintraf, warfen die Kroaten erst einmal einen Blick gen Himmel. Düstere Wolken und Nieselregen. Kein gutes Vorzeichen für einen optimalen EM-Tag. Etwas ratlos sammelten sich die Männer und Frauen im Schachbrettmuster-Outfit auf dem Bahnhofsplatz. Mit der Tram Nummer 5 ging es schließlich direkt in die Altstadt, in der bereits beim Spiel gegen Irland eine phantastische Stimmung geherrscht hatte.

KroatenIm Berlin-Warszawa-Express gab es am frühen Donnerstagmorgen nochmals ein kleines Wiedersehen der Iren und Kroaten. Während die irischen Fans in Posen umstiegen und weiter nach Danzig fuhren, war für die kroatischen Anhänger die Stadt an der Warta Endstation. Als der Eurocity gegen 9:30 Uhr in Poznan Glowny eintraf, warfen die Kroaten erst einmal einen Blick gen Himmel. Düstere Wolken und Nieselregen. Kein gutes Vorzeichen für einen optimalen EM-Tag. Etwas ratlos sammelten sich die Männer und Frauen im Schachbrettmuster-Outfit auf dem Bahnhofsplatz. Mit der Tram Nummer 5 ging es schließlich direkt in die Altstadt, in der bereits beim Spiel gegen Irland eine phantastische Stimmung geherrscht hatte.

Noch verharrte der Stary Rynek (Alter Markt) in einem morgendlichen Dornröschenschlaf. Grund genug, einen Blick am Stadion Miejski zu werfen. Fahrkarte kaufen und ab mit der Straßenbahnlinie 13 in den westlich gelegenen Stadtteil Grunwald, in dem sich an der Straße Bulgarska die EM-Arena befindet. Auch hier war gegen 11 Uhr noch nicht wirklich Leben eingekehrt. Vereinzelte Schwarzmarkthändler versuchten Tickets für das Spiel gegen Italien an den Mann bzw. die Frau zu bringen. Kleinere Fernsehteams bauten im Nieselregen ihre Stative auf und ließen ihre Moderatoren ein paar Sätze sprechen. EM-Fieber? Na, das wird noch!

Teller12 Uhr mittags. High noon im Einkaufszentrum „Stary Browar“, das 2005 zum weltweit Besten in dieser Größenordnung ausgezeichnet wurde. In der Tat: Die Geschäfte in der einstigen Brauerei haben einiges zu bieten, und auch kulinarisch bekommt man beste Güte auf den Teller. Und das zum fairen Preis. Beim Express-Restaurant einer bekannten amerikanischen Kette mit französischem Namen gab es 100 Gramm Speise nach Wahl für gerade einmal 3,20 Zloty. Mal gut zu wissen, wie viel man mittags eigentlich verspeist – wenn es prima mundet. 534 Gramm auf dem Teller, dazu noch eine Crème Brûlée und ein polnisches Kompott-Getränk. Das nur als Tipp für Leute, die auch zwischendurch mal in Poznan vorbeischauen.

FansGegen 13 Uhr sah es auf dem Stary Rynek bereits ganz anders aus als am Morgen. Der Regen hörte langsam auf, und die ersten Kneipen hatten sich gefüllt. Großer Jubel, als über den Dächern der Stadt ein kroatisches Flugzeug zur Landung ansetzte. Noch mehr kroatische Fans. Keine Frage, das würde gegen Italien ganz klar ein Heimspiel für Hrvatska werden. Noch war die Stimmung nicht so intensiv wie im Vorfeld der Partie gegen Irland, doch das lag allein daran, dass einfach keine Gegenseite vorhanden war. Während die irischen Fans eine grandiose Party abzogen, glänzten die italienischen Fans durch Abwesenheit. Tifosi der Squadra Azzurra? Nur vereinzelt schauten ein paar Italiener vorbei. Italienische Ultras? Komplette Fehlanzeige! Dieses Mal mussten die Kroaten wohl allein für Stimmung sorgen. Immerhin konnten sie dieses Mal sämtliche Ecken des Platzes besetzten. Brunnen nach Wahl.

VelikaDa es ja auch noch die polnischen Fußballfans gibt – Lech und Warta lassen grüßen – blieb die Polizei auf dem Posten. An sämtlichen Ecken des Stary Rynek blieben die Einsatzkräfte auf standby, das furchteinflößende Gewehr mit der Gummischrot-Munition war auch am Start. Gänsehaut. Zum Glück waren die „in die Hoden beißenden Hunde“ und die „zum Urinieren anregenden Schalltrichter“ nicht auszumachen. Die Horrorgeschichten im Vorfeld der EM 2012 hatten es in sich.

An so etwas dachten die kroatischen Fans sowieso nicht. Einer Gummipuppe wurde derweil kurzerhand ein Italien-Trikot übergestreift. Als ein kroatischer Fan der Puppe auch noch die Finger in die Öffnungen schob, musste das Anti-Konflikt-Team der polnischen Polizei doch mal höflich dazwischen gehen. Ein paar Gespräche. Kopfnicken. Im Verlaufe des Nachmittags kam die Puppe dann doch noch oft genug zum Einsatz.
Als die Rathausuhr 14:30 Uhr anzeigte, hatten sich drei Stimmungspole entwickelt. Zum einen vor einer Kneipe an der Südseite des Platzes und zum anderen wie beim Spiel gegen Irland am Brunnen an der Nordostecke. Ein drittes Epizentrum bildete sich an der Seite, wo sich die angereisten Ultras Mostar niedergelassen hatten. Die Kroaten aus Bosnien und Herzegowina hängten ihre Flaggen auf und wussten mit Pyrotechnik und Gesang zu überzeugen.

PyroApropos Gesang. Diesbezüglich gab es am Donnerstagnachmittag eine ganze Bandbreite zu bestaunen. Einige hundert Kroaten machten einen Banner-Marsch (mit der Aufschrift Velika) rund um den Platz, dabei wurden sie von einer kleinen Kapelle begleitet. Traditionelle kroatische Musik mit einer ordentlichen Portion Wehmut und Schwere. Vor einem aufgehängten Transparent (Icty Injustice) wurde zudem der kroatische General Ante Gotovina (für die einen Kriegsheld, für die anderen ein Kriegsverbrecher) besungen, begleitet von reichlich Qualm und Bengalos.
Am besagten Brunnen beließ man es indes beim eher unpolitischen Support. Am Start waren wieder die Männer mit den Wasserballkappen und ihren Motorrädern. Diese heizten ordentlich an. Die Maschinen im Takt aufheulen lassen, ein paar Bengalische Fackeln abbrennen – und schon kochte es auf dem Platz. Langsam aber sicher kamen die Kroatien auf Betriebstemperatur.

Verwaist war indes ein Stand mit italienischen Fanutensilien. Immerhin ließen sich ab und an ein paar italienische Fußballfreunde sehen. Diese wurden freundlich begrüßt und als Fotomotiv genutzt. Erinnerungsfotos – Arm in Arm. Auf die richtige Karte gesetzt hatte eine Bar, die mächtig auf Hrvatska machte. Balkanmusik aus den Boxen, eine aufgehängte Flagge und weibliche Bedienung in kroatischen Trikots. Gegen Irland hatte sich diese Bar noch neutral ausgegeben, gegen Italien zog man das Ass aus dem Ärmel. Und was für eins. Kroaten mit Schachbrettmuster-Masken wurden dort zu echten Kumpels und gaben großzügige Trinkgelder.

PyroZwischen 15 und 16 Uhr wurde an sämtlichen Ecken noch einmal alles gegeben. Während die Ultras Mostar ihre Heimat in der kroatisch-bosniakischen Teilrepublik in Bosnien und Herzegowina besangen, ließen es die restlichen Fans bei den bereits als Ohrwurm verbreiteten Liedern (Ajmo, ajmo Hrvatska... etc). Das Zeichen zum Aufbruch gaben die Jungs mit den Rennmaschinen. Unter großem Gejohle ging es noch einmal um das Rathaus – dann war das Stadion das Ziel. Mit ihnen zogen nun tausende kroatische Fans davon. Gegen 17 Uhr wirkte der Stary Rynek fast wie leergefegt. Auf Grund der kühlen Witterung ließen sich nur wenige Einheimische sehen. Freie Wahl in all den Kneipen für die zurückgebliebenen Fans, die keine Tickets hatten.

Während später im Stadion über 20.000 Kroaten das 1:1 gegen Italien ausgiebig feierten, drehte über der Altstadt bereits ein Polizeihubschrauber seine Runden. Sicher ist sicher. Wie bereits nach der Partie gegen Irland (die Zwischenfälle gab es vor dem Spiel) blieb es auch nach dem Spiel gegen die Azzurri weitgehend ruhig. Der kroatische Tross zieht nun weiter nach Danzig, wo das alles entscheidende Match gegen den amtierenden Welt- und Europameister Spanien ansteht.

FahneFreitagmorgen, acht Uhr. Sonnenschein lässt den Stary Rynek wieder in einem hübschen Licht erstrahlen. Die letzten Müllreste werden weggefegt. Im Wasser der Brunnen schwimmen und stehen noch ein paar Plastikbecher und Gläser. Auf den Stufen sind ein paar Blutspuren zu sehen. Einsam hängt noch eine kroatische Fahne oben auf der Figur des Brunnens. Zwei Stunden später sitzen einige kroatische Fans im Eurocity nach Berlin. Unter ihnen auch ein Italiener, der einfach mal einen kurzen Abstecher in die deutsche Hauptstadt macht. Kein Wunder, fährt man mit dem Zug gerade einmal zweieinhalb Stunden...

zur turus-Fotostrecke: Euro 2012 Kroatien gegen Italien & Irland

turus-Video: Kroaten auf Betriebstemperatur

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