Fußballtour nach Gdansk und Gdynia: Die Suche nach dem alten Polen

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Der Wetterbericht für Gdansk sprach weder von Regen noch von Sturm, so dass einem kleinen Ausflug an die Ostsee nichts im Wege stand. Einige Leidensgenossen der Stadien-Sammelei weilten sicherlich in Walbrzych oder Poznan an diesem Wochenende. Jedoch ist die moderne Stadion-Kultur nichts für mich – jedenfalls an diesem Wochenende nicht. Es musste mal wieder ein typisch polnisches Spiel her ohne südamerikanische Rhythmen und geklauten Melodien aus deutschen Stadien. Dumpfe, laute Schlachtrufe mit eindeutigen Statements und Gassenhauer sollten es mal wieder sein.

PoznanDer Wetterbericht für Gdansk sprach weder von Regen noch von Sturm, so dass einem kleinen Ausflug an die Ostsee nichts im Wege stand. Einige Leidensgenossen der Stadien-Sammelei weilten sicherlich in Walbrzych oder Poznan an diesem Wochenende. Jedoch ist die moderne Stadion-Kultur nichts für mich – jedenfalls an diesem Wochenende nicht. Es musste mal wieder ein typisch polnisches Spiel her ohne südamerikanische Rhythmen und geklauten Melodien aus deutschen Stadien. Dumpfe, laute Schlachtrufe mit eindeutigen Statements und Gassenhauer sollten es mal wieder sein.

Lechia GdanskTraditionell wurde Freitag eine späte Verbindung ab Szczecin gewählt. Anscheinend versucht die PKP zunächst alle Kabinen mit nur maximal sechs Leuten zu füllen. Aber schon mit dieser Anzahl an Reisenden in einem Abteil kann von gemütlicher Fahrt nicht mehr die Rede sein. Ziemlich schnell wurde aus der Kajüte ein kleiner Puma-Käfig. Nach drei Stunden erreichte der Zug endlich Poznan. Von hier aus fährt ein TLK nach Gdynia. Nachdem ich endlich meine Kabine gefunden hatte (ihr müsst nicht denken, dass die Wagen-Nummern immer auf- bzw. absteigend geordnet sind), hält doch eine Oma meine Kabinen-Tür zu und zetert rum. Das Spiel endete nach kurzer Dauer mit 1:0 für Deutschland. Nach einer Folge von maschinengewehrartig vorgetragenen Fragen, die von einem weiteren Reisenden entnervt jedes Mal mit „Ich weiß das nicht!“ beantwortet wurde, machte es den Anschein, dass bei Oma auch nicht alles so klar ist, wie es sein sollte. Aber es ist schon erstaunlich, dass eine alte Frau sich nachts allein um 3 Uhr von Poznan aus auf den Weg macht. Hierzulande sieht das mancherorts schon etwas anders aus. 

GdanskKurz hinter Mogilno wurden dann die Augen schwach und ich wachte erst wieder in Tczew auf. Früher wurde einem Reisenden nahe gelegt, möglichst nicht einzuschlafen. Es gab sogar Anleitungen in den Zügen für sicheres Fahren, da Diebe ihr Unwesen trieben. Diese Schilder wurden mittlerweile entfernt. In Gdansk angekommen, sah es alles noch aus wie vor der Europameisterschaft. Hier hat sich kaum etwas verändert. Um späteren Stress zu vermeiden, wurde sich gleich um die noch fehlenden Reservierungen gekümmert. Ordnung muss sein! Der Kauf von Reservierungen im Zug ist kein Problem. Ganz anders sieht es bei fehlenden Fahrscheinen aus – das kostet 300 Zloty. Bei der PKP IC Fahrkartenverkäuferin klappte alles ohne Probleme. Auf den Wunsch, mir doch bitte Fensterplätze zu reservieren, wurde mit einem Zwinkern und „ich habe schon an alles gedacht“ geantwortet. Bei der S-Bahn, die zwischen Slupsk und Gdansk verkehrt, sah das schon anders aus. Als ob man der Frau mit einem Fahrkartenkauf etwas Böses tun wollte, wurde man schon miesepetrig, geradezu grimmig, begrüßt. 

GästekäfigIch hatte es ja am Automat versucht, aber der enthielt weder den Startbahnhof (Gdansk Stocznia) noch den Zielbahnhof (Gdynia Wzg. Sw. Ma.). Da noch sehr viel Zeit war, machte ich einen kleinen Spaziergang zum alten Stadion von Lechia Gdansk. Es wird aktuell von Lechias U23 und dem Rugby-Team beackert. Schade, dass die Zeit der Fußballfeste hier vorbei ist. Aber der Zustand ist noch sehr gut. Daneben befindet sich der Platz, auf dem die Reserve-Mannschaft die Spiele in der 4. Liga austrägt. Auf der einen Seite steht eine Stahlrohrtribüne, auf der anderen ein winziger Gästekäfig mit 34 Sitzschalen. In Sachen Gästekäfig-Gestaltung sind die Polen wahre Meister. Noch immer hatte ich viel Zeit im Gepäck. Da kam eine Straße mit anscheinend offiziellen Wandmalereien passend gelegen. Wichtige Fahnen der Lechia-Fan-Szene schmücken nun nicht nur das Stadion, sondern auch diese Straße.

GdanskEine Stunde vor Anstoß hatte ich dann das Stadion von Polonia Gdansk erreicht. Es befindet sich an der Werft. Es ist ein Stadtgebiet mit bewegter Vergangenheit - Streiks, politische Aktivitäten, harte Arbeit und Unglücke. Die Geschichte wurde auch als Graffiti an eine Wand des Werftgeländes gebracht.

Es war gar nicht so einfach ein Ticket für das Viertliga-Spiel zwischen Polonia und Kartuzy zu bekommen. Ausverkauft war es nicht. Das war nicht das Problem. Die Kasse war nur schwer zu finden. Erst als ich zwei Rentner mit Tickets sah, begab ich mich auf die Suche. Ohne die Hilfe eines Ordners, hätte ich noch heute gesucht. Das Stadion ist natürlich ein Genuss für Liebhaber alter Sportstätten. Die Kurven verfallen leider. Es wachsen schon langsam Bäume auf den Rängen. Der Gästeblock kommt unspektakulär daher. Die Stufen, der Zaun und das Marathontor runden die ganze Sache ab. 7000 gehen hier offiziell rein. Da war sehr viel Platz für die heutigen 100 Zuschauer. Offizielle Gäste aus Kartuzy reisten nicht an. Nur drei normale Leute drückten Cartusia die Daumen. Polonia kämpft gegen den Abstieg und Kartuzy befindet sich im gesicherten Mittelfeld. Leider war nichts los auf den Rängen. 

PoloniaInsgeheim hatte ich doch mit Fans gerechnet. Jedenfalls hatte ich etwas Hoffnung. Polonia hat eine kleine Fangruppe, welche aber heute nicht erschien. Bei Cartusia war es keine Überraschung. Sie stehen mit Baltyk Gdynia im Bunde. Eine Fahrt nach Gdansk wäre schon eine heiße Sache. Sie tauchten aber in dieser Saison überraschenderweise mal in Barlinek auf. Auf dem Platz läuft das Spiel ohne große Highlights. Beim ersten Tor für Cartusia bin ich noch im Stadion. Zur 80. Minute mussten schon die Zelte abgebrochen werden, so dass mir das zweite Tor entging. Es war sehr kalt durch einen scharfen Wind, der von der Ostsee über das Land pfiff. Durch den kleinen Marsch zum Haltepunkt wurden wenigstens die Muskeln wieder etwas warm.

ArkaMit der SKM (S-Bahn) ging es dann weiter nach Gdynia. Dort sollte in der 4. Liga die Reserve von Arka Gdynia auf den Stadtrivalen Baltyk treffen. Ich wollte schon etwas früher dort sein, um die Lage einschätzen zu können. Auch die Polizei war schon zu dieser Zeit nicht zu knapp vertreten. Bei den Tickets gab es kein Problem. Der Eintritt für dieses Spiel, welches im Rugby-Stadion ausgetragen werden sollte, war heute frei. Es ging nur um den Strichcode auf dem Ticket, um das Drehkreuz in Bewegung setzen zu können. Die Felder für Namen und Ausweis-Nummer brauchte man nicht ausfüllen. Die Mannschaften betreten das Feld und das Flutlicht leuchtet auf. Ungefähr 600 Zuschauer lockt dieses Derby an. Der Gästeblock wird leider leer bleiben. Das unterstreicht noch einmal die Tatsache, dass Arka die Stadt regiert. 

Arka GdyniaDie Fanszene von Baltyk steckt aktuell in einer Krise. Beide Freundschaften (Kotwica Kolobrzeg und Pogon Lebork) zerbrachen vor einer Weile. Aber auch in besserer Verfassung hätten sie dieses Spiel wahrscheinlich nicht besucht. Arka ist zu übermächtig. Nach einer ruhigen Anfangsphase wandelte sich das Spiel zu einem echten Derby. Beide Seiten gaben alles. Nach einer guten halben Stunde steht es 0:1 und es gab wirklich eine Person, die Sympathie für Baltyk zeigte. Sofort reckten sich sämtliche Köpfe, um zu schauen, wo dieser Mann ist. Mittlerweile begannen auch die Fans mit ihrer Aktivität. Mitte der ersten Hälfte schallte es plötzlich kräftig „Arka Gdynia, Arka Gdynia!“ gefolgt von einem „Haut diesen Gossenstrich weg!“. Die Stadionsprecher müssen bei solchen Rufen intervenieren. Machen sie es nicht, dann gibt es eine Strafe für den Verein. Es blieb heute nicht bei einer Ansage. Zwischendurch hörte man es immer wieder aus den Lautsprechern: „Herrschaften! Noch einmal. Wir wollen kultivierte Unterstützung für unsere Gelb-Blauen!“. Und immer wieder kam von den Rängen die Frage, wo eigentlich dieses Baltyk sei. 

Arka GdyniaVom Liedgut her wurden viele alte Sachen geboten. Das war so wie vor zehn Jahren. Schlachtrufe, derbe Beleidigungen und ein paar einfache Lieder mit Texten, die es auf den Punkt brachten wie zum Beispiel „Arka ist die Macht, Arka sind die Besten, Arka - das sind Hooligans…!“. Noch vor der Pause dreht Arka das Spiel. Nach der Pause heizen der Platzverweis für den Arka-Torwart und eine gelbe Karte für einen Spieler, der sich noch an der Seitenlinie warmlief, die Tribüne richtig auf. Nach dem Ausgleich für Baltyk machten sich vier Arka-Fans auf den Weg zu diesem einen Baltyk-Anhänger. Es wurde nur etwas gezankt. Auch bei diesem Spiel liefen Kameras und Ordner sorgten für die Sicherheit dieses letzten Mohikaners. Um das Stadion herum fuhr immer wieder eine Polizeistreife. In Stadionnähe parkte der Rest von ihnen. Sie hielten sich aber heute sehr im Hintergrund. Baltyk dreht sogar noch einmal das Spiel und geht mit 2:3 in Führung. Arka kämpft bis zum Umfallen, aber es reicht nicht mehr für einen Punkt.

Arka GdyniaDas Stadion leert sich schnell. Es besteht eigentlich nur aus dieser recht steilen und überdachten Tribüne. An der einen Seite befindet sich noch ein eingezäunter Bereich und in diesem steht eine Stahlrohrkonstruktion. Das ist der Gästeblock. Die anderen Seiten sind nicht für die Öffentlichkeit. Ganz im Gegensatz zu Deutschland wurden hier die Zäune nicht einfach mit Werbung oder Sichtschutz versehen, sondern man kann auch ohne Probleme von außen auf den Platz gucken. Das bringt natürlich Stadionverbotlern und Gästefans, denen die Fahrt nicht erlaubt wurde, Vorteile. Arka II und Baltyk teilen sich übrigens das Stadion. Früher hatte Arka ein eigenes, welches leider einer Tennis-Anlage weichen musste. In den unteren Ligen musste Baltyk dann auf den Nebenplatz ausweichen, weil Arka nun im eigentlichen Stadion von Baltyk spielen durfte. 2010 wurde dann das Rugby-Stadion (Kunstrasen) eröffnet und Baltyk zog erneut um. 2500 Leute passen in diese Sportstätte, was auch völlig ausreichend ist, auch für Arka II.

HandballMehr als vier Stunden blieben jetzt noch bis zur Abfahrt meines Zuges. Da passte das Handball-Spiel super in den Plan. Bis 16:55 Uhr verweilte ich noch am Zaun des Rugby-Stadions und um 17:00 Uhr sollte das Europapokal-Spiel im Damen-Handball angeworfen werden. Dazwischen lagen keine 50 Meter Fußweg. Ein Ticket (5 Zloty) hatte ich mir schon im Vorfeld geholt. 700 Leute waren in diese Halle gekommen, die wie ein UFO aussieht, um sich am Handball zu erfreuen. Auf der einen Seite standen auch 19 Jugendliche hinter einer Fahne („C4-Ultras“) und sangen die ganze Spielzeit über. Bei dieser Veranstaltung handelte es sich um die dritte Runde des Europapokals der Pokalsieger. Da werden doch noch Erinnerungen bei echten Fußballfans wach. Schön war die Zeit ohne Champions und Europa League. Aber solange wie diese Wettbewerbe von Zuschauern unterstützt werden, solange wird es sie weiterhin geben. 

Handball GdyniaDie Weißrussinnen vom HC Gomel hielten nur in der Anfangsphase mit. Vistal Laczpol Gdynia hatte kaum Mühe mit diesem Gegner. Vistal und Laczpol sind logischerweise die Namen von Firmen aus den Bereichen Fernmeldetechnik und Metallverarbeitung. Relativ schnell spielten sie sich sogar einen Vorsprung von zehn Toren heraus. Am Ende hieß es sogar 40:26. Handball ist in Polen auch eine nette Familienveranstaltung. Es bestand ein starker Kontrast zum vorherigen Fußballspiel, wo alles andere als Familienpublikum zahlreich vorhanden war. Kinder, die kein Interesse am Handball-Spiel hatten, wurden durch einen Albatros bei Laune gehalten. So ist das hier üblich.

Danach waren es dann nur noch ein paar Kilometer mit der Bahn und insgesamt noch fünf Stunden Warte/Umsteigezeit, bis ich die Heimat am Sonntagmorgen wieder erreicht hatte.

> zur turus-Fotostrecke: Fußball in Polen

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