An diesem Spieltag werden die Fanproteste im laufenden Jahr ihren Höhepunkt erreichen. Vielerorts wird es Märsche mit der Forderung „Fankultur bewahren – DFL Papier ablehnen“. Ganz gewiss werden sich die Fans bzw. Ultrà-Gruppierungen in den Medien Gehör verschaffen. Vielleicht wird am 12.12.2012 das DFL-Sicherheitspapier auch nicht unterzeichnet. Allerdings ist auf lange Sicht der Kampf der Ultras kaum zu gewinnen. Man wird Zeit gewinnen, mehr nicht. Leider. Wie der deutsche Fußball im Jahr 2020 ausschauen könnte, soll das folgende Szenario aufzeigen. Acht Jahre. Klingt viel, aber auch nicht wenig. Wer weiß noch genau, wie der Stand der Dinge in der Saison 2004/05 war?
Szenario 2020: Gravierende Veränderungen in deutscher Fußball-Landschaft
An diesem Spieltag werden die Fanproteste im laufenden Jahr ihren Höhepunkt erreichen. Vielerorts wird es Märsche mit der Forderung „Fankultur bewahren – DFL Papier ablehnen“. Ganz gewiss werden sich die Fans bzw. Ultrà-Gruppierungen in den Medien Gehör verschaffen. Vielleicht wird am 12.12.2012 das DFL-Sicherheitspapier auch nicht unterzeichnet. Allerdings ist auf lange Sicht der Kampf der Ultras kaum zu gewinnen. Man wird Zeit gewinnen, mehr nicht. Leider. Wie der deutsche Fußball im Jahr 2020 ausschauen könnte, soll das folgende Szenario aufzeigen. Acht Jahre. Klingt viel, aber auch nicht wenig. Wer weiß noch genau, wie der Stand der Dinge in der Saison 2004/05 war?
Richtig. Es gab einige Veränderungen. Bei der Vermarktung. In der Ligastruktur. In den Stadien. In der Fußballszene. Und das wird auch weiterhin so bleiben. Ein Stillstand ist ganz gewiss nicht zu erwarten. Vielmehr wird die Spirale sich stetig schneller drehen. Das Ziel: Eine saubere Bundesliga soll weltweit das Fußball-Vermarktungsprodukt Nummer eins werden. England und Spanien sollen weit hinter sich gelassen werden. Englische Premier League? An den asiatischen Bildschirmen sollen die Spiele der Bundesliga premium präsentiert werden. Aus diesem Grund könnte es zwei Hauptziele geben: Zum einen keine Störfälle mehr auf den Rängen. Zum anderen sollen die Weltstars in die Bundesliga gelockt werden. Diese ziehen wiederum das zahlungswillige Publikum in den Arenen an wie ein Magnet.
Ob Fußball ohne „echte Fans“ und Ultras funktionieren wird? Als reines Vermarktungsprodukt ganz gewiss. Das Publikum wird Platz nehmen und First-Class-Fußball auf dem Rasen genießen. Unterhalten und bei Laune gehalten wird das Publikum mit wiederum erstklassigem Rahmenprogramm. Genau dieses dürfte für das asiatische Publikum ein Sahnehäubchen sein. Chinesische, indonesische und koreanische TV-Zuschauer fragen nicht nach Fankurven, sie schauen dem Spielgeschehen zu und frönen ihrer größten Leidenschaft: Der Wettkultur. Wichtig hierbei: Eine sportlich saubere Bundesligalandschaft, die finanziell auf festen Beinen steht und weitgehend sicher gegen Manipulierung ist.
Folgend ein mögliches Szenario für das Jahr 2020. Reine Fiktion und auch kein Wunschgedanke! Also dann mal los und in die mögliche Zukunft geschaut. Willkommen in der Saison 2020/21! Und Achtung! Der folgende Text ist als Rückblick verfasst!
1. und 2. Bundesliga wurden inzwischen auf jeweils 20 Teams aufgebläht. Der Grund: Der deutsche Fußball möchte sich in Asien premium vermarkten und setzt zunehmend auf den nationalen Fußball. Bei der Europa League und Champions League ist dagegen der Zenit weit überschritten. Die 3. Liga ist im Jahr 2020 wieder längst Geschichte. Nachdem etliche Vereine wie der VfL Bochum, der F.C. Hansa Rostock und der MSV Duisburg in die Insolvenz gerasselt waren, riss der DFB die Reißleine. Die Reisekosten waren für die Vereine nicht mehr tragbar, die Fernsehgelder blieben weiterhin eher mau. Alle Kraft für die erste und zweite Liga. Vier Vereine konnten Dank der Erweiterung des Oberbaus aufgefangen werden, ein Teil ist inzwischen Konkurs gegangen, die anderen Klubs müssen seit 2018 mit den wieder einmal umstrukturierten Regionalligen vorlieb nehmen.
Dem nicht genug, wurde seit 2018 eine Grenze zwischen der DFL – sprich 1. und 2. Bundesliga – und dem Unterbau gezogen. Vorbild waren – wie sollte es sein – die DEL und die großen Sportligen in Nordamerika. Planungssicherheit für die großen Klubs. Das war das Schlagwort schlechthin. Sportliche Auf- und Abstiege zwischen der 2. Bundesliga und den Regionalligen gibt es nicht mehr. Wird auf Grund eines Lizenzentzuges ein Platz frei, dürfen potente Regionalligisten in die Runde der Bewerber. Zwischen der 1. und 2. Bundesliga treibt man es indes auf die Spitze. Seit der Saison 2019/20 gibt es keine direkten Auf- und Absteiger mehr, vielmehr erhöhen vier Relegationsrunden die Spannung. Nicht zuletzt die der asiatischen Wettfreunde.
Wer große Überraschungen bei der Zusammensetzung der 1. und 2. Bundesliga in der Saison 2020/21 erwartet, dürfte enttäuscht werden. Wie bereits erwähnt, mussten Bochum, Duisburg und Rostock bereits das Zeitliche segnen. Unter ähnlichen Vereinsnamen tingeln diese in den unteren Ligen. Nicht mehr dabei ist die SG Dynamo Dresden. Nachdem es in der Spielzeit 2015/16 zu schweren Krawallen kam, wurde den Sachsen erwartungsgemäß die Lizenz entzogen. Und das, obwohl der Verein finanziell auf sicheren Beinen stand. Ein Großsponsor aus Bahrain war im Februar 2014 eingestiegen. Ansonsten werden 2020/21 die üblichen Platzhirsche in der 1. Bundesliga anzutreffen sein. Als neue Kraft hinzugekommen waren in der Zwischenzeit der FC Ingolstadt 04 (massiv von Audi unterstützt) und Eintracht Braunschweig, das nach dem Aufstieg am Ende der Spielzeit 2012/13 zu einer felsenfesten Kraft wurde.
Nun zu den wirklich bewegenden Fragen. Stehplätze? Ultras? Pyrotechnik? Fankultur? Fangen wir mit der Pyrotechnik an. Zu Beginn der Saison 2014/15 nahmen DFL und DFB den Fangruppierungen komplett den Wind aus den Segeln. Bereits seit sechs Jahren (Stand wie gesagt 2020) werden auf rollbaren Plattformen Feuerregen, Bengalische Zylinderflammen und Kanonenschläge kontrolliert abgebrannt (Niederländisches Vorbild). Ausgebildete Feuerwerker bedienen diese Pyro-Shows, ein paar ausgewählte Zuschauer mit Fanutensilien dürfen sich drum herum reihen und das Publikum mit anheizen. Die Frage des DFB an die Fans: Ihr wolltet kontrollierte Pyrotechnik? Die leicht zynische Antwort: Jetzt habt ihr diese! Jegliche weitere Diskussionen hatten sich ab jenem Tage erledigt.
Keine Frage. Das Publikum der Saison 2020/21 nimmt in den Arenen seine Sitzplätze ein. Die Taktik der DFL und des DFB ging auf. Zuckerbrot und Peitsche. Keine Krawalle, keine Pyrotechnik in den Blöcken, keine kritischen Spruchbänder und Gesänge in den Kurven – dafür fünf Prozent Stehplatzanteil in den Arenen. Das ging nicht lange gut. Am Ende der Saison 2016/17 verschwanden die letzten Wellenbrecher und Stehplätze. Offizielle Gästebereiche wurden im gleichen Atemzug mit abgeschafft. Im Jahr zuvor hatten die noch bestehenden Ultrà-Gruppierungen (etliche mussten inzwischen die Segel streichen) zur letzten großen finalen Schlacht aufgerufen. Über Nacht wurden die Lautsprecheranlagen in etlichen Arenen manipuliert, so dass während der Partien Protestparolen durchgegeben werden konnten. Des Weiteren „entstuhlten“ die Ultras von Eintracht Frankfurt über Nacht im April 2016 die komplette Haupttribüne der Finanz-City-Arena. Als am Morgen die Vorbereitungen für das Spiel gegen Rot-Weiss Essen (Dank des RWE-Konzerns mittlerweile zu einer echten Macht geworden) getroffen werden sollten, staunten die Verantwortlichen nicht schlecht, als sie den riesigen Haufen Sitzschalen im Mittelkreis des Spielfeldes sahen.
Die Konsequenzen waren hart wie selten zuvor. 875 lebenslange Stadionverbote. Die Ultras Frankfurt wurden als verfassungsfeindlich eingestuft. 75 Mitglieder bekamen Bewährungstrafen, 32 mussten gar für zwei Jahre hinter Gitter. Beim VfB Stuttgart, 1. FC Köln und Hamburger SV kam es im Frühjahr 2016 zu ähnlichen Nacht- und Nebel-Aktionen, bei denen die Haupttribünen von ihren Polsterstühlen befreit werden sollten, doch Dank der Überwachungstechnik waren die polizeilichen Einsatzkräfte rechtzeitig vor Ort. Die Folge waren Treibjagden auf den Rängen und Fangnetze, die aus Katapulten abgeschossen wurden. 213 Verletzten waren das traurige und ernüchternde Resultat.
Zu Beginn der Saison 2020/21 sind die Auseinandersetzungen Geschichte. Wie bei jedem Konflikt gehen einer Seite irgendwann die Munition und die Kraft aus. Zermürbende Kämpfe hatten Spuren gezeigt. Eine Fangruppierung nach der anderen löste sich auf. Manch eine hatte in der Endphase ihren Protest in die Ober- und Verbandsligen getragen. Nachdem auch dort nach polnischem Vorbild ab 2015 Käfige für Gästefans eingerichtet wurden, wurden sogar die Spiele der dritten Mannschaften in den Landes- und Bezirksligen aufgesucht. Diese wurden jedoch zunehmend unter Ausschluss der Öffentlichkeit ausgetragen.
Während in der 1. Bundesliga 2020/21 wieder einmal der FC Bayern, Borussia Dortmund und der aufstrebende FC Ingolstadt 04 sowie das erstarkte Rot-Weiss Essen als Favoriten in die Serie gehen, tut sich im Unterbau ein interessantes Bild auf. Wie eingangs erwähnt wurde die 3. Liga erwartungsgemäß wieder abgeschafft. Stattdessen bilden vier Regionalligen den Unterbau. West, Nord, Süd und Ost. Klassisch benannt nach den Himmelsrichtungen. Im Süden taten sich Südwest und Bayern wieder zusammen. In der Region Nordost gab es 2018/19 sogar Bestrebungen, sich komplett vom DFB abzuspalten und eine völlig eigene Liga zu gründen. Der Plan ging nicht auf. Das Zugeständnis: Statt Regionalliga Nordost heißt die dortige dritte Spielklasse nun mehr „Liga Ost“.
Dort mit dabei ist auch der 1. FC Union Berlin, der sich immer wieder geweigert hatte, die Stehplätze in Sitzplätze umzuwandeln. Letztendlich zogen die Eisernen die Liga Ost vor und überließen ihren Startplatz in der 2. Bundesliga einem anderen Verein. Der SV Waldhof Mannheim erhielt Dank der neu hinzugewonnenen Großsponsoren aus Dubai von der DFL den Zuschlag. Mit dabei in der Liga Ost sind in der Saison 2020/21 neben Union Berlin auch Chemie Halle (Zurückbesinnung auf den alten DDR-Namen), die BSG Wismut Gera, der Hanseatische Empor SC Rostock (nach Konkurs neu ins Leben gerufen), der FC Vorwärts Frankfurt (2017 endlich den alten Namen wieder angenommen) und der BFC Dynamo (nach etlichen Anläufen am Ende der Spielzeit 2015/16 aufgestiegen).
Als halb-souveräne Liga Ost änderte diese einige Regeln. So gibt es dort wieder seit 2018 für einen Sieg zwei Punkte. Die Teilnahme am DFB-Pokal bleibt den Ost-Teams verwehrt. Dafür vermarktet sich die Liga Ost selbst und fand beim russischen Privatsender TNT einen potenten Partner. Ähnliche Bestrebungen gab es auch in der Regionalliga Süd (vor allem im Freistaat Bayern), doch ließ der DFB sämtliche Einflüsse im regionalen Verband spielen. Regionalliga Süd, West und Nord laufen DFB-konform als Unterbau des DFL-Konstrukts. Eventuelle Nachrücker für frei gewordene Starterplätze in der 1. oder 2. Bundesliga kommen nur aus diesen drei Regionalligen. Die Liga Ost kommt dafür nicht mehr in Betracht.
Der Ball rollt in der Bundesliga. Man schreibt den 05. September 2020. Erster Spieltag. VW Wolfsburg gegen Red Bull Leipzig. Zwischenzeitlich wurde eine am Kalenderjahr angepasste Saison (wie in Irland und Skandinavien) in Erwägung gezogen, doch der asiatische Markt bestimmt die Spielregeln. So wurden auch nach und nach die Anstoßzeiten angepasst, so dass Asiens Zockerprofis und Fußballfreunde zu moderaten Tageszeiten vor den Schirmen sitzen können. Die Folge: Zahlreiche Partien werden bereits um zehn und elf Uhr vormittags angepfiffen. Vermarktet wird dies als familienfreundliche Geste. So können Mama, Papa und Kinder am Nachmittag noch hübsch ins Grüne düsen. Da es im Prinzip keine Gästefans mehr gibt, stellt diese Umstellung bei vielen Zuschauern auch kein großes Problem dar.
Im Rahmen des ersten Spieltages 2020/21 vorgestellt wird von der Vermarktungsagentur Suca-Tac ein neues Soundsystem, das den Zuschauern in den Arenen und nicht zuletzt den Schaulustigen vor den Bildschirmen ein noch prächtigeres Gesamtprodukt liefert. Im Gegenzug wurde bereits seit 2018 die offensichtliche Werbung in den Stadien massiv heruntergefahren. Finanziell setzen Verband und Vereine voll auf die Vermarktung im asiatischen Raum. Werbebanden werden nur noch digital eingefügt, so dass Zuschauer vor Ort nichts davon sehen. Der Vorteil: Im Spätabendprogramm kann nun in Japan, China, Indonesien, Taiwan und Singapur auch P18-Reklame eingeblendet werden. Maßgeschneidert für jeden TV-Sender, jedes zahlungskräftige Web-Portal und jede Region.
Fazit: Das Ganze klingt verdammt gruselig und abscheulich? Dann nicht nur meckern, sondern ab auf die Straße! Ab heute finden in zahlreichen deutschen Städten Fan-Märsche statt. Mal spielunabhängig. Mal gemeinsam veranstaltet von den Heim- und Auswärtsfans. So auch am heutigen Freitag ab 15 Uhr in Berlin-Köpenick, wo Anhänger des 1. FC Union Berlin und des 1. FC Kaiserslautern gemeinsam zum Stadion ziehen werden! turus.net wird vor Ort sein und ausführlich berichten!
Fotos: Marco Bertram, Tobi, K.H. Chris Wode
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