Wer den Fußballphilosophen Frank Willmann kennt oder sogar das Vergnügen hatte, mit ihm gemeinsam durch die Lande zu fahren, der umschreibt ihn meist so: Sympathisch, kritisch, gesellig, gesprächig, manchmal jedoch auch kauzig und muffig wirkend. Und er ist vor allem eins: Hungrig. Und nochmals hungrig. Hungrig auf spannende Geschichten – ganz gleich, ob im eigenen Kiez oder auf den Fußballplätzen von Rzepin und Usti nad Labem. Zudem hungrig auf polnische Stadionbratwürste und tschechischen Gulasch. Keine Frage: Mit Frank Willmann, dem glühenden Anhänger des FC Carl Zeiss Jena und Kolumnisten des Berliner Tagesspiegels, ist es überaus unterhaltsam, gemeinsam zu einem Fußballereignis zwischen Stettin und Prag zu düsen.
Der Fluch der Wahrheit: Lesenswerte Kolumnen von Frank Willmann
So unterhaltsam wie seine Fahrten, so unterhaltsam und lesenswert auch seine Texte. Als informierter Fußballfreund wird man nicht mit jeder seiner Kolumnen konform gehen. Insbesondere seine kritischen Blicke auf unser Nachbarland Polen fanden nicht nur Freunde – und da schließe ich mich glatt mit ein. Seine Stärke sind die Kolumnen über den deutschen Fußball sowie seine emotionalen Rückblicke in fast vergessene Zeiten. So zum Beispiel in seinen Texten „Wo Sachsen noch auf Bäumen wachsen“ und „Als der Herthafrosch Männchen machte“.
Zur Erinnerung: Der im September 1963 in Weimar geborene Willmann reiste 1984 nach West-Berlin aus. Er kennt den DDR-Fußball aus seinen Jugendzeiten in den 70ern und zu Beginn der 80er Jahre. Außerdem erlebte er den Fußball im von der Mauer eingeschlossenen West-Berlin. Mit all seinem Muff und verrückten Leuten. Tennis Borussia Berlin, Blau-Weiß 90 Berlin, Hertha BSC. „100 Prozent Prollkultur. 100 Prozent Manpower. Handfester rechter Pöbel.“ Für den jungen Willmann ein gewisser Kulturschock – und auch eine Art Feuertaufe. Zu Gast in einer Neuköllner Stampe, zu Gast im Kreuzberger „Mördereck“. Die Erlebnisse aus dieser Zeit legten ein festes Fundament für kommende Aufgaben.
Nach dem Fall der Berliner Mauer und der Öffnung des deutschen Raumteilers – sprich der deutsch-deutschen Grenze - legte Frank Willmann dann kräftig los. Prosa- und Lyrikbände, Bücher zur Fußballkultur, Kolumnen und Anthologien. Schon bald hatte sich Frank Willmann als Autor einen Namen gemacht. Nur wenige hatten das nötige Rüstzeug und Rückgrat, sowohl ein Buch über den 1. FC Union Berlin („Und niemals vergessen – Eisern Union“, als auch ein Buch über den Erzrivalen in Berlin-Hohenschönhausen („BFC Dynamo – Der Meisterklub“) zu schreiben. Sein wohl bestes Werk ist jedoch „Stadionpartisanen nachgeladen. Fans und Hooligans in der DDR“ – eine neue, komplett überarbeitete und erweiterte Ausgabe des im Jahre 2007 auf den Markt gekommenen Buches „Stadionpartisanen. Fans und Hooligans in der DDR“.
Bei der Berliner Tageszeitung „Der Tagesspiegel“ findet Frank Willmann seit geraumer Zeit ein festes Plätzchen für seine Kolumnen. Wobei wir beim Ausgangspunkt angelangt wären. Seine besten Kolumnen wurden gesammelt und im Taschenbuch „Willmanns (Fußball)kolumne – Der Fluch der Wahrheit“ zusammengefasst. Herausgekommen ist dieses Werk beim Berliner Verlag CULTORCON medien. Nein, dieses Buch besticht nicht mit solchen klasse Fotos wie die „Stadionpartisanen“. Kurzum: Es gibt gar keine Bilder in diesem 150 Seiten dicken Büchlein. Was allein zählt, ist das geschriebene Wort. Ein Willmann pur sozusagen. Willmann in Reinform. Zu Gast mit Braunschweiger Fans im Gästeblock der Alten Försterei, ein Text zur „Turbo-Mast-Gans RasenBallsport Leipzig“, viel Herzschmerz bei seinen Kolumnen über den FC Carl Zeiss Jena, lachende Augen dagegen bei „Balzen und Bolzen“ und neben den Klabusterbeere blühende Hämorriden.
Nun ist aber gut, mögen einige Leser denken. Der Typ von turus.net war doch mit Frank Willmann den besagten tschechischen Gulasch futtern. Richtig. Aber hier wird niemand hofiert. Fakt ist, das Büchlein ist seine 9,95 Euro wert und kaum jemand dürfte sich nach dem Kauf ärgern. Wie bereits beim Buch „Zonenfußball. Von Wismut Aue bis Rotes Banner Trinwillershagen“ gilt auch bei „Der Fluch der Wahrheit“: Jeder Leser wird seine eigenen favorisierten Texte finden. Der eine Text wird ein leichtes Murren hervorrufen, der andere Text lässt ein Lächeln aufkommen. Und das ist auch gut so!
Fotos: turus.net-Archivbilder