Die sportlichen Aussichten im Vorfeld des 112. Leipziger Stadtderbys hätten unterschiedlicher gar nicht sein können. Während die Gastgeber aus Probstheida auf einer wahren Erfolgswelle surfen und man sich im Vereinsumfeld wohl des Öfteren mal kneifen lassen muss, um zu realisieren, dass die aktuelle Situation wirklich real ist, umso bedrückender ist die Stimmung in Leipzig-Leutzsch. Die Festungen des selbsternannten Königreiches scheinen nach Jahren an positiver Stimmung und Selbstbeweihräucherung zumindest ein wenig zu bröckeln. In diversen Vereinsforen oder sozialen Medien werden die nicht vorhandenen "Leutzscher Tugenden" bemängelt und gar Erfolgstrainer Jagatic wirkt ein wenig angezählt.
Lok Leipzig vs. Chemie Leipzig: Spitzenreiter-Sieg im 112. Stadtduell
Dabei begann die Saison beider Leipziger Mannschaften höchst erfreulich. Im Bruno-Plache-Stadion wurde die vergrößerte Fankurve präsentiert und gefeiert (turus berichtete bereits) und nebenbei auch ein neuer Dauerkarten-Rekord aufgestellt. Chemie konnte eben jene Zahl des Stadtrivalen sogar noch toppen. Mit acht Punkten nach vier Spieltagen konnte der heutige Gast rein sportlich auch noch mit den Blau-Gelben mithalten, verlor danach aber die Form und manchmal auch das nötige Glück. Lok wiederum profitierte des Öfteren von "Fortuna" und erkämpfte sich wichtige Punkte in wichtigen Momenten, gegen Teams aus allen Tabellenregionen.
Eben jenes Spielglück führte auch am gestrigen Tage zum neunten Sieg im elften Saisonspiel. Abgezockt wie eine wahre Spitzenmannschaft nutzte man direkt die erste größere Möglichkeit. "Mister 1:0" Stefan Maderer nutzte einen Stellungsfehler von Horschig und Bellot und versenkte den Ball platziert im Eck. Ausgebaut wurde die Führung durch "Senkrechtstarter" Pasqual Verkampf, der eine Flanke von Abderrahmane ins Tor beförderte. Chemie wusste mit dem eigenen Ballbesitz schlichtweg nichts anzufangen und fand gegen den stabil stehenden Spitzenreiter wenig nennenswerte Abschlussmöglichkeiten.
Ganz so entspannt und ereignislos ging es auf den Rängen des Stadions zwar nicht zu, allerdings werden im großen weiten Internet teilweise mit Schlagwörtern um sich geworfen, dass man sich teilweise nur an den Kopf fassen kann. Von "schwerer Randale" und "Eskalation" ist zu hören. Dass sich beide Fanlager nicht zwingend zum Kaffeeklatsch auf dem Leipziger Marktplatz verabreden werden dürfte bekannt sein, aber es gab wahrlich schon spektakulärere Leipziger Derbys.
Im Vorfeld der Partie sickerte ziemlich wenig an Informationen durch. Fast schon ungewöhnlich. Erst am Spieltag erfuhr man von knapp achtzig eingekesselten Chemikern, die es auf ein Lok-Auto abgesehen hatten und mehr oder weniger freiwillig auf den Spielbesuch verzichteten. Mit einer schlichten grün-weißen Fahnen-Choreo und ein bisschen Rauch läuteten die Gäste das Spiel ein. Im Heimbereich wartete man tatsächlich vergebens auf optische Aktionen.
Mitte der zweiten Halbzeit präsentierten die Chemiker noch ein paar "gezogene Materialien" des 1. FC Lok. Mit dem Pinocchio und der stetig länger werdenden Nase zumindest optisch eine sehr gelungene Aktion. Man hat halt sehr viel Zeit in Leutzsch/Connewitz. Standesgemäß wurde sämtlicher Kram im Anschluss abgefackelt und die ein oder andere Leuchtrakete flatterte in Richtung der Heimbereiche.
Amüsanterweise positionierten sich zahlreiche behelmte Polizisten dennoch vor dem Dammsitz, der sich zwar kurz provozieren ließ, aber vergleichsweise verhalten blieb. Wohlbemerkt flog aber auch auf diesem Bereich ein Böller in den Innenraum. Nach knapp fünf Minuten Spielunterbrechung wurde der ganze "Spaß" aber auch wieder beendet und die Spieler des 1. FC Lok konnten sich gebührend feiern lassen.
Bericht & Fotos: Max W.
- Bruno-Plache-Stadion