Esteghlal FC vs. Persepolis FC vor 110.000 Zuschauern. Der Bericht über das Teheraner Derby schlug im Januar dieses Jahres ein wie eine Bombe. Als im März die Texte und Fotos über die Fußballspiele auf Nordzypern folgten, war schnell klar: Dieser Stoff ist ausreichend für ein Buch. Dies musste dem Groundhopper und Autor Jörg Pochert (1976 in Berlin-Friedrichshain geboren) jedoch nicht großartig erklärt werden, bereits während seiner Fußballtouren in Portugal, der Türkei, auf Zypern und im Iran führte er ausführlich Tagebuch und notierte all die interessanten Details. Die Publikation eines gedruckten Werkes war somit nur eine Frage der Zeit. Im September erschienen schließlich beim Berliner Verlag „nofb-shop.de“ Jörg Pocherts Texte unter dem Titel „Ayia Napa! Fußballreisen nach Südeuropa“.
Ayia Napa! Fußball von Teheran bis Lissabon: Interview mit Autor Jörg Pochert
Eine klassische Rezension würde an dieser Stelle wenig Sinn machen, da Jörg Pochert auch bei turus.net als Autor und Fotograf tätig ist. Geklüngel ersparen wir uns deshalb lieber, stattdessen gibt es an dieser Stelle ein ausführliches Interview, in dem einige interessante Aspekte beleuchtet werden:
turus.net: Hallo Jörg, als erstes eine Frage, die du sicherlich immer wieder gestellt bekommst: Wie kam es zum Buchtitel „Ayia Napa!“? Was hat es damit auf sich?
Jörg Pochert: Das möchte ich eigentlich nicht verraten, denn die Lösung findet der Leser im Buch. Nur soviel: Ayia Napa ist eine Stadt auf Zypern. Was aber nicht der Grund dafür ist, das Buch so genannt zu haben... ;-)
Gab es einen entscheidenden Moment, an dem du dir gesagt hast: Ja, jetzt setze ich mich ran und verfasse mein erstes Buch!
Eigentlich nicht. Ich schreibe meine Touren ja schon seit längerer Zeit nieder, in einem Fanzine namens "Edelstahl". Das letzte Heft erschien im Dezember 2012, und da waren die Berichte über meine erste Türkei-Tour und die Portugal-Reise auch schon für die darauf folgende Ausgabe geschrieben. Irgendwann habe ich mit Stephan, der über seine Internetseite www.nofb-shop.de auch mein Fanzine vertreibt, mal darüber gesprochen, was man aus dem Heft noch herausholen könnte. Schließlich steckte jeweils eine Menge Herzblut dahinter, aber erschienen ist das Ganze jeweils nur als schwarz-weiß kopiertes Heft mit einer Auflage von 100 bis 200 Exemplaren. Wir hatten überlegt, das Magazin optisch etwas aufzupeppen und hochwertiger - vor allem aber in Farbe - drucken zu lassen, was für mich aber ein großes finanzielles Risiko dargestellt hätte. Alleine um kostendeckend zu arbeiten, hätte ich schließlich aus dem Stand dreimal so viele Hefte verkaufen müssen wie bisher. Davon war ich nicht überzeugt. Irgendwann im Februar machte mir Stephan, der seit einiger Zeit auch Bücher verlegt, das Angebot, einige Touren in einem Buch zu veröffentlichen. Da brauchte ich nicht zweimal überlegen und sagte sofort zu.
Wie lange hast du eigentlich an diesem Werk gesessen? Als du in der Türkei, in Portugal und im Iran auf Tour warst, hast du Tagebuch geführt. War dir zu jenem Zeitpunkt bereits klar, dass es ein Buch in gedruckter Form werden soll?
Als ich die Berichte zu den ersten drei im Buch veröffentlichten Touren schrieb, war es noch nicht klar. Nachdem dann klar war, dass es ein Buch wird, habe ich diese Berichte auch in kleinen Teilen noch einmal verändert, da ich an ein Buch, welches unter meinem Namen erscheinen soll, schon einen anderen Anspruch habe, als an ein kleines Fanzine. Während der Zypern-Tour war es dann aber schon klar, dass es ein Buch wird. Witzigerweise waren diese Berichte die, die mit einer gewissen Zeitverzögerung niedergeschrieben wurden, nämlich etwa zwei Wochen, denn diese Reise unternahm ich ja als einzige nicht alleine, so dass abends meist die Geselligkeit und Unternehmungen mit meinem Reisebegleister André im Vordergrund standen. Und um die erste Frage zu beantworten: Es waren vier bis fünf Monate Arbeit.
Das Buch liest sich locker flockig. Vieles dreht sich jedoch um die Reisen als solches. Das Hinfliegen, das Einchecken, die kleinen Problemchen am Rande solch einer Tour. Besonders für Groundhopper-Kollegen dürfte dieses Buch von großem Interesse sein. Wie ist das erste Feedback – vor allem aus deinem privaten Umfeld – auf dein Buch?
Absolut hervorragend. Es gab wirklich noch keine einzige negative Rückmeldung, obwohl das Buch - gerade in meinem privaten Umfeld - schon einige Leute gelesen haben. Der einzige Kritikpunkt kam am Sonntag von einem Kumpel aus der Fanszene meines Vereins TeBe Berlin, den es an der einen oder anderen Stelle genervt hat, dass ich sehr oft erwähnt habe, wie teuer etwas war - Essen, Busfahrten oder Eintritt zu den besuchten Spielen. Die Kritik kann ich durchaus nachvollziehen, allerdings habe ich das ganz bewusst so aufgeführt. Denn die Hauptzielgruppe des Buches sind nun mal Groundhopper, denen ich, wenn sie ähnliche Ziele besuchen wie ich, mit diesen Informationen helfen möchte.
Sicherlich eine schwierige Frage – doch sei sie an dieser Stelle trotzdem gestellt. Unter dem Strich: An welchem der beschriebenen Reiseziele hatte es dir am Besten gefallen?
Alle Ziele hatten sicherlich ihren Reiz. Lissabon und Istanbul als Städte standen aber über allem. Lissabon ist die schönste Stadt, die ich je besucht habe, und Istanbul die insgesamt geilste, weil es hier eben alles gibt, was das Herz begehrt. In beiden Metropolen habe ich mich sofort heimisch gefühlt, und hier werde ich sicherlich jeweils noch einige Male hinfahren. Teheran als Stadt fand ich übrigens widerlich. Allerdings hatte das Derby, mit seinen 110.000 Besuchern anno 2013 das größte Derby der Welt, natürlich einen enormen Reiz und war einmalig, so dass auch dieser Trip einen besonderen Platz in meinen Erinnerungen hat.
Deine beschriebene Zuneigung zu Besiktas: Wie kam diese zustande?
Besiktas fand ich als Club schon immer cool, eben weil die größte Fangruppierung Carsi schon seit jeher ihr komplett eigenes Ding durchzieht. Die Zuneigung, wie ich sie beschrieben habe, ist aber in dieser Form erst bei meinem im Buch geschilderten Stadionbesuch entstanden. Das, was dort abging, hat mich einfach nur geflasht und die Videos von diesem Spiel schaue ich mir auch ein Jahr danach noch sehr häufig an. Zudem finde ich beeindruckend, was der Verein aus seiner enorm schwierigen finanziellen Lage macht und wie sich Besiktas dennoch stets in der Spitzengruppe der Süper Lig hält. Warum man aber vor einem Jahr noch 250 Millionen Euro Schulden hatte und sich nun den Bau eines neuen, hochmodernen Stadions leistet, verstehe ich auch nicht.
Ein paar allgemeine Fragen zum Fußball und zum Groundhopping. Welches war dein erstes Fußballspiel in deinem Leben? Kannst du dich an jenes erinnern?
Mein erstes Fußballspiel war das DDR-Oberligaspiel Stahl Brandenburg gegen Dynamo Dresden am 28. September 1984. Dafür, dass das Spiel über 29 Jahre her ist und ich damals erst sieben Jahre alt war, erinnere ich mich sogar recht gut daran. Die Stimmung hat mich sofort angezogen, es waren ja über 13.000 Zuschauer im Stadion und für so einen kleinen Knirps war das natürlich eine andere Welt. Dass der absolute Underdog und Aufsteiger Stahl dem haushohen Favoriten Dresden durch ein Tor in der 85. Minute schließlich sogar noch einen Punkt abluchste, machte diesen Initiationsritus perfekt. Sofort wurde ich Stahl-Fan und blieb es über 25 Jahre lang, bis ich mich 2009/10 aus zahlreichen Gründen unterschiedlichster Art vom Verein abwandte, das Stadion seit dem nicht mehr betreten habe und im Jahr vielleicht noch zwei oder drei Auswärtsspiele besuche.
Eine neue Heimat habe ich übrigens bei Tennis Borussia Berlin gefunden. TeBe war jahrelang eine heimliche Liebe von mir. Bestimmt vier oder fünf Male pro Saison bin ich am Freitagabend mit 20 Euro ins Mommsenstadion gefahren, habe von diesem Geld meine Eintrittskarte gekauft, eine Bratwurst und 4-5 Bier und hatte einen schönen Start ins Wochenende. Vor allem traf man immer coole Leute und hatte nie Stress oder Probleme mit Hooligans. Und irgendwann, nachdem ich über ein halbes Jahr fast gar nicht beim Fußball war, bin ich 2010 wieder mal ins Mommse und mir fiel wie Schuppen von den Augen, dass ich mich hier eigentlich schon lange wohler fühle, als bei meinem eigentlichen Heimverein. Das Wechseln des Stammvereins ist zwar unter Fußballfans verpönt, aber letztlich war mir das irgendwann auch egal und ich bin geblieben. Und wenn ich nicht gerade auf Groundhopping-Touren bin, verpasse ich höchstselten ein TeBe-Spiel.
Ab welchem Zeitpunkt hast du dich nicht nur als Fußballfan bzw. Fußballinteressierter, sondern auch als Groundhopper bezeichnet?
Ich würde sagen seit dem 28. Oktober 1995. Das kann ich so genau sagen, weil ich an diesem Tag mein erstes Spiel im Ausland gesehen habe, Queens Park Rangers vs. Nottingham Forest. Vorher bin ich zwar schon regelmäßig zu Stahl-Auswärtsspielen gefahren, zudem wurde Anfang 1995 das Wochenendticket eingeführt, das damals noch zwei Tage galt. Wenn also Stahl am Samstag auswärts gespielt hat, konnte man also am Sonntag noch kostenlos irgendwo hinfahren. In Erfurt war ich damals oft, aber es ging auch mal nach Hannover, Stendal, oder Leipzig. Doch nach dem ersten Spiel im Ausland war alles anders und ich wollte mehr. Ein Jahr später ging es dann auf die nächste Auslandstour, mit ein paar Erfurter Kollegen waren wir kurz vor Weihnachten in Italien. Und anschließend kamen dann jedes Jahr einige Länderpunkte hinzu. Übrigens: Aufgrund diverser Dinge habe ich zwischen 2003 und 2011 eine lange Pause vom Groundhopping gemacht, war lediglich in Deutschland oder maximal mal im benachbarten Ausland unterwegs. Richtig am Hoppen bin ich erst wieder seit etwa anderthalb Jahren. Aber immerhin zehn neue Länderpunkte kamen in dieser Zeit schon dazu.
Wenn es die denn gibt: Deine persönliche Top Ten deiner bisher gesehenen Spiele? Das Teheraner Derby dürfte gewiss in dieser zu finden sein. Und weiter?
Das ist schwierig, ich versuche es mal ganz spontan:
Platz 10: AIK Solna vs. Hammarby (5:2), 2001
Platz 9: Eintracht Braunschweig vs. KFC Uerdingen 05 (4:0), 2000
Platz 8: Stuttgarter Kickers vs. Borussia Dortmund (3:1), 2000
Platz 7: FC Utrecht vs. Grazer AK (3:0), 2001
Platz 6: Stahl Brandenburg vs. 1. FC Lok Leipzig (3:2), 1987
Platz 5: Real Madrid vs. FC Bayern München (4:2), 2000
Platz 4: Besiktas JK vs. Elazigspor (3:0), 2012
Platz 3: AS Roma vs. SSC Napoli (3:0), 2000
Platz 2: Bristol City vs. Bristol Rovers (3:2), 2000
Platz 1: Partizan Belgrad vs. Roter Stern Belgrad (1:0), 2013
Das Teheraner Derby war zwar das Spiel mit der größten jemals erlebten Kulisse, aber ist nicht unter den Top 10. Vermutlich habe ich einige Spiele auch vergessen. Dinamo Zagreb gegen Hajduk Split habe ich zum Beispiel schon gesehen, sowie einige gute Derbys (Wien, Prag, Leipzig, Köln vs. Mönchengladbach), zwei Champions League-Finals, Offenbach in den 90ern war immer genial und sehr gute Erinnerungen habe ich auch an ein Länderspiel San Marino vs. Schottland. Vermutlich würde auch eine Top 20 Liste nicht ausreichen.
Dein bitterster Moment beim Fußball? Dein emotionalster Moment?
Spielausfälle sind immer bitter. Sehr gut in Erinnerung ist mir noch Skonto Riga vs. FK Ventspils im Sommer 2012, welches 24 Stunden vor dem Anpfiff nach hinten verschoben wurde, zum Zeitpunkt der Austragung saß ich aber schon wieder im Flieger nach Berlin. Bitterste Momente beim Groundhopping hatte ich gleich zwei. Mein Besuch an der berühmten Liverpooler Anfield Road war ein Desaster. Ich war dort am 23.12.2000 beim Spiel gegen Arsenal. Liverpool spielte grandios, gewann 4:0, aber stimmungstechnisch passierte nix, wirklich gar nix. Das gesungene "You'll never walk alone" vor dem Spiel war Weltklasse, aber danach haben sich 45.000 Leute hingesetzt und über 90 Minuten geschwiegen. Ein einziger Witz, es gab wirklich null Support. Am Nachmittag des gleichen Tages war ich übrigens sechs Meilen weiter östlich beim Zweitligaspiel Tranmere Rovers vs. Wimbledon. Da haben 150 Wimbledon-Fans mehr gerockt, als die 45.000 an der Anfield Road. Der zweite, fast noch bitterere Moment, fand ganze acht Tage später statt, bei Celtic Glasgow gegen Kilmarnock. Es war der 2. Januar 2001 und ich habe hier mein erstes Spiel des neuen Jahrtausends gesehen.
Auch hier das gleiche Spiel: Es sind sogar 61.000 Leute im Stadion und Celtic spielte traumhaft - das Spiel ging 6:0 aus - aber im Stadion war es so ruhig wie in einer Leichenhalle. Wirklich, da hat man gehört, wenn zehn Reihen vor einem ein Zuschauer geniest hat. Es war schlichtweg nix los, und am Tag darauf konnte man in der Zeitung lesen, dass die erste Halbzeit vor allem eine Erkenntnis gebracht hat: Wie leise doch 61.000 Leute sein können. Am schlimmsten fand ich, dass während des Abpfiffs noch ganze 35.000 Zuschauer im Stadion waren. Dem Rest war es wichtiger, nicht in den Stau zu geraten. Widerlich, diese schöne neue Fußballwelt. Passenderweise gab es auch in diesem Fall am Abend noch ein zweites Spiel, welches für die Tristesse des ersten Kicks entschädigte, nämlich St. Mirren vs. Rangers. Hier waren dann 4.000 Gästefans über 90 Minuten gut drauf. Übrigens habe ich bis heute kein weiteres Spiel in Schottland mehr gesehen, und habe auch keine Lust darauf. Dann doch lieber nach Südeuropa...
Du hattest eben erzählt, dass du eine mehrjährige Auszeit vom Groundhopping genommen hast? Wie kam es dazu? Und vor allem: Wie wurde das „Feuer“ wieder neu entfacht?
Die Auszeit war durch vielerlei Gründe bedingt. Zum einen spielte mein Umzug nach Berlin eine Rolle, durch den zahlreiche Leute, mit denen ich viel gefahren bin, plötzlich weit weg waren. Dann waren es zwei Beziehungen, die mir einfach wichtiger waren als das Hoppen. Zudem war ich zwischen 2004 und 2008 auch für Stahl Brandenburg im Vorstand und anderen Ämtern tätig, so dass fürs Hoppen schlichtweg keine Zeit blieb. Darüber hinaus wurde ich 2004 arbeitslos und begann 2005 noch einmal eine Ausbildung, sodass auch das Geld fehlte. Wieder aktiv wurde ich Anfang 2012. Mittlerweile kannte ich auch in Berlin einige Leute, die regelmäßig hoppen, zudem war durch einen Jobwechsel plötzlich auch wieder das nötige Kleingeld da. Und dann hat es mich einfach wieder gepackt.
Apropos Kleingeld: Groundhopping ist bestimmt nicht billig. Wie finanzierst Du dieses außergewöhnliche Hobby?
Durch meine Arbeit, ganz klar. Zudem pflege ich im Alltag einen sehr sparsamen Lebensstil. Ich habe kein Auto und rauche nicht. Ich gehe auch nicht in Clubs und Kneipen oder ganz, ganz selten mal in ein Restaurant. Alleine durch diese Posten kommen bei anderen Leuten 300 oder 400 Euro im Monat zusammen - und wenn ich dann alle zwei Monate eine Tour mache, wie die im Buch beschriebenen, und die dann jeweils 600 - 800 Euro kosten, dann ist die Frage schnell beantwortet.
Hast du als Groundhopper besondere Ziele? 100 Länderpunkte? 1.000 gesehene Stadien?
100 Länderpunkte sind in der Tat ein großes Ziel. 1.000 gesehene Stadien nicht, denn die sammeln sich mit der Zeit von alleine an. Auf jeden Fall möchte ich binnen der nächsten drei Jahre die UEFA-Länder komplettieren. Zudem fehlen mir Afrika und Australien noch als bereiste Kontinente, auch das ist ein Ziel. Ansonsten möchte ich die Frage lieber so beantworten, dass ich Träume habe, anstatt Ziele. Denn Ziele erreicht man irgendwann alle. Aber die Träume gehen nie aus.
Reist du generell lieber allein? Oder sind die alleingeführten Touren vor allem darauf zurückzuführen, weil die Umsetzung als Einzelperson schlichtweg einfacher ist?
Generell bin ich ein geselliger und kommunikativer Mensch und habe, wenn ich mit den richtigen Leuten unterwegs bin, zu zweit oder in der Gruppe mehr Spaß, als alleine. Andererseits habe ich auch schon Touren erlebt, auf denen es menschlich nicht gepasst hat, und bei denen dadurch Konflikte entstanden sind, die den Spaß gemindert haben. Das muss ich nicht haben, und mit bestimmten Leuten fahre ich deshalb auch nicht mehr - sei es aufgrund unterschiedlicher Ansichten, Egoismen oder auch nur fehlender Sympathie. Wenn man alleine reist, hat man solche Probleme wiederum nicht und kann zu 100% das Programm durchziehen, das man sich vornimmt, ohne Kompromisse eingehen zu müssen. Denn das kann manchmal auch schwierig sein.
Was zu besuchende Spiele angeht, wird man sich zwar in der Regel schon einig. Aber ich will auch möglichst viel Kultur und Sehenswürdigkeiten sehen und dafür auch mal sehr früh aufstehen, Geld in die Hand nehmen oder Umwege in Kauf nehmen. Und bevor ich dahingehend einen Bremser dabei habe, fahre ich lieber alleine. Zudem gibt es in der Groundhopperszene sehr viele Leute, die absolut geizig sind und jeden Cent dreimal umdrehen. Natürlich spare ich auch, ansonsten wäre das Hobby gar nicht finanzierbar. Aber bevor ich mit Leuten reise, die zu geizig sind, um abends auch mal für 10 Euro essen zu gehen, fahre ich lieber alleine.
Apropos: Hattest du auf deinen zahlreichen Touren schon mal weibliche Groundhopper getroffen?
Ja, habe ich, definitiv. Und dabei stimmt nicht mal das Klischee, dass weibliche Hopper immer das Anhängsel eines männlichen Hoppers sind, wenngleich es das natürlich auch gibt und auch so manche Frau durch ihren Partner zum Hoppen gekommen ist. Da fällt mir zum Beispiel ein Kumpel aus Dresden ein, dessen Freundin vor der Beziehung gar nichts mit Fußball am Hut hatte, aber mittlerweile wie selbstverständlich mitfährt, und eben auch schon knapp 50 Grounds in Tschechien hat, und mit ihm gemeinsam den Urlaub durchaus auch nach fußballerischen Gesichtspunkten macht. Dann gibt es aber auch eine Hopperin aus dem Stuttgarter Raum, die deutlich aktiver ist als zum Beispiel ich, und mit der ich vor etlichen Jahrenbeispielsweise auch schon in Weißrussland, Bosnien oder Albanien war. Generell ist das Hoppen aber schon eine überwiegend männliche Domäne.
Du dürftest einen ganz guten Überblick haben: In welchen Ländern – neben Deutschland – ist das Groundhopping besonders beliebt?
Wie Vieles, was mit Fußball zu tun hat, ist hier England bzw. Großbritannien zu nennen. Allerdings unterscheiden sich zahlreiche britische Hopper von uns Deutschen dadurch, dass sie sich hauptsächlich auf ihre Insel spezialisieren, anstatt durch die Weltgeschichte zu fahren. In Österreich und der Schweiz gibt es auch zahlreiche Hopper, einzelne Leute sind mir auch aus Belgien, den Niederlanden, Tschechien, Polen oder Russland bekannt. Ich möchte mich hier nicht zu weit aus dem Fenster lehnen, aber ich denke, dass dieses Hobby insgesamt in Deutschland am verbreitesten ist.
Fankultur und Polizeigewalt – zwei Stichwörter, die derzeit immer häufiger fallen. Hattest du im Ausland bereits einmal ernsthafte Probleme mit Fußballfans oder den Ordnungskräften gehabt?
Eigentlich habe ich dahingehend bisher wenige Schwierigkeiten gehabt, und wenn, dann mit der Polizei. Das wesentlichste Vorkommnis, welches es mal gab, geschah am Rande des WM-Qualifikationsspiels Griechenland gegen Deutschland im März 2001, als wahllos deutsche Fans gekesselt wurden und deswegen erst zur dritten Spielminute im Stadion waren, so auch ich. Dabei bekam ich auch einen Polizeiknüppel ab, wurde aber nicht verletzt. Was man auch immer mal wieder erlebt, ist Schikane von Grenzpolizisten, wobei dies in Weißrussland am heftigsten war. Meistens sind die Polizisten im Ausland aber nett oder zumindest nicht feindselig, wenn sie merken, einen Touristen vor sich zu haben. Was Fans angeht, so versuche ich mich immer auf neutralen Plätzen zu bewegen und in keinerlei Hinsicht aufzufallen. Das klappt eigentlich fast immer.
Du schreibst ja seit Anfang 2013 auch regelmäßig Berichte für turus.net. Einfach mal zum Verständnis für unsere Leser: Wie entstand der Kontakt zu den Machern dieses Magazins?
Witzigerweise durch ein Foto, welches ich auf meiner Facebook-Seite geteilt hatte. Ich hatte dafür keine Genehmigung, wollte dies aber klarstellen und schrieb Marco Bertram an. Schon einige Zeit lang fand ich turus.net eh ziemlich gut, und wollte schon längst mal gefragt haben, ob denn Interesse besteht, dass ich von meinen Touren für diese Seite berichte. Da die Türkei & Iran-Tour, über die ich auch im Buch berichte, zu diesem Zeitpunkt unmittelbar bevorstand, waren meine Angebote, über die Derbys in Istanbul und Teheran zu schreiben, natürlich nicht die unattraktivsten. Und meine Berichte müssen den Machern und Lesern offenbar so gut gefallen haben, dass ich dabei geblieben bin.
Und wenn wir schon dabei sind: Seit wann ist dir turus.net eigentlich ein Begriff? Waren es Berichte über einen speziellen Verein?
Genau kann ich beide Fragen nicht beantworten. Irgendwann 2012 bin ich auf die Seite aufmerksam geworden, eben weil ich zahlreiche gute Berichte gelesen habe, die immer wieder von turus.net kamen. So wurde ich erst Fan der Facebook-Seite, und der Rest ist bekannt. Auf jeden Fall ist mir positiv im Gedächtnis geblieben, dass die Berichterstattung über meinen Verein TeBe Berlin meist sehr objektiv bis wohlwollend war.
Als letzte Frage: Sicherlich stehen weitere größere Touren an. Schwebt ein weiteres Buch im Raum? ;-)
Im Raum steht es definitiv, zumindest von meiner Seite. In den nächsten zweieinhalb Wochen bin ich in Japan und Südkorea unterwegs, wovon sicherlich auch auf turus.net zu lesen sein wird, und selbstverständlich werde ich auch wieder Tagebuch führen. Letztlich hängt es aber auch von den Verkaufszahlen von "Ayia Napa" ab, ob mein Verleger Stephan bereit sein wird, mit mir ein weiteres Buch zu machen. Auch wenn die Arbeit an meinem Erstwerk lang und strapaziös war - Lust darauf, das noch einmal zu machen, habe ich definitiv.
Foto: Jörg Pochert, Thommy Kwh, P. Schoedler, turus.net-Archiv
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