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Reiseberichte, Erfahrungen für Reisen nach Lateinamerika, insbesondere Brasilien. Karneval in Rio, Regenwald und Amazonas – der grüne Kontinent steht Euch offen, was interessiert Dich am meisten?
Tagebuch: Kalleman unterwegs in Brasilien
- Marco
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09 Sep 2005 10:40 #1153
von Marco
Tagebuch: Kalleman unterwegs in Brasilien wurde erstellt von Marco
Hallo Brasilien-Freunde,
seit vielen Monaten schreibt unser Forum-Mitglied Kalleman interessante Beiträge in dieses Reise-Forum.
Nun ist er gerade wieder vor Ort in Brasilien unterwegs - allein.
Ich habe ihn gebeten, hier in diesen Beitrag die spannendsten und lustigsten Erlebnisse live aus Brasilien zu schildern.
Sind wir mal gespannt, was er zu berichten hat...
Es grüßt Marco
PS: Einen lieben Gruß an Kalleman, und viel Spaß und Glück in Brasilien!
Até breve! D
seit vielen Monaten schreibt unser Forum-Mitglied Kalleman interessante Beiträge in dieses Reise-Forum.
Nun ist er gerade wieder vor Ort in Brasilien unterwegs - allein.
Ich habe ihn gebeten, hier in diesen Beitrag die spannendsten und lustigsten Erlebnisse live aus Brasilien zu schildern.
Sind wir mal gespannt, was er zu berichten hat...
Es grüßt Marco
PS: Einen lieben Gruß an Kalleman, und viel Spaß und Glück in Brasilien!
Até breve! D
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- kalleman
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- Beiträge: 978
09 Sep 2005 22:02 #1155
von kalleman
kalleman antwortete auf Re: Tagebuch: Kalleman unterwegs in Brasilien
Was fuer eine unglaubliche Ehre! Also dann beginn ich mal mit Tag 1: Schnell meine Notizen hervorholen:
Voller Freude stehe ich am Zuercher Flughafen: Es geht los! Per Zufall stiess ich auf einen guenstigen Flug nach Sao Luis und ein paar Tage spaeter bin ich bereits unterwegs. Der erste Zwischenstop erfolgt im Lissaboner Flughafen. Bereits der Zoll verweigert standhaft, irgendeine Fremdsprache zu reden. Ich sehe dort Internetautomaten und versuche Kleingeld zu wechseln. Die Langsamkeit der Kellner, Kassiererinnen und Verkauferinnen geht mir ganz schoen auf den Wecker. Kleingeld gibts nicht! Niemand ist bereit, meinen 5 Euro-Schein in Muenz umzutauschen. Welch ideale Vorbereitung auf Brasilien denke ich, und beruhige mich und versuche den suedlaendischen Lebensrythmus aufzusagen. Alles am Flughafen hier in Lissabon ist sehr teuer und nirgends finde ich eine Moeglichkeit Wasser zu kaufen - ausser an den Automaten, aber ich hab ja kein Muenz. Puenktlich geht es weiter mit der TAP nach Recife. Iberia und TAP scheinen sich um den ersten Platz im schlechtesten Service zu streiten. Der Flieger ist uralt, die Crew besteht nur aus Maennern, Unterhaltung gibt es keine, den der Fernseher funzt nicht und die schrecklichen Musikkanaele sind kaum zu verstehen, weil der Larm im Flieger von den Triebwerken zu gross ist. Wer ein getraenk will, muss schnell sein. Die Crew rast foermlich vorbei. Froh bin ich deshalb, dass der Flieger puenktlich in Recife landet! Ich bin in Brasilien! Am Zoll werd ich in Englisch begruesst! Die Menschen lachen und sind unglaublich nett. 4 Stunden Zeit hab ich, mein Flieger nach Sao Luis geht um Mitternacht. So stehe ich an einer Bar im Abflugbereich des Flughafens und trinke mein erstes Skoll. Die Verkaeuferinnen - ich bin der einzige Gast - singen und tanzen, lachen und scheckern mit der Putzequipe. Im fernseher laueft Fussball.
Voller Freude stehe ich am Zuercher Flughafen: Es geht los! Per Zufall stiess ich auf einen guenstigen Flug nach Sao Luis und ein paar Tage spaeter bin ich bereits unterwegs. Der erste Zwischenstop erfolgt im Lissaboner Flughafen. Bereits der Zoll verweigert standhaft, irgendeine Fremdsprache zu reden. Ich sehe dort Internetautomaten und versuche Kleingeld zu wechseln. Die Langsamkeit der Kellner, Kassiererinnen und Verkauferinnen geht mir ganz schoen auf den Wecker. Kleingeld gibts nicht! Niemand ist bereit, meinen 5 Euro-Schein in Muenz umzutauschen. Welch ideale Vorbereitung auf Brasilien denke ich, und beruhige mich und versuche den suedlaendischen Lebensrythmus aufzusagen. Alles am Flughafen hier in Lissabon ist sehr teuer und nirgends finde ich eine Moeglichkeit Wasser zu kaufen - ausser an den Automaten, aber ich hab ja kein Muenz. Puenktlich geht es weiter mit der TAP nach Recife. Iberia und TAP scheinen sich um den ersten Platz im schlechtesten Service zu streiten. Der Flieger ist uralt, die Crew besteht nur aus Maennern, Unterhaltung gibt es keine, den der Fernseher funzt nicht und die schrecklichen Musikkanaele sind kaum zu verstehen, weil der Larm im Flieger von den Triebwerken zu gross ist. Wer ein getraenk will, muss schnell sein. Die Crew rast foermlich vorbei. Froh bin ich deshalb, dass der Flieger puenktlich in Recife landet! Ich bin in Brasilien! Am Zoll werd ich in Englisch begruesst! Die Menschen lachen und sind unglaublich nett. 4 Stunden Zeit hab ich, mein Flieger nach Sao Luis geht um Mitternacht. So stehe ich an einer Bar im Abflugbereich des Flughafens und trinke mein erstes Skoll. Die Verkaeuferinnen - ich bin der einzige Gast - singen und tanzen, lachen und scheckern mit der Putzequipe. Im fernseher laueft Fussball.
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- Anonymous
10 Sep 2005 21:45 #1157
von Anonymous
Anonymous antwortete auf Re: Tagebuch: Kalleman unterwegs in Brasilien
Um Mitternacht geht es weiter. Ich kann die Augen kaum mehr offen halten. Und so verlaesst der Flieger den supermodernen Flughafen Recifes, der denjenigen Lissabons um vielfaches uebertrifft, wie auch Brasilien Portugal den Rang ablaeuft. Doch an Schlaf ist nicht zu denken. Kinder blaeren, mein Nachbar will im 10-Minutentakt rein und raus - ich sitze dummerweise am Gang. Um 4.00 Uhr erreichen wir Sao Luis und sofort rieche ich die feuchtschwuele, warme Luft. Ich frage eine Frau nach dem Weg per Bus in die Stadt und erlebe eine Sao Luiser Eigenart. Waehrend ich meine Saetze zu konstruieren versuche, beginnen sie deinen Arm zu beruehren oder nehmen dich bei der Hand. Voll Cool. Die Menschen ueberwaeltigen mich mit ihrer Freundlichkeit, doch von der Stadt bin ich enttaeuscht. Ich hatte Sao Luis ganz anders in Erinnerung. Die einzige Stadt Brasiliens, die von den Franzosen gegruendet wurde, hat ein sehr schoen restauriertes historisches Zentrum. Ich quartiere mich im Hotel Casa Grande ein, 28 Real bezahle ich fuer dieses Loch, aber ich bin zu muede um nach einem anderen Quartier zu suchen. Beim Spaziergang durch die Altstadt gefaellt mir die Stadt immer besser. Ich mag Sao Luis und je laenger ich umherschweife, desto schoener empfinde ich die Plaetze und Kolonialhaeuser und komme zum schluss, dass diese Stadt wirklich sehenswert ist. Dann gings ueber eine Bruecke zum Stadtstrand. Der Praia Atalaia ist von flachen Felsen durchzogen und sieht nicht besonders schoen aus. Die Frauen haben fast ausnahmlos recht ueppige Oberweiten und quetschen ihren wohlgeformten Hintern in den kleinsmoeglichsten Bikini! Da kam schon etwas ´Sehnsicht´ auf. Ihre Gesichter gefielen mir nicht besonders. Sie hatten einen starken indianischen Einschlag. Ich spazierte 2,5 Kilometer dem Strand entlang nach Calhao. Hier wird der Strand weisser und breiter. So weit das Auge reicht nur Strand. Wunderschoen. Doch schon beginnen sie mit hohen Hotelkomplexen die Landschaft zu versauen.
Es ist Freitagabend - Reggaenight in Sao Luis. Forro, Samba zaehlen hier nichts, Sao Luis liebt Reggae. Ich sitze in einer Bar und beobachte die Leute, als ich von einer Brasilianerin in Englisch angesprochen werde. Da schrillten bei mir die Alarmglocken. Natuerlich bin ich mit meinen blauen Augen und extrem blonden Haaren bei den Brasilianerinnen sehr beliebt, aber anderst als in Kolumbien und Peru machen die Brasilianerinnen - zumindest nach meinen Erfahrungen - den ersten Schritt nicht. Wenn doch, dann handelt es sich meist um Prostituierte, Semi-Prostituierte oder andere, die Dich und dein Geld moegen. Sie ist aus Salvador und setzt sich zu mir, bald gesellen sich noch andere symphatische Leute dazu, darunter ein Grauhaariger aus Curitiba, der jedesmal, wenn "meine neue Freundin" aufsteht, ihren Koerper mit Komplimenten ueberhaeuft. Sie will mit mir aufs Zimmer, aber mein Bauch mahnte mich zur Vorsicht und ich lehne ab. Sie ist mir nicht besonders symphatisch, zu anhaenglich und zu muetterlich. Da will sie 50 Real fuer ein Taxi! (Wusst ichs doch), weil der letzte Bus um Mitternacht fuhr. (wer´s glaubt) Ich biete ihr an, in meinem Hotel zu uebernachten, aber das will sie nicht. Was sollte ich tun? Ich kann nunmal nicht ´Nein´ sagen und gebe ihr unter Protest die 50 Real und verwuensche mich dafuer.
Es ist Freitagabend - Reggaenight in Sao Luis. Forro, Samba zaehlen hier nichts, Sao Luis liebt Reggae. Ich sitze in einer Bar und beobachte die Leute, als ich von einer Brasilianerin in Englisch angesprochen werde. Da schrillten bei mir die Alarmglocken. Natuerlich bin ich mit meinen blauen Augen und extrem blonden Haaren bei den Brasilianerinnen sehr beliebt, aber anderst als in Kolumbien und Peru machen die Brasilianerinnen - zumindest nach meinen Erfahrungen - den ersten Schritt nicht. Wenn doch, dann handelt es sich meist um Prostituierte, Semi-Prostituierte oder andere, die Dich und dein Geld moegen. Sie ist aus Salvador und setzt sich zu mir, bald gesellen sich noch andere symphatische Leute dazu, darunter ein Grauhaariger aus Curitiba, der jedesmal, wenn "meine neue Freundin" aufsteht, ihren Koerper mit Komplimenten ueberhaeuft. Sie will mit mir aufs Zimmer, aber mein Bauch mahnte mich zur Vorsicht und ich lehne ab. Sie ist mir nicht besonders symphatisch, zu anhaenglich und zu muetterlich. Da will sie 50 Real fuer ein Taxi! (Wusst ichs doch), weil der letzte Bus um Mitternacht fuhr. (wer´s glaubt) Ich biete ihr an, in meinem Hotel zu uebernachten, aber das will sie nicht. Was sollte ich tun? Ich kann nunmal nicht ´Nein´ sagen und gebe ihr unter Protest die 50 Real und verwuensche mich dafuer.
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- kalleman
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- Beiträge: 978
11 Sep 2005 19:31 #1161
von kalleman
kalleman antwortete auf Re: Tagebuch: Kalleman unterwegs in Brasilien
Wie mir spaetere Gespraeche bestaetigen, geht es den Bralianern mehrheitlich gut. Sie lieben ihr Leben. Hier waechst eine selbstbewusste und starke Nation heran, die ihren weltpolitischen Platz fordert. In den Apotheken gibt es nur Generika - in Brasilien hergestellt. Es scheint, dass nichtmal die maechtigen Pharmalobbys Enfluss auf Brasiliens Politik haben. Jeder hier ist erstaunlich gut informiert, hasst Die USA und prangert die Korruption im Land an.
Ein dunkler Schatten bemaechtigt sich meines Gemuets. Ich habe viel zu wenig Dollar mitgenommen. hab ich mich so verrechnet oder ist Brasilien teurer geworden? Mein Gepaeck ist zwar wohlbehalten angekommen, aber 100 Dollar fehlen. Hab ich sie zu Hause liegenlassen? Hat sich ein Flughafenmitarbeiter seinen Lohn aufgebessert? Ich begehe eine Dummheit, denn ich vergesse, dass ich in den Ferien bin und fuege mich dem zeitpolitischen Geist und treffe massive Sparmassnahmen. So verzichte ich schweren Herzens auf 4 Tage Belem. Heute jedoch fahre ich Zug! 3 mal pro Woche verkehrt ein Personenzug von Sao Luis nach Imperatriz, Maraba und endet in Parapuebas. Eigentlich wollte ich mit dem Zug nach Imperatriz und von dort per Bus nach Belem. So reise ich nur bis Sta. Ines und kehre per Bus nach Sao Luis zurueck. Der Bahnhof ist weit ausserhalb von Sao Luis, mitten im Niemandsland. Bereits eine Stunde vor Abfahrt bildet sich eine lange Schlange vor dem Gitter, dass die Passagiere vom Perron trennt. Vor der superguenstigen 2.Klasse-Schaltern wartet ebenfalls eine lange Schlange. Ich moechte Fotos machen und reise deshalb in der teuren 1. Klasse. Sofort komm ich an separaten Schalter an die Reihe, aber bedient werd ich nicht. Die Verkaeuferin fuehrt hier und da noch ein Telefongespraech, bis ich meinen Kopf demonstrativ gelangweilt auf den Tresen lege und ein ´blablabla´von mir gebe. Es wirkt. 2 Minuten spaeter hab ich mein Ticket.
Der Zug wird mit 2 Stunden Verspaetung eingeschoben, doch um 10.00Uhr gehts los. Eine unglaubliche Anzahl beiger Wagen mit rostroten Streifen rollt an mir vorbei. Von aussen sieht der Zug heruntergekommen aus, innen ist er erstaunlich komfortabel. Noch nie hab ich einen so langen Personenzug gesehen, es sind mindestens 25 lange Wagen! Er rollt los. Die Fahrt ist sehr komfortabel, die Landschaft flach, wenig ergreifend, aber doch eindruecklich. Ab und zu halten wir in einem Bahnhof, mitten im Gruenen, weit und breit keine Stadt, aber jedesmal steigen hunderte von Leuten zu. Kurz vor Sta. Ines ist die Lok kaputt und mit 3h und 40 Minuten Verspaetung erreiche ich Sta. Ines. Auch hier steigen Menschenmassen in den Zug und alle finden irgendwie einen Platz.
Zurueck in Sao Luis versuche ich eine Begenung mit meiner "Freundin" zu vermeiden, laufe ihr aber prompt ueber den Weg. Die 50 Real haben ihre Wirkung nicht verfehlt, denn damit hab ich wohl endgueltig ihr Herz erobert. Ich bin so abweisend wie moeglich, aber sie stoert das nicht in geringsten. Ich sage, ich geh schnell ins Hotel, verstecke mich aber in einem Restaurant. Es ist Samstagabend, aber im Zentrum ist nicht viel los. Doch kaum hatte ich bestellt, hat mich mein Albtraum auch schon gefunden. Die Kellnerin schenkt meiner "Freundin" einen bitterboesen Blick . Was soll das bedeuten? Vielleicht eifersucht, bilde ich mir ein und nehme wortlos mein Essen zu mir. Ich gehe ins Hotel um mich hinzulegen, nicht ohne meiner Freundin zu versprechen, in einer Stunde wieder aufzukreuzen. (Hab ich natuerlich nicht vor)
Um 1.30 Uhr klopft es und ich Depp oeffne die Tuere und wer faellt mir um den Hals? Mir war zum heulen zumute. Sie wollte mit mir schlafen, hier uebernachten, mich heiraten und eine Familie gruenden. Ich aber werfe sie hinaus, doch auch das kuemmert sie nicht, sie bleibt. Doch dann wird mein Ton unmissverstaendlich und sie verzieht sich, doch nicht ohne 10 Real fuer ein Taxi zu fordern (Gestern kostete es noch 50). Doch ich bin muede, sauer und verweigere. Sie geht, nicht ohne sich mit mir fuer den Sonntag zu verabreden.
ich lege mich ins Bett. Mein schlechtes Gewissen schleicht in mir hoch.
Ein dunkler Schatten bemaechtigt sich meines Gemuets. Ich habe viel zu wenig Dollar mitgenommen. hab ich mich so verrechnet oder ist Brasilien teurer geworden? Mein Gepaeck ist zwar wohlbehalten angekommen, aber 100 Dollar fehlen. Hab ich sie zu Hause liegenlassen? Hat sich ein Flughafenmitarbeiter seinen Lohn aufgebessert? Ich begehe eine Dummheit, denn ich vergesse, dass ich in den Ferien bin und fuege mich dem zeitpolitischen Geist und treffe massive Sparmassnahmen. So verzichte ich schweren Herzens auf 4 Tage Belem. Heute jedoch fahre ich Zug! 3 mal pro Woche verkehrt ein Personenzug von Sao Luis nach Imperatriz, Maraba und endet in Parapuebas. Eigentlich wollte ich mit dem Zug nach Imperatriz und von dort per Bus nach Belem. So reise ich nur bis Sta. Ines und kehre per Bus nach Sao Luis zurueck. Der Bahnhof ist weit ausserhalb von Sao Luis, mitten im Niemandsland. Bereits eine Stunde vor Abfahrt bildet sich eine lange Schlange vor dem Gitter, dass die Passagiere vom Perron trennt. Vor der superguenstigen 2.Klasse-Schaltern wartet ebenfalls eine lange Schlange. Ich moechte Fotos machen und reise deshalb in der teuren 1. Klasse. Sofort komm ich an separaten Schalter an die Reihe, aber bedient werd ich nicht. Die Verkaeuferin fuehrt hier und da noch ein Telefongespraech, bis ich meinen Kopf demonstrativ gelangweilt auf den Tresen lege und ein ´blablabla´von mir gebe. Es wirkt. 2 Minuten spaeter hab ich mein Ticket.
Der Zug wird mit 2 Stunden Verspaetung eingeschoben, doch um 10.00Uhr gehts los. Eine unglaubliche Anzahl beiger Wagen mit rostroten Streifen rollt an mir vorbei. Von aussen sieht der Zug heruntergekommen aus, innen ist er erstaunlich komfortabel. Noch nie hab ich einen so langen Personenzug gesehen, es sind mindestens 25 lange Wagen! Er rollt los. Die Fahrt ist sehr komfortabel, die Landschaft flach, wenig ergreifend, aber doch eindruecklich. Ab und zu halten wir in einem Bahnhof, mitten im Gruenen, weit und breit keine Stadt, aber jedesmal steigen hunderte von Leuten zu. Kurz vor Sta. Ines ist die Lok kaputt und mit 3h und 40 Minuten Verspaetung erreiche ich Sta. Ines. Auch hier steigen Menschenmassen in den Zug und alle finden irgendwie einen Platz.
Zurueck in Sao Luis versuche ich eine Begenung mit meiner "Freundin" zu vermeiden, laufe ihr aber prompt ueber den Weg. Die 50 Real haben ihre Wirkung nicht verfehlt, denn damit hab ich wohl endgueltig ihr Herz erobert. Ich bin so abweisend wie moeglich, aber sie stoert das nicht in geringsten. Ich sage, ich geh schnell ins Hotel, verstecke mich aber in einem Restaurant. Es ist Samstagabend, aber im Zentrum ist nicht viel los. Doch kaum hatte ich bestellt, hat mich mein Albtraum auch schon gefunden. Die Kellnerin schenkt meiner "Freundin" einen bitterboesen Blick . Was soll das bedeuten? Vielleicht eifersucht, bilde ich mir ein und nehme wortlos mein Essen zu mir. Ich gehe ins Hotel um mich hinzulegen, nicht ohne meiner Freundin zu versprechen, in einer Stunde wieder aufzukreuzen. (Hab ich natuerlich nicht vor)
Um 1.30 Uhr klopft es und ich Depp oeffne die Tuere und wer faellt mir um den Hals? Mir war zum heulen zumute. Sie wollte mit mir schlafen, hier uebernachten, mich heiraten und eine Familie gruenden. Ich aber werfe sie hinaus, doch auch das kuemmert sie nicht, sie bleibt. Doch dann wird mein Ton unmissverstaendlich und sie verzieht sich, doch nicht ohne 10 Real fuer ein Taxi zu fordern (Gestern kostete es noch 50). Doch ich bin muede, sauer und verweigere. Sie geht, nicht ohne sich mit mir fuer den Sonntag zu verabreden.
ich lege mich ins Bett. Mein schlechtes Gewissen schleicht in mir hoch.
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- Marco
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11 Sep 2005 19:55 #1162
von Marco
Marco antwortete auf Re: Tagebuch: Kalleman unterwegs in Brasilien
Bom dia kalleman,
ich wusste, dass dieses Tagebuch das Reise-Forum berreichern wird.
Wirklich klasse, und mit Freude und Spannung habe ich mir sogleich deine Berichte ausgedruckt!
Dir dann alles Gute und viel Glück bei Deiner Reise durch unser Lieblingsland!
Bis zum nächsten Mal,
até breve, Marco
ich wusste, dass dieses Tagebuch das Reise-Forum berreichern wird.
Wirklich klasse, und mit Freude und Spannung habe ich mir sogleich deine Berichte ausgedruckt!
Dir dann alles Gute und viel Glück bei Deiner Reise durch unser Lieblingsland!
Bis zum nächsten Mal,
até breve, Marco
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- Anonymous
12 Sep 2005 12:26 #1164
von Anonymous
Anonymous antwortete auf Re: Tagebuch: Kalleman unterwegs in Brasilien
@ kalleman:
Was ist aus der Geschichte mit der 10-Real-Frau geworden?
Marles
Was ist aus der Geschichte mit der 10-Real-Frau geworden?
Marles
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- kalleman
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- Beiträge: 978
14 Sep 2005 17:03 #1176
von kalleman
kalleman antwortete auf Re: Tagebuch: Kalleman unterwegs in Brasilien
Zu erwaehnen sei hier noch, dass in Brasilien jeder und zu jeder Tageszeit Bier trinkt. Auch keine Frau wuerde ein Bier verschmaehen. Am Strand sowieso. Meist bekommt man eine 0,6 Liter-Flasche. Brahma und Skoll sind ueberall erhaeltlich, mein Lieblingsbier Antarctica ist eher selten anzutreffen.
Am nachsten Tag verlasse ich Sao Luis und somit auch "meine Freundin". Irgendwie kommt wehmut auf. Obwohl Sao Luis mit Sicherheit nicht zu den schoensten Plaetzen Brasiliens gehoert, hab ich diese freundliche Stadt in mein Herz geschlossen.
Am Busbahnhof hat sich seit meinem letzten Besuch vor 5 Jahren nichts geandert. Klein, etwas schaebig. Das Busangebot ist eher magerer geworden. Ich frage mich, warum die diversen Busgesellschaften nicht einfach Abfahrtszeit und Preis veroeffentlichen. So wandert man von Gesellschaft zu Gesellschaft und fragt die Verkauefer aus. Die hingegen sind mit den Antworten meist knapp und man muss saemtliche Informationen aus ihnen rauskitzeln. Es gibt Conventional und Executivo, Leito und Semi-Leito, Golden- und Plus-Service, Top- und Premium-Class und so weiter. Die Unterschiede, wie ich feststelle, liegen meist weniger im Titel, sondern mehr im Baujahr des Busses. Der eine kostet fuer die gleiche Strecke doppelt soviel wie ein anderer, der eine braucht dafuer doppelt so lange etc.
Die Lanchonetten verkaufen in ganz Brasilien eine Art Teigbollen. Manchmal bekommt man sie warm, manchmal kalt, manchmal frittiert. Gefuellt sind sie mit allem moeglichen: Gefluegel oder sonstiges Fleisch, Tintenfisch oder Wuerstchen. Doch ausser den Schinkenbroetchen schmeckt hier alles Uebel.
Ich begebe mich nun nach Parnaiba. Aus Spargruenden gehe ich "Depp" nicht via Barreirinhas und dan en beruehmten Duenen vom Nationalpark des Lencois Maranheses vorbei, sondern nehme den direkten Bus der Gesellschaft Guanabara, deren Bussflotte sehr modern ist und sogar Sicherheitsgurte stehen einem zur Verfuegung. Die Landschaft ist eher karg, flach. So nahe an den Duenen hat sich hier auf dem Sand ein wildes Gestruepp heimisch gemacht. Die Busfahrt waere nicht weiter erwaehnenswert, wenn ich nicht noch fuer ein Chaos gesorgt haette:
Nach einem Zwischenstopp sitzt ein anderer auf meinem Platz 29! Doch der Bus ist fast leer, also setze ich mich auf Platz 33. In Sao Bernardo steigt er aus und eine Frau sitzt auf Platz 29. Dann kommt eine Menschenmenge herein. Diejenige mit Platz 33 sitzt auf Platz 34. Derjenige mit 34 auf einen anderen und so weiter. Das Chaos ist komplett, als festgestellt wird, dass manche Plaetze doppelt gebucht wurden und nicht alle einen Sitzplatz haben. Es wird geschimpft und getadelt, aber alles ohne irgendwelche Aggressionen.
Am Busbahnhof von Parnaiba frage ich nach dem Weg nach dem Portal das Barcas, dem historischen Zentrum. Mir wird versichert, dass sei 5 Minuten zu Fuss, gleich um die Ecke. Also quartiere ich mich gluecklich in die Pousada Littoral gleich gegenueber des Busbahnhofs. Fuer 13 Real kriege ich ein ausgezeichnetes Zimmer mit Bad. Dann laufe ich los, frage noch zwei, dreimal und alle versichern mir, dass es nicht weit sei. Nach einer halben Stunde schnellen Marsches werde ich stutzig. Ich gehe in eine Apotheke und frage nach dem Weg. Die Verkauferin verdreht die Augen und fragt ob ich verrueckt sei, dass Zentrum sei noch mindestens 5 Kilometer entfernt!
Also gehe ich zurueck zum Busbahnhof, denn es ist bereits 9.00 Uhr abends und setze mich in eine Open-Air Bar. Der Kontakt faellt hier leicht. Alles geschieht mit einem Laecheln. Zu spaeterer Stunde setzt sich ein Mann zu mir. Er wirkt sehr gepflegt, aber seine Kleidung ist wenig passend und in seinen Augen glaube ich unglaubliche Traurigkeiten zu entdecken. Er ist sehr symphatisch und wir reden und trinken und er erzaehlt, er sei obdachlos. Er fragt, ob er gehen soll, aber dass kommt fuer mich gar nicht in Frage. Dann will er mir ein Bier offerieren und greift in seine Tasche und zeigt mir einen Riesenhaufen Geld! Ich erfahre, dass er heute, nach 36 Jahren Ehe, von seiner Frau geschieden wurde und er weder ein noch aus weiss. Manchmal ist er den Traenen nahe. Er moechte mit mir in ein Cabaret um etwas Ablenkung zu finden. Ich aber moechte mich nicht in unbekannte Gebiete begeben. Mitunter habe ich wohl auch deshalb jede Reise heil ueberstanden, weil ich mich niemals nachts in Gegenden entfernte, von denen ich keinen Stadtplan und somit keine Orientierung hatte - dadurch habe ich sicherlich auch einige Hoehepunkte verpasst.
Nun ja, durch meine Ungeschicklichkeit habe ich bisher auch nur maessig Glueck mit Frauen (das ist ein anderes Thema :) ) und so betrinken wir gemeinsam unseren Kummer und zelebrieren die Frauen und diskutieren die Wertlosigkeit des Lebens ohne Frau...
Wir verbringen noch ein paar Tage zusammen, besuchen das wunderschoene Parnaiba-Delta. Ich verlasse einen unglaublich grosszuegigen Gastgeber, aber auch einen gebrochenen Mann. Er tut mir unglaublich Leid, er liebt seine Frau wirklich, aber gegen den Lauf der Dinge kann man nichts ausrichten. Und so erinnere ich in an Sam, der Frodo mit den Worten aufmunterte:"Doch eines Tages wird die Sonne wieder kommen und dann wird sie um so heller Strahlen." Oder so aehnlich...
Am nachsten Tag verlasse ich Sao Luis und somit auch "meine Freundin". Irgendwie kommt wehmut auf. Obwohl Sao Luis mit Sicherheit nicht zu den schoensten Plaetzen Brasiliens gehoert, hab ich diese freundliche Stadt in mein Herz geschlossen.
Am Busbahnhof hat sich seit meinem letzten Besuch vor 5 Jahren nichts geandert. Klein, etwas schaebig. Das Busangebot ist eher magerer geworden. Ich frage mich, warum die diversen Busgesellschaften nicht einfach Abfahrtszeit und Preis veroeffentlichen. So wandert man von Gesellschaft zu Gesellschaft und fragt die Verkauefer aus. Die hingegen sind mit den Antworten meist knapp und man muss saemtliche Informationen aus ihnen rauskitzeln. Es gibt Conventional und Executivo, Leito und Semi-Leito, Golden- und Plus-Service, Top- und Premium-Class und so weiter. Die Unterschiede, wie ich feststelle, liegen meist weniger im Titel, sondern mehr im Baujahr des Busses. Der eine kostet fuer die gleiche Strecke doppelt soviel wie ein anderer, der eine braucht dafuer doppelt so lange etc.
Die Lanchonetten verkaufen in ganz Brasilien eine Art Teigbollen. Manchmal bekommt man sie warm, manchmal kalt, manchmal frittiert. Gefuellt sind sie mit allem moeglichen: Gefluegel oder sonstiges Fleisch, Tintenfisch oder Wuerstchen. Doch ausser den Schinkenbroetchen schmeckt hier alles Uebel.
Ich begebe mich nun nach Parnaiba. Aus Spargruenden gehe ich "Depp" nicht via Barreirinhas und dan en beruehmten Duenen vom Nationalpark des Lencois Maranheses vorbei, sondern nehme den direkten Bus der Gesellschaft Guanabara, deren Bussflotte sehr modern ist und sogar Sicherheitsgurte stehen einem zur Verfuegung. Die Landschaft ist eher karg, flach. So nahe an den Duenen hat sich hier auf dem Sand ein wildes Gestruepp heimisch gemacht. Die Busfahrt waere nicht weiter erwaehnenswert, wenn ich nicht noch fuer ein Chaos gesorgt haette:
Nach einem Zwischenstopp sitzt ein anderer auf meinem Platz 29! Doch der Bus ist fast leer, also setze ich mich auf Platz 33. In Sao Bernardo steigt er aus und eine Frau sitzt auf Platz 29. Dann kommt eine Menschenmenge herein. Diejenige mit Platz 33 sitzt auf Platz 34. Derjenige mit 34 auf einen anderen und so weiter. Das Chaos ist komplett, als festgestellt wird, dass manche Plaetze doppelt gebucht wurden und nicht alle einen Sitzplatz haben. Es wird geschimpft und getadelt, aber alles ohne irgendwelche Aggressionen.
Am Busbahnhof von Parnaiba frage ich nach dem Weg nach dem Portal das Barcas, dem historischen Zentrum. Mir wird versichert, dass sei 5 Minuten zu Fuss, gleich um die Ecke. Also quartiere ich mich gluecklich in die Pousada Littoral gleich gegenueber des Busbahnhofs. Fuer 13 Real kriege ich ein ausgezeichnetes Zimmer mit Bad. Dann laufe ich los, frage noch zwei, dreimal und alle versichern mir, dass es nicht weit sei. Nach einer halben Stunde schnellen Marsches werde ich stutzig. Ich gehe in eine Apotheke und frage nach dem Weg. Die Verkauferin verdreht die Augen und fragt ob ich verrueckt sei, dass Zentrum sei noch mindestens 5 Kilometer entfernt!
Also gehe ich zurueck zum Busbahnhof, denn es ist bereits 9.00 Uhr abends und setze mich in eine Open-Air Bar. Der Kontakt faellt hier leicht. Alles geschieht mit einem Laecheln. Zu spaeterer Stunde setzt sich ein Mann zu mir. Er wirkt sehr gepflegt, aber seine Kleidung ist wenig passend und in seinen Augen glaube ich unglaubliche Traurigkeiten zu entdecken. Er ist sehr symphatisch und wir reden und trinken und er erzaehlt, er sei obdachlos. Er fragt, ob er gehen soll, aber dass kommt fuer mich gar nicht in Frage. Dann will er mir ein Bier offerieren und greift in seine Tasche und zeigt mir einen Riesenhaufen Geld! Ich erfahre, dass er heute, nach 36 Jahren Ehe, von seiner Frau geschieden wurde und er weder ein noch aus weiss. Manchmal ist er den Traenen nahe. Er moechte mit mir in ein Cabaret um etwas Ablenkung zu finden. Ich aber moechte mich nicht in unbekannte Gebiete begeben. Mitunter habe ich wohl auch deshalb jede Reise heil ueberstanden, weil ich mich niemals nachts in Gegenden entfernte, von denen ich keinen Stadtplan und somit keine Orientierung hatte - dadurch habe ich sicherlich auch einige Hoehepunkte verpasst.
Nun ja, durch meine Ungeschicklichkeit habe ich bisher auch nur maessig Glueck mit Frauen (das ist ein anderes Thema :) ) und so betrinken wir gemeinsam unseren Kummer und zelebrieren die Frauen und diskutieren die Wertlosigkeit des Lebens ohne Frau...
Wir verbringen noch ein paar Tage zusammen, besuchen das wunderschoene Parnaiba-Delta. Ich verlasse einen unglaublich grosszuegigen Gastgeber, aber auch einen gebrochenen Mann. Er tut mir unglaublich Leid, er liebt seine Frau wirklich, aber gegen den Lauf der Dinge kann man nichts ausrichten. Und so erinnere ich in an Sam, der Frodo mit den Worten aufmunterte:"Doch eines Tages wird die Sonne wieder kommen und dann wird sie um so heller Strahlen." Oder so aehnlich...
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