× Reiseberichte, Erfahrungen für Reisen nach Lateinamerika, insbesondere Brasilien. Karneval in Rio, Regenwald und Amazonas – der grüne Kontinent steht Euch offen, was interessiert Dich am meisten?

Tagebuch: Kalleman unterwegs in Brasilien

26 Sep 2005 14:12 #1256 von kalleman
Ich stehe früh auf. Ich habe schon längst kene Uhr mehr. Wurden meine beiden Wecker geklaut? verloren? Was weiss ich, es geht problemlos ohne Uhr. Doch ich bin nicht der Erste der wach ist. Ein Norweger ist auch schon im Aufenthaltsraum. Wie ich braucht er kaum schlaf. Er sollte nach Hause, entschied sich aber gerade via Belem - Amazonas - Leticia nach Cartagena (Kolumbien) zu gehen. Wie gerne würde ich ihm folgen, aber ich bin pleite!
Ich entscheide meist erst beim Aufstehen, wohin die Reise heute geht. Der Norweger meint dazu, dass ich somit schon eher Brasilianer sei als Europäer!
Ich packe meine sieben Sachen und gehe nach Lapa. ich bin nicht bereit 30 Real für ein schmutziges Hostel zu bezahlen. Gleich neben der Metrostation Gloria ist die Pousada Benjamin Constant und ich bekomme ein Zimmer für 15 Real mit allgemeinen Bad. Der Angestellte ist sehr lustig, die Dusche und Toilette sauber, das Zimmer ein Loch. So klein, dass gerade ein Bett reinpasst. Doch irgendwie fühle ich mich in kleinen Zimmern wohl.
Heute fahre ich mit der Bonde, einem Tram, dass nach Santa Teresa fährt. Ich weiss nicht, wie alt es ist, schätze es aber auf das vorletzte Jahrhundert. Die Fahrt eröffnet einem einen Blick auf einen Teil von Rio: Endlose Häuser, ich schätze, es sind Favelassiedlungen, daneben moderne Türme. Alles in allem scheint Rio aber eher aus besseren und schlechteren Favelas zu bestehen. Ab und zu hüpfen Fahrgäste auf und ab, ein Polizist an Bord sogt für ein sicheres Gefühl. Die Reise endet an einer Baustelle. Keine Ahnung, ob hier jede fahrt endet oder ob die Baustelle schuld ist. Zutun gibts hier nichts, also zurück.
Im Supermarkt stehe ich jeweils kurz vor einem emotionalen Ausbruch. Die Schlangen sind lang, doch das kümmert die Verkäuferin nicht. Langsam und gemächlich wird getippt oder eingescannt. Und als sie endlich fertig ist, fängt sie an die eben verkaufte Ware in Plastiksäcken einzupacken! Unglaublich langsam. Eigenartigerweise wird mir die Ware jeweils nicht eingepackt. Vielleicht sieht man mir meine Ungeduld an.
Nicht wenige Kunden warten, bis alles eingepackt ist und kämen wohl nie auf die Idee, selber mitanzupacken. Interessant ist auch das Kaufverhalten. Zuerst wird alles in einen Einkaufswagen gelegt. Einfach alles, was dem Brasilianer auffällt. Dann an der Kasse entscheidet er sich, was er effektiv kaufen will. Den Rest lässt er im Wagen und dieser Wagen bleibt vor der Kasse und ist fortan allen im Weg, bis ein Angestellter ihn wegräumt. Nun hat der Brasilianer seine Ware auf dem Band, doch jetzt fällt ihm auf, dass etwas fehlt und so läuft er noch x-Mal hin und her.
Es ist Freitagabend, in Lapa solls abgehen. Es wimmelt von Partysüchtigen und als ich mitten in der Menschenmenge den berühmten Äquadukt des Trams unterquere, sehe ich einen kräftigen Mann mit einer kaputten Bierflasche in der Hand. Diese hält er drohend in seiner Hand! ich begreife zuerst nicht, was hier geschieht, doch dann höre ich ihn sagen: "Give me your money!" Ich sehe einen blonden Gringo, der bedroht wird. Er schüttelt den Kopf und läuft gemächlich weiter. Ich bin fasziniert ab seiner Coolheit und es wirkt. Der Täter droht noch ein paar Mal, gibt dann aber auf. Das Ganze geschieht einen halben Meter neben mir! Ich bin sofort hellwach gehe in die Mitte der Strasse und dann in eine Bar um die Gedanken zu ordnen. Ich hatte unglaubliches Glück! Die Menschenmenge gab dem Täter Sichtschutz, denn die Polizei ist hier überall präsent. Er hat wahrscheinlich gar keine Absicht gehabt, sein Opfer zu verletzen - es hätte die Aufmerksamkeit der Polizei geweckt. Ich gehe zurück nach Cinelandia, denn die Lapas Bars mit Livebands haben alle schicke Türsteher und die Damen, welche die Clubs betreten haben teure Kleider an.
In Cinelandia finde ich zuerst eine Bar mit Livemusik, doch kaum habe ich ein Bier bestellt, ist sie auch schon zu Ende. Eine ältere, eher hässliche Frau spricht mich an. Sie spricht Französisch, ist mit einem Franzosen verheiratet. Wir unterhalten uns eine Weile und sie sagt zum Abschied, dass ich mich hier in Acht nehmen soll. Es ist gefährlich hier. Doch das einzige, was man mir nehmen könnte, ist meine Gesundheit. ich habe sonst nichts an Wert dabei und so laufe ich wachsam weiter, der Musik folgend. Ich komme in eine Bar, in der junge Gäste die Musik machen. Herrlich. Wie ich hier in Rio feststelle, ist es sehr leicht mit alten Leuten in Kontakt zu kommen, etwas schwieriger ist es mit den Jungs und mit den jungen, nichtprostituierten Frauen eher schwierig. Zumindest, wenn man nicht gerne tanzt.
Ich lerne hier in dieser Bar zuerst ältere Leute kennen, worauf die Jungs die Chancen packen und sich ebenfalls ins Gespräch einlinken. Ihre Frauen halten sich auf Distanz. Es beginnt zu regnen. heftig. Finish Party!
Ich lauf nach Lapa zurück und tatsächlich ist hier nicht mehr viel los in den Strassen, dafür in den Clubs. ich stelle fest, sie sind sehr günstig. Ich verpflanz mich in den ersten, Samba und Forro. Frauen werden zum Tanz aufgefordert und drei Minuten später wird bereits rumgeknutscht! Unglaublich! Ich spreche ein Mädchen an. Sie interessiert mich, weil sie aussieht wie eine Vietnamesin. Sie versteht mein Interesse für ihre Herkunft nicht. Bald kommt ein anderer Gringo und fordert sie zum Tanz auf.
Ich gehe in einen anderen Club. Hier läuft HipHop! Ich lerne hin und wieder Leute kennen, aber die Kontakte sind meist kurz. Dennoch überrascht mich die Generosität der Jungs. Plötzlich kommt einer, füllt mein Bierglas auf und geht wieder! Ein Mädchen steht alleine auf dem Balkon. Lucia, in Manaus geboren. Sie muss jedoch gleich nach Hause, möchte sich mit mir aber morgen treffen. Sie verlässt die Disco allein. Bisher hielt ich es für unmöglich, dass Brasilianer alleine etwas unternehmen! Ich laufe nach Gloria zurück. ich laufe schnell, die Gegend ist dunkel, Menschen schlafen in den Ecken, auf der anderen Seite ist ein Park. Alles geht gut. Wie immer.

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27 Sep 2005 16:20 #1261 von kalleman
Ich rufe Lucia nicht an. Einerseits muss ich bald nach Hause, andererseits bin ich fast pleite und koennte nichtmal generoes sein. Zu guter letzt sind die Brasilianerinnen Meister der Taeuschung. Wie soll man da einer Vertrauen? Aber ich bin nervoes, denn heute beginnt die Hattrick-Saison ( www.hattrick.org ). Es ist eine Art Online-Fuissballmanager. Du spielst jeden Samstag gegen andere Gegner. Es ist voll krank, aber Hattrick ist ein Teil von mir. Die ganze Nacht studierte ich an der Aufstellung rum und ich frage mich, ob ich noch normal bin. Doch zuerst kaufe ich im Supermarkt Brot und Schinken. Wahnsinnig billig, wahnsinnig schmackhaft. Dann setze ich mich in eine Bar an der Copacabana in der Nähe eines Internetcafes - im Zentrum sind am Samstag die I-Cafes zu, soviel ich weiss. Ich treffe eine gute Wahl. Die Kellner sind witzig, eine Frau ist schon am Biertrinken und wird es den ganzen Tag sein. Ich find sie total lustig. Sie ist schon so komisch angezogen. Baseballmütze, langer Pullover, Jeans. Alles wirkt ein bisschen unordentlich und passt nicht zusammen. Dazu quasselt sie hohle Phrasen und lacht sich danach kaputt. Gleich daneben ist ein Frisoer. Er hat viel zu tun. Ab und zu kommen die Kundinnen mit einer Duschhaube auf dem Kopf in die Bar, kaufen eine Zigarette, rauchen sie und gehen wieder in ihren Salon.
Ich breche auf ins Internetcafe. Meine Hattrick-Mannschaft hat 4:2 gewonnen! Ich strahle uebers ganze Gesicht und gehe in die Bar zurück. Gilberto und seine Kollegin wollen mit mir in eine Disco in Lapa. Ich sage zu, mahne aber, dass meine letzte Metro um elf fährt und ich auf jedenfall ins Zentrum kommen will und zwar nicht im Bus! Zu schlecht ist der Ruf der Nachtbusse, zu auffaellig mein Aeusseres.
Gilberto versichert mir, dass er hier und dort jeden kennt und es mit ihm absolut sicher sei. Dann zeigt er mir seine beeindruckenden Muskeln. Wir brechen auf, Gilberto verschwindet, er sei sich angeblich umziehen gegangen, sagt seine Kollegin. Doch um halb elf ist er immer noch nicht da und ich entschuldige mich bei seiner Kollegin und gehe zur Metro. Es ist mir wichtig, nach Gloria zu kommen. Keine Ahnung, wenn dieser Gilberto wieder aufgetaucht waere.

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27 Sep 2005 17:15 #1262 von kalleman
Mein letzter Tag in Rio! Ich bereue es, hier soviel Zeit investiert zu haben. Es ist wie auf meiner letzten Reise! Ich verbrachte 10 Tage in Rio, ich kann mich einfach nicht von dieser Stadt losreissen.
Heute ist Sonntag und am Sonntag ist an der Copacabana jeweils Strandparty. Doch heute nicht. Es stuermt und regnet, es ist kalt: Finish party.
Ich fahre U-Bahn. Die Linie 2 ist oberirdisch und ich so fahre ich an diesem Riesenbetonkuebel Maracana vorbei. Von aussen wirkt es nicht besonders schoen. Dann der Blick auf Rio. Ich sehe wieder Huetten, deren Waende aus Kehrichtsaecken bestehen. Daneben weniger armselige Huetten, doch so weit man Auge reicht: Ich sehe nur diese typischen Haeuser aus den Favelas. Besteht Rio fast nur aus Favelas? Rio mag eine wunderschoene Lage haben, wunderschoene Ausflugsziele, doch abseits der Touristenstroeme finde ich Rio ausserordentlich haesslich. Eine Stadtplanung scheint es hier nicht gegeben zu haben.
Nachdem ich mich an der Copacabana vergewissert habe, dass tatsaechlich nirgends Partystimmung ist, laufe ich ein bisschen durch die Gassen, als ich an einer Bar vorbeikomme und mich jemand ruft. Es ist die Saengerin, die ich am Donnerstag kennengelernt hatte und heute Abend ein 'Konzert' gibt. Sie sitzt an der Theke mit ihrer Kollegin und trinkt einen Caipirinha und bittet mich um einen Real! Ich fasse es nicht. Sie trinkt einen Caipirinha und bittet mich um Geld? Ich frage mich langsam, ob dieser Satz in Brasilien einfach zur Gespraechseinleitung dazu gehoert.
Ich setze mich in eine dieser kleinen Bars an den Strassenecken und schaue Fussball. In der Ecke sitzt ein alter Mann, er sieht gluecklich aus. Jeder der in seine Naehe kommt versucht er einzuladen und irgendwann bin ich dran. Es ist Barbosa, 83, Kriegsveteran. Er hat im 2. Weltkrieg in Monte Castello gekaempft. Sofort gehoert ihm mein groesster Respekt. Statt im mehr oder weniger ruhigen Brasilien zu sitzen, war er bereit, fuer die Befreiung Europas zu sterben. Respekt. Als ich mich verabschiede sagt er mit einem strahlendem Lachen: Er ist immer hier! Sempre! Ich soll ihn doch wieder mal hier besuchen kommen.
Eigentlich wollte ich den Abend an der Avenida Atlantica verbringen. Doch es windet heftig, alle Restaurants sind leer, ausser diejenigen mit den 'Schwalben'. Vor 5 Jahren hatte ich sogar mit 3 Prostituierten in einem Ein-Zimmer-Apartement gewohnt. Erst mit der Zeit Begriff ich, was sie tun. Ihre grenzenlose Naivitaet erschrak mich damals. Fuer was sollen sie einen Monat lang arbeiten, wenn sie die gleiche Summe in einer Nacht verdienen koennten. Eine von ihnen sparte fuer ein Auto, sie braucht einen Wagen. Warum wusste sie nicht. Die eine hatte schon einmal in Irland gelebt, jetzt liebt sie einen Amerikaner - mit Sportwagen. Ich stellte damals aber fest, dass sie sich in denjenigen verlieben, der ihnen die teuersten Geschenke machte. "First I didn't like him, but then he made me presents ein I start to love him!" Diesen Satz sagte mir damals Denise. Der erste Streit brach vom Zaun, als ich mich im Supermarkt weigerte, ihnen ihre neugekauften Kleider zu bezahlen!
Ich moechte aber nicht mutterseelenallein den letzten Abend verbringen. Ich brauche etwas Geräuusche um mich rum und so rueste ich mich mental und gehe in die Schwalbenbar. Ich schaue auf die Karte und bestelle einen Chopp fuer 3 Real. Geht noch, denke ich. Visa akzeptieren sie hier nicht. Die Frauen gehen in Position. Die erste kommt und bittet mich um ein Bier. Glaubt sie wirklich, dass dies jemals funktioniert? Eine beherrscht das Naeherkommen perfekt und ich fange mit ihr an zu reden - nicht zuletzt, weil sie konsumiert und mir die anderen Frauen vom Halse haelt. Dabei muessen Brasilianer im voraus bezahlen, Gringos nicht. Sie ist aus Fortaleza, besucht ihre Schwester, bleibt 4 Monate hier. Sie beginnt mich zu umwickeln, staendig Beruehrungen, ein Kuss. Es laeuft ueberall gleich ab. Sie fragt mich, ob ich noch einen Chopp wolle, doch ich sage, ich hab kein Geld mehr und VISA akzeptieren sie nicht. Sofort fragt sie die Kellnerin, ob sie VISA tatsächlich nicht akzeptieren! Danach will sie mir ein Bier offerieren. EIn alter Trick. Dein Bier kriegst du sowieso nie. Meinen Chopp nehm ich mit auf die Toilette. Zuviele negative Geschichten ueber Drogen im Getraenk sind mir bekannt.
Ich frage sie, ob wir nicht in eine guenstige Bar wollen und sie sagt zu.
Nun steckt die Frau aus Fortaleza ihre Ziele ab. noch bin ich der Lustigste und Coolste. Dann sagt sie, dass sie niemals fuer Sex Geld annimmt, aber wenn ich sie kaufen wuerde, wieviel waere sie mir Wert? Sie fragt sehr detailiert ueber Unterkunft etc.. Da sie feststellt, dass sie mit mir kein Geld verdienen wird, muss sie mich nun los werden. Ploetzlich ist sie kalt und unnahbar. Ich gehe meinen Chopp bezahlen. Doch nun kostet er 4.40 R.! Ich stelle fest, dass sie mir vor der Bestellung eine andere Karte hingehalten haben, diese Abzocker!
'Mein' Maedchen laesst den Wein, den sie gerade trank, zurueckstellen und sagt 'Moment' und schon ist sie weg. Der verdutzte Blick der Kellnerin macht mir klar, dass erst wieder kommt, wenn ich weg bin. Nun spiele ich aber mein "Game". Sie wird mich so schnell nicht los. Ich laufe kurz um die Ecke und komme zurueck. Schon habe ich sie erwischt, denn kaum war ich um die Ecke kam sie aus ihrem Versteck hervor. Sie behauptet, dass sie noch auf eine Amiga warten muss, die ihr Geld bringt. (Diese Geschichte kenn ich ja auch schon von irgendwo) Ich biete ihr an, dass sie nicht mit mir mitzukommen brauche. Aber sie ist feige und verlogen und sagt, dass sie mitkommen will. Also warte ich neben ihr. Ab und zu spielt sie mit ihrem Handy. Ab und zu laeuft sie zur Telefonzelle um ihrer Amiga zu telefonieren. Fuer wie dumm haelt sie mich? Um halb elf Uhr dann entlasse ich sie wieder in ihre Bar, ich muss auf die letzte Metro. Doch die eine Station ist ausser Betrieb - wegen Bauarbeiten. So 'rase' ich zur naechsten. Ein Typ mit Black Sabbath T-Shirt und langen Haaren bittet mich um Hilfe. Er sei im Bus ausgeraubt worden und muesse noch nach Niteroi. Er kann Englisch. Keine Ahnung, ob er die Wahrheit spricht, aber was habe ich denn fuer eine Wahl? Ich will die Wahrheit gar nicht wissen. Er macht mir aber einen ehrlichen Eindruck. Aber was heisst das schon in Brasilien? Sie scheinen hier nicht die gleichen Moralvorstellungen zu haben wie ich.
Ich biete dem Mann an, ihm ein Metroticket zu kaufen, den Rest besprechen wir in der Metro. Hier ist es zu gefaehrlich. Es ist erst 22.50 Uhr haben und die Metro fährt ofiziell bis 23.00 Uhr - heute nicht. Der wunderbar beleuchtete Busersatz verweigert uns die Fahrt. Und jetzt bin ich froh um meinen 'Kumpel'. Er fuehrt mich zum richtigen Bus, und sagt mir, wo ich aussteigen soll. Als Gegenleistung verschaffe ich ihm die finanziellen Mittel, damit er nach Hause kommt. Alleine waere es nicht so einfach gewesen. Ich fuhr zuvor noch nie Bus in Rio, schon gar nicht im dunkeln. So sind wir beide gluecklich.

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27 Sep 2005 17:47 #1263 von kalleman
Ich bin wieder am Busbahnhof Rio Novo. Nur was ist daran schon neu. Ich möchte ein Nachtbusticket nach Sao Paulo lösen. Es gibt ein halbes dutzend Busgesellschaften, welche nach Sao Paulo fahren. Alle zum selben Preis und gleicher Komfort. "Jaja, der freie Markt"..., denke ich. Ähnlich ist es bei den Taxis. Es gibt vier Gesellschaften. Die vier Kabinen stehen auch gleich nebeneinander und die Frauen in diesen Haeuschen kämpfen um jeden Kunden. "Oi, psss, Tax, oi". Wer sich dem Taxistand nähert wird hart umkämpft, so wählt man in der Regel jenes Häusschen, dessen Verkäuferin einem am besten gefällt. Der Witz dabei ist, dass es fixe Preise gibt, dass heisst, alle 4 Taxigesellschaften haben dieselben Preise. Draussen hingegen sehe ich nur Taxis einer Gesellschaft. Ich bin verwirrt. Es wäre doch wesentlich kundenfreundlicher, wenn es nur eine Gesellschaft gäbe. Aber das darf man ja nicht sagen, wie meine Erfahrung mit meinen Kollegen von der HSG St. Gallen (renommierte Wirtschaftsuni) schon früher gezeigt hatten. Der freie Markt...
Der Bus ist grandios, ich schlafe wie ein Murmeltier. Der Busbahnhof Tiete von Sao Paulo ist genauso, wie ich mir einen Busbahnhof einer Millionstadt vorstelle. Riesig, modern. Auch haben sie hier nur eine Taxigesellschaft. Es kommt mir alles viel weniger lärmig vor. Kein Oii, Psss, oder dieses mit dem Kugelschreiber ans Fenster klopfen, wenn man vorbeiläuft. Es ist schon fast wie zu Hause - ausser dass wir (zum Glück) keine Busbahnhöfe haben. Das Busticket zum Flughafen Garulhos kostet 26 Real! So frage ich die Information, ob es nicht noch andere Wege gibt und es gibts sie. Ab der Metrostation Tabaute oder so ähnlich gibt es einen Airportbus. Es ist 08.00 Uhr und ich habe über die Metro Sao Paulo gelesen, dass sie immerzu verstopft sei. Doch dem ist heute mitnichten so. Kaum ist ein Zug draussen, folgt der nächste. Unglaubliche Frequenz! Ich fahre zuerst zur Estacao Luz, dem Bahnhof. Ich will ihn mir ansehen. Ein riesiges, schönes Gebäude, es wird für Vorortszüge benutzt. Angeblich sollen von hier auch Züge Richtung Ourinho und Campinas fahren.
Sao Paulo begrüsst mich mit strahlendem Sonnenschein. Die Stadt wirkt aufgeräumt, von schlechter Luft nichts zu riechen. Sie macht mir einen freundlichen Eindruck. Endlich bei der Metro angekommen, geht es weiter, oberirdisch. Der Kontrast zu Rio ist augenfällig. In Rio wirk alles verlottert, baufällig. Die Häuser sind einstöckig. Hier sieht man soweit das Auge reicht nur Hochhäuser!
Der Flughafen Garulhos ist eine Enttäuschung. Wieder einmal stelle ich fest, wie hier abgezockt wird. Wie auch auf dem Flughafen Lissabon und später in Malpensa. Da lob ich mir doch die Schweiz. Alles ist sauteuer, aber überall gleichteuer. Egal ob auf dem Rigi, Flughafen oder im Dorfladen. Überall kostet es etwa gleichviel. Diese extremen Preisaufschläge an den Flughäfen finde ich schon ziemlich dreist. Auch sonst gibt es hier nicht viel zu tun.
Das Flugzeug der Alitalia ist topmodern. Alles verläuft bestens. Kurz vor der Landung träume ich, dass ich gerade das Frühstück abgelehnt habe, wache auf und alle essen Frühstück - aller ausser ich. Es war kein Traum. Grmml.
Die Reise ist zu Ende! Es war mit Sicherheit nicht meine schönste Reise. Brasilien ist teuer geworden, zumindest im Vergleich zu meiner ersten Reise. Das Wetter war zu schlecht. Dennoch war es wiedermal ein schönes Erlebnis, ich bin wieder viel entspannter. Reisen ist zu schön.
Was habe ich mit diesem Tagebuch zu erreichen versucht? Ich habe einfach meine Gedanken, meien Erlebnisse 1:1 zu schildern versucht. Jeder erlebt Reisen anders. Vielleicht erlebten manche dasselbe. Viele Fragen bleiben offen. Vieles hab ich nicht verstanden. Ich hoffe aber, den ganz normalen Backpackeralltag näher gebracht zu haben. Die kleinen Problemchen auf Reisen. Ich möchte mich bei Marco für die Möglichkeit ein Tagebuch zu führen ganz herzlich danken!

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02 Okt 2005 19:13 #1275 von Marco
Bom dia Kalleman,

recht herzlichen Dank für dieses spannende Tagebuch. Es hat überaus Freude bereitet, täglich deine neuesten Berichte zu lesen!
Willkommen in der heimatlichen Schweiz,

bis dann, es grüßt Marco :D

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03 Okt 2005 15:56 #1284 von Thommy O.
Thommy O. antwortete auf Anrufen
Hi Kallermann,

Du haettest mich mal als Du in Rio warst, anrufen sollen. Es haette Dir vielleicht andere Ecken zeigen koennen.. aber Du hast schon die "Hauptstationen" abgelaufen...

Gruss
Thomas alies Thommy O.

In Rio @ <a class="postlink" href="www.thommyo.com/RioBlog/">www.thommyo.com/RioBlog/

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05 Okt 2005 12:34 #1292 von kalleman
Ja Thommy, das ist sehr schade. Aber ich war ja nur so kurz dort und wollte eigentlich gleich weiter nach Paraty. Jedesmal beim Aufstehen sagte ich mir, jetzt gehen wir (ich und mein Rucksack) weiter, aber ich komme einfach von Rio nicht los. Diese Stadt ist Himmel und Hölle, Glanz und Zerfall, voller Gegensätze. Ich liebe und hasse sie. Aber sie ist unglaublich spannend, sie vibriert und lebt.

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