Ende vergangenen Jahres kam die SV Eintracht Trier 05 Fußballfibel (Verlag: Culturcon medien) als Band 39 auf den Markt, und dieses blau-schwarz-weiße Gemeinschaftswerk weiß wahrlich zu überzeugen. Viele Köche verderben den Brei? Nicht so in Deutschlands ältester Stadt! Wie es zu diesem Buch kam und was es zum Beispiel mit all den Pokalschlachten sowie mit der Freundschaft mit Metz und der Freundschaft einiger Fußballfreunde mit der Fraktion H des BFC Dynamo auf sich hat, wird im folgenden Interview erklärt, das wir mit einem Teil des Redaktionsteams der Eintracht-Fibel führen durften. Für dieses Interview standen Katja Morneweg (Fanprojekt), Matthias Röcke (Haupttribüne), Gil Kalny (Insane Ultra) und Pascal Berens (reiseTRuppe) Rede und Antwort.
Pokalschlachten und Freundschaft mit Metz: Interview mit dem Fibel-Autorenteam von Eintracht Trier
turus: Kürzlich kam die „SV Eintracht-Trier 05 Fußballfibel“ aus der Druckerei. Eine Frage, die immer zuerst gestellt werden muss. Wie kam der Kontakt zum Herausgeber Frank Willmann zustande? Gab es einen langen Vorlauf oder ging es gleich „zur Sache“?
Katja: Frank Willmann hat sich im Herbst 2018 im Fanprojekt Trier gemeldet, ob wir nicht jemanden wissen, der eine Fußballfibel über Eintracht Trier schreiben will. Wir haben dann rumgefragt und es stellte sich recht bald heraus, dass viele das machen wollten und richtig gut fanden, aber alle sagten, ein ganzes Buch sei Ihnen zu viel. Also haben wir einen Aufruf gemacht und das erste Treffen war so Ende 2018 mit einigen Interessenten und es war recht schnell die Idee geboren, da etwas gemeinsames mit vielen Autoren zu machen. Dann wurden schon erste Themenideen gesammelt und einige schrieben gleich los. Im Laufe der Zeit blieben einige bis zum Ende dabei, ein paar stiegen auch aus wegen Zeitmangel und einige kamen nach weiteren Aufrufen oder von sich aus noch dazu. Zur einfacheren Bearbeitung und Entscheidungsfindung haben wir dann ein Redaktionsteam gebildet mit 5 Leuten. Nach und nach kamen also immer mehr Seiten zusammen und im Endeffekt wurde die ursprünglich vorgegebene Maximalseitenanzahl überschritten. Dort kam uns Bernd Oeljeschläger vom Verlag auf die Initiative von der Lektorin Anne Hahn hin (vielen Dank Anne!) dann aber entgegen, vielleicht auch, weil dieser früher selbst mal die Schuhe für Eintracht Trier geschnürt hat?!
turus: Die Dicke des Buches ist mit 218 Seiten beachtlich. Schaut man auf das Cover, so sieht man oben als Autor „Fanszene Trier“. Wenn wir richtig gezählt haben, waren 21 Autoren/-innen an dieser Fußballfibel beteiligt. Das wurde bislang nur von der „FC Sankt Pauli Fußballfibel“ übertroffen. Da stellt sich gleich die Frage, wie kriegt man bei einem Buchprojekt so viele Leute unter einen Hut? Und ja, wer hatte eigentlich den Hut auf?
Pascal: Den Hut darf sich ganz klar das Fanprojekt Trier, in Person von Katja, aufziehen. Katja war die Person die das Organisatorische, vor allem mit dem Verlag, geklärt hat, ebenfalls an allen Redaktionssitzungen teilnahm und am Ende zusammen mit mir das endgültige Skript aus den vielen verschiedenen Texten der Autoren zusammengestellt hat. Und dies nicht nur in Ihrer Funktion als Fanprojektmitarbeiterin, sondern auch in Ihrer Freizeit, insbesondere als das Fanprojekt nach der Insolvenz des Trägervereins sozusagen aufgelöst wurde. Vielen Dank dafür und: Fanprojekt erhalten!
turus: Wie lange hat die Arbeit an diesem Buch gedauert und was waren die größten Schwierigkeiten?
Pascal: Also von der ersten Anfrage bis zum fertigen Buch vergingen ungefähr zwei Jahre. Die größte Schwierigkeit lag natürlich darin, aus den vielen verschiedenen Texten mit Ihren verschiedenen Schreib- und Erzählstilen ein Gesamtwerk entstehen zu lassen. So wurde viel diskutiert und auch immer wieder die Reihenfolge der Texte und damit auch die kurzen Zwischentexte geändert, bis die jetzige Abfolge stand. Aber gerade diese Vielfalt der Fanszene und damit der Autoren und deren Texte ist glaub ich auch die Stärke des Buches, da dadurch wirklich für Jeden was Passendes dabei ist.
turus: Von 1976 bis 1981 spielte Eintracht Trier in der 2. Bundesliga Süd, von 2002 bis 2005 wurde nochmals das Abenteuer 2. Bundesliga in Angriff genommen. Die meisten Fußballfreunde werden jedoch vor allem die großen Pokalschlachten in den 1990ern und in jüngerer Vergangenheit im Kopf haben. Gibt man bei Google „Pokalwunder Trier“ ein, so wird man sogleich fündig. Was war für Euch DAS DFB-Pokalspiel schlechthin?
Matthias: Ganz klar das Halbfinalspiel gegen den MSV Duisburg (1:1, 9:10 i. E.) Die Siege zuvor gegen Schalke 04 und Borussia Dortmund waren zum Jubeln, Duisburg zum Hoffen und Bangen. Es ging nicht nur um das DFB-Pokalfinale, sondern auch um den Europapokal der Pokalsieger (selbst bei einer Niederlage gegen den FC Bayern im Endspiel). Die Eintracht im Europapokal – erst der elfte Elfmeter (Torwart gegen Torwart) hat das verhindert! Schade aber unvergessen.
turus: Im vorliegenden Buch erfährt man sehr viel über den Verein aus verschiedensten Perspektiven. Wenn Ihr das Ganze in fünf kompakten Sätzen zusammenfassen müsst - was macht für Euch den SV Eintracht Trier 05 aus?
Matthias: Es ist eben ein ganz besonderer Verein. Es gibt wohl nur sehr wenige Vereine in der aktuellen Oberliga, die in ganz Deutschland bekannt sind – der SV Eintracht Trier 05 gehört dazu. Warum? Es ist ein Traditionsverein, die Nummer eins einer ganzen Region, er hat lange erst- und zweitklassig gespielt und über spektakuläre Pokalerfolge immer wieder für Aufmerksamkeit gesorgt. Die Fanszene in ihrer jeweiligen Ausprägung ist der Eintracht über Jahrzehnte treu geblieben bis hin zur zeitgemäßen Fankultur. Heute machen 1.500 Zuschauer in der Fankurve und auf der Tribüne so viel Stimmung wie zwei Klassen höher 5.000. Nackenschläge aller Art – zweimal fehlte ein einziges Tor in der Abschlusstabelle zum Aufstieg beziehungsweise Klassenerhalt in der zweiten Liga, eine Insolvenz musste durchgestanden werden – haben den Zusammenhalt nur gestärkt. Der Verein lebt, selbst in der Oberliga!
turus: Müsste man aus dem Kopf die Stadt Trier auf der geistigen Landkarte verorten, würden die meisten die Stadt „irgendwo“ an der Grenze südlich von Aachen eintragen. Schaut man dann auf die Karte, gibt es meist einen Aha-Effekt. Nach Luxemburg ist nur ein Sprung. Wie sehr hat man im Alltag mit dem Nachbarland zu tun? Gibt es beim Fußball irgendwelche Berührungspunkte zu Vereinen in Luxemburg?
Gil: Im Bereich Fußball besteht die Verbindung zum Nachbarländchen hauptsächlich dadurch, dass ehemalige Spieler der Eintracht im gesetzteren Alter Ihren Lohn auf der anderen Seite der Grenze verdienen. Aus Sicht der Fanszene ist das Nachbarland recht uninteressant, da in Luxemburg keine wirklich gewachsene Fankultur vorzufinden ist. Obwohl dort die Vereine regelmäßig am der Quali für den Europäischen Wettbewerb teilnehmen. Bei europäisch bzw. Europa wären wir dann auch direkt im Alltag, den dort ist die Grenze nicht wirklich vorhanden. Trierer arbeiten in Luxemburg, Luxemburger in Trier, Trierer fahren zum Tanken, Tabak und Kaffee kaufen rüber und Luxemburger kommen für den Alltagseinkauf nach Trier. Zum Fußball zurück, viele Luxemburger kommen, wie ich selbst, aus Luxemburg zur Eintracht oder fahren halt nach Metz zum FCM.
Katja: Wenn man von woanders her kommt, wie ich aus Hessen, sieht man recht deutlich, was hier Alltag ist: Hier in der Region ist man der Idee „Europa“ wohl am nächsten und das es Grenzen gibt, war erst zu Zeiten von Corona zu spüren.
turus: Eure Fanfeundschaft mit Metz wird hierzulande oft bestaunt. In der Fußballfibel ist ja einiges dazu geschrieben, doch könnt Ihr an dieser Stelle noch einmal kurz erzählen, wie es zu dieser Freundschaft mit dem französischen Schwergewicht kam?
Gil: Ein Punkt auf den wir immer wieder angesprochen werden. Vor über 12 Jahren verirrte sich eine Abordnung der Metzer nach Trier zu unserem Heimspiel gegen Lotte und doch kam es zu keiner Begegnung mit unserer Gruppe, die sich damals noch in der Findungsphase befand. Eben diese 7 Metzer fanden sich dann zwei Wochen später gegen Leverkusen erneut in Trier ein und durch die vorherige Kontaktaufnahme traf man sich nach Abpfiff in der Ostkurve auf ein Bier. Im Anschluss ging es dann in die Innenstadt, wo gemeinsam weitere Biere getrunken wurden. Aus diesem ersten Treffen entstand dann nach und nach die Freundschaft zur GG95, die sich dann auf die weiteren Gruppen und Fans der Tribune Quest ausweitete. Aktivster Ankerpunkt heute ist heute die Gruppa Metz. Aber auch darüber hinaus steht die Freundschaft auf sehr breiten Beinen in der gesamten Fanszene, gerade auch aufgrund der Historie. Metz ist Partnerstadt von Trier und auch das allererste Fußballspiel vom Trierer Fußballclub 1905 (Vorgängerverein von Eintracht Trier) fand gegen Metis Metz (Vorgängerverein FC Metz) statt, auch wenn dies nur ein Freundschaftsspiel war. Die heutige Freundschaft ist einfach unglaublich wichtig für uns als Gruppe „Insane Ultra“ und auch für die Fanszene an sich. Sie ist für uns einfach fester Bestand des Ganzen.
turus: Manch einem dürfte bekannt sein, dass es auch eine Freundschaft zwischen einigen Fans des BFC Dynamo (Fraktion H) mit einer Gruppierung von Eintracht Trier gibt. Im Buch ist dazu nichts zu lesen. Wurde dies bewusst weggelassen oder bezieht sich diese Freundschaft einfach nur auf eher wenige Einzelpersonen? Beim BFC sah man indes bei größeren Spielen häufig eine Fahne aus Trier schwenken.
Pascal: Die Freundschaft besteht auf Trierer Seite hauptsächlich zur Gruppe Suburbia Rebels und einigen Einzelpersonen. Da keine betroffene Person dieser Freundschaft am Buch mitgeschrieben hat, gehört es sich meiner Meinung nach auch nicht, über diese zu schreiben. Die Jungs vom BFC werden aber zumindest in einem besonderen Spielbericht (Wuppertal) kurz erwähnt.
turus: Gil Kalny schildert im Buch sehr beeindruckend die denkwürdige Auswärtsfahrt nach Wuppertal, als es zu mehreren massiven Polizeieinsätzen kam und dabei sogar ein Warnschuss abgegeben wurde. Dieses Kapitel geht dem Leser wirklich nahe. Wie sahen das Ganze eigentlich die Älteren aus den Fankreisen von Eintracht Trier, die nicht mit dabei waren? Die Angelegenheit ging ja schließlich deutschlandweit durch die Medien und warf medial mitunter ein schlechtes Licht auf den Verein.
Gil: Obwohl diese Tour schon etwas her ist, bleibt diese doch allgegenwärtig. Auch Jahre später denkt man doch immer mal wieder an den An- und Abreiseweg nach Wuppertal. Warnschuss von der Polizei. Was hätte passieren können? Stichwort Querschläger, gerade mit Blick nach Italien. So etwas setzt sich fest im Kopf. Die Wahrnehmung der Fans, die nicht dabei waren, war natürlich zuerst geprägt von der medialen Berichterstattung, die sich hauptsächlich auf die Randalierer, Chaoten und sogenannte Fans stürzte. Erst in späteren persönlichen Gesprächen konnte dies etwas gerade gerückt werden. Wir sind beileibe keine Kinder von Traurigkeit, aber dies war dann doch ein extrem überzogener Einsatz mit dem „Höhepunkt“ Warnschuss. Der gesamte Vorfall wurde dann nicht nur vor Gericht, sondern auch intern in der Gruppe und der Fanszene aufgearbeitet. Der stürmische Wind der ersten Tage nach dieser Fahrt legte sich nach und nach immer mehr, gerade nach den Freisprüchen vor Gericht. Aber definitiv keine einfache Zeit für uns.
turus: Thema keine einfache Zeit - Corona-Krise. Wie gestalteten sich bei Euch die letzten Monate? Gab es besondere Aktionen vom Verein? Geistertickets? Soli-Shirts? Das Ganze ist für aktive Fanszenen ja eine enorme Bewährungsprobe. Wie ist Eure Einschätzung? Kann es am Tag X wieder wie gewohnt weiter gehen in der Fankurve oder wird der eine oder andere aktive Fan bis dahin abgesprungen sein?
Pascal: Auch dieses Thema wird in unserer Fibel aufgegriffen. So gab es in den letzten Monaten mehrere Aktionen der Fanszene. Eine virtuelle Auswärtsfahrt, neue Fanartikel, SCT Weihnachtssingen im virtuellen Rahmen, Weihnachtskalender und mehr, um sowohl den Verein als auch verschiedene karitative Einrichtungen zu unterstützen. Auch der „Autorenlohn“ der Fibel kommt dem Verein als Spende zu Gute. Der Verein selbst war aber auch nicht untätig und brachte z.B. ebenfalls neue Fanartikel an den Mann/die Frau und verkaufte Soli-Tickets und Weihnachtslose. Gerade unser junger Geschäftsstellenleiter Björn Berens, der seit 2019 im Amt ist, leistet dort sehr gute Arbeit, was man auch mal lobend erwähnen muss. Und auch in naher Zukunft wird es sowohl von Vereins- als auch von Fanseite aus, weitere Aktionen geben.
Auf Tag X freuen wir Fußballfans uns natürlich alle; wenn wir wieder unter normalen Umständen in die Stadien der Republik zurückkehren können. Ob und wann diese normalen Umstände wieder erreicht werden, steht aber wohl noch in den Sternen, sodass eine Hervorsage nicht wirklich möglich ist. Wenn es dann zu einer Öffnung der Stadien mit Bedingungen wie vor Corona kommen sollte, denk ich nicht, dass eine relevante Anzahl an aktiven Fans weggebrochen sein wird. Viel eher glaube ich, dass einige aufgrund der langen Abstinenz wieder richtig Feuer fangen werden. Das gilt aber wohl nur für die unteren Ligen, wie beispielsweise unsere Oberliga. Im Profifußball wird es wohl anders aussehen. So zumindest meine Vermutung.
Gil: Ich hab bei dem Thema leider die Befürchtung, dass Corona noch lange Zeit als Art Rechtfertigung herhalten wird um das aktive Ausleben der Fankultur einzuschränken. Ausschließlich Sitzplätze, Gästefanverbote, personalisierte Tickets usw. Ein Zustand wie vor Corona oder besser wie vor etlichen Jahren, wird es meiner Meinung nach leider nicht mehr geben. Wie die Fanszenen dann mit dieser neuen Realität nach Corona umgehen werden, werden wir dann sehen. Es wird ein harter Kampf um jeden Zentimeter Fankultur.
turus: Bislang sind ja etliche Fußballfibeln erschienen. Standet oder steht Ihr in Kontakt mit anderen Autorinnen und Autoren? Lesungen mit Publikum sind ja aktuell leider nicht möglich. Plant Ihr eventuell Online-Lesungen?
Pascal: Kontakt zu anderen Autoren gab und gibt es nicht, jedoch wurde die ein oder andere Fibel vorher mal überflogen um sich einen Eindruck zu holen, wie diese aufgebaut sind. Online-Lesung ist diskutiert worden, aber wird es wohl nicht geben. Viel eher wollen wir nach Corona mit den Autoren, Protagonisten und allen anderen Eintrachtfans in großer, gemütlicher Runde zusammenkommen und bei einem kühlen Bier über das Buch und seine Geschichten sprechen.
turus: Vielen Dank für das Interview! Bleibt alle gesund!
Fotos: Fanprojekt Trier, Josef Frisch, Markus Welsch, Frank Grunert, Fabian Kleer
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