Es war erstaunlich, wie viele Freunde, die am Samstagnachmittag beim Testspiel SV Lichtenberg 47 vs. BSG Chemie Leipzig vorbei schnupperten, noch nie zuvor das Hans-Zoschke-Stadion betreten hatten. Premiere also für einige der insgesamt 443 zahlenden Zuschauern, unter denen auch ein paar Werder-Fans waren, die anschließend weiter zum Bundesligaspiel bei der Alten Dame düsten. Zudem kursierten einige Fragen. Manch einer stritt sogar ab, dass die 47er schon einmal im Rahmen eines Pflichtspiels gegen die Leutzscher gekickt hatten. Zudem stellte jemand die Vermutung an, dass das Stadion aufgrund seiner Bauweise aus den 1930er Jahren stammen müsse. Und was hieß eigentlich die Abkürzung „EAB“? Zwar war ich bereits ein paar Mal im Zoschke.Stadion zu Gast gewesen, doch bei den zweiten Punkten musste ich selber noch einmal nachschauen. Immer wieder drängt sich im Geiste die „Elektrokohle“ auf, doch diese kam im alten Vereinsnamen zu DDR-Zeiten nicht vor. Vielmehr stand das „EAB“ für „Elektroprojekt und Anlagenbau“. Ja, ein bisschen untypisch. Zumindest der erste Teil. Apropos, das „EAB“ trugen die Lichtenberger erst seit der Fusion im Jahre 1969 im Namen. Vor dem Zusammenschluss mit der BSG Elpro ging man ganz schlicht und einfach als SG Lichtenberg 47 an den Start.
SV Lichtenberg 47 vs. BSG Chemie Leipzig: Munterer Frühlingskick bei tollem Ambiente
Wieder was gelernt! Dass es jedoch einmal zu Duellen mit den Chemikern kam - da war ich mir sicher. Und richtig, in der DDR-Oberliga-Saison 1950/51 waren Lichtenberg 47 und Chemie Leipzig gemeinsam im Fußballoberhaus. Damals wurden die 47er als Aufsteiger in die Berliner Stadtliga gemeinsam mit Union Oberschöneweide und dem VfB Pankow kurzerhand in die DDR-Oberliga delegiert. Sich in dieser zu halten, war jedoch sehr schwer. Nach recht guter Hinrunde musste Lichtenberg 47 am Ende den Weg in die Zweitklassigkeit antreten. Und ja, Meister wurde damals: Die BSG Chemie Leipzig! Die Heimspiele der 47er wurden in jener Saison im Schnitt von 1.865 Zuschauern besucht. Allerdings nicht in der eigentlichen Heimspielstätte. Aufgrund von Umbaumaßnahmen wurden von 1950 bis 1952 die meisten Heimspiele im Lichtenberger Stadion an der Herzbergstraße ausgetragen. Am 14. September 1952 wurde schließlich das Stadion an der Normannenstraße (Zoschke-Stadion) neu eröffnet. Und um ganz kurz noch mal auf das „EAB“ zu sprechen zu kommen: Am Fanartikelstand werden neuerdings Schals mit dem Emblem der BSG EAB Lichtenberg 47 angeboten. Feine Sache!
Aktuell ist der SV Lichtenberg 47 in der Nordstaffel der NOFV-Oberliga vor Tennis Borussia Berlin an der Tabellenspitze zu finden. Dieses Mal möchten die 47er den Sprung in die Regionalliga Nordost wagen. Schaut man sich das Zoschke-Stadion an, so dürften die meisten der Meinung sein: Nur zu! Regionalliga in dieser coolen Spielstätte wollen wir alle sehen! Keine Rundlaufbahn, eine gute Lage, ein schönes Vereinsheim, rundum ein sehr nettes Ambiente! Beim Testspiel gegen die Chemiker wurden gleich drei Stände aufgebaut, und demzufolge musste niemand lange anstehen, um sich eine hopfige Erfrischung bei diesem genialen Frühlingswetter zu holen.
Bereits vor dem Spiel hatten sich einige ältere Chemiker auf der Terrasse vor dem Vereinsheim gemütlich gemacht. Und schau mal an! Es wurden sogar grüne Sitzkissen ausgelegt. Später wurde sich dort auf der Gegengerade aufgestellt, wo später wohl auch der eingezäunte Gästebereich zu finden sein wird. Wenn denn der Aufstieg wirklich gelingen wird. Schätzungsweise 150 Chemie-Fans waren vor Ort, und diese hatten sogar einen recht bekannten grünen Stoff dabei: Leutzscher Hölle.
Auf dem Rasen entwickelte sich eine muntere Partie. Auch die BSG Chemie Leipzig möchte bekanntlich in der Südstaffel den Aufstieg packen, und demzufolge war diese Partie ein echter Härtetest vor dem beginnenden Ligaalltag. Nach etwas über einer halben Stunde köpfte Patrick Jahn zum 1:0 für Lichtenberg 47 ein. Zehn Minuten später wurde Thomas Brechler prima angespielt, dieser eilte allein nach vorn, umkurvte den Chemie-Keeper und schob zum 2:0 ein. Da kiekste, wa? Ja, ein wenig überraschend war das Ergebnis schon.
Chemie ließ sich jedoch nicht lumpen, legte im zweiten Spielabschnitt ein Schippchen drauf und konnte nun ebenso zwei Treffer erzielen. Nach einer Stunde bekamen die Lichtenberger hinten den Ball nicht raus, daraufhin wurde auf der linken Seite Kai Druschky angespielt, und dieser besorgte aus spitzem Winkel den 1:2-Anschlusstreffer aus Sicht der Leutzscher. In der 71. Minute machte Ryutaro Omote nach klasse Spielzug über die rechte Seite den Ausgleichstreffer klar. Nun ertönte auch das „Chääämie, Chääämie!“ aus der Gästeecke. Die Partie blieb flott, und Chemie hatte das 3:2 auf dem Fuß, doch am Ende blieb es beim unter dem Strich verdienten Unentschieden. Noch ein Bierchen mit einem Stralsunder Freund - und dann nichts wie los zum nächsten Spiel nach Charlottenburg. Hertha BSC gegen SV Werder Bremen? Nein, es rief des kleine Eishockey-Derby ECC Preussen Berlin vs. EHC Eisbären Juniors (Landesliga Berlin) in der Halle am Glockenturm…
Fotos: Marco Bertram