Um zehn Uhr vormittags beim Fußball am Start sein?! Das wäre früher für mich ein Ding der Unmöglichkeit gewesen. Um zehn? Um ZEHN? Da wurde sich sonntags noch einmal in der nestwarmen Koje umgedreht. Freitag- und Samstagabende wurden in der Regel lang, demzufolge wurde Sonntagvormittag ausgenüchtert. Es sei denn, es stand eine Auswärtssause an. In jenem Fall wurde halt im Sonderzug noch ein Mütze voll Schlaf nachgeholt. Zeiten ändern sich jedoch. Und an Ausschlafen ist am Wochenende eh nicht zu denken, weil die Kinder einfach nicht umschalten wollen von „früh zur Kita und zur Schule“ zu „so, jetzt einfach mal Ruhe bis neun“. Ganz im Gegenteil: Muss unter der Woche kurz nach sieben Alarm gemacht werden, um den Großen aus der Koje zu holen, so wird am Sonntag um sieben fleißig mit dem kleinen „Bären-Bruder“ auf der Couch getobt. Da kannste wirklich um neune locker in die U-Bahn steigen und zum Fußball düsen.
Polonia Berlin vs. Hürtürkel II: Kantersieg und Kästchen Piwo zu tschechischer Uhrzeit
In den 90ern fand ich es irre, was auf der Insel manchmal für Anstoßzeiten anstanden. In Deutschland war man so sehr auf Samstag 15:30 geeicht, dass selbst 13:30 bereits völlig abstrus wirkte. Aber okay, an die eine oder andere Anstoßzeit haben wir uns bereits gewöhnt. 10 Uhr kennt man jedoch eher nur vom Jugendfußball und - ganz wichtig! - vom tschechischen Fußball. Welcher Hopper nahm noch nicht das berühmte 10:15 Uhr-Spiel bei Viktoria Zizkov mit? Lecker Wurst und tschechisches Bierchen zum Frühstück!
Es geht alles. Und einen enormen Vorteil hat solch eine frühe Anstoßzeit. Nach dem Spiel steht einem noch der ganze Nachmittag zur Verfügung. Es sei denn, nach drei Klobasa und zehn Becher Piwo muss sich erst mal abgelegt und ausgenüchtert werden. Kurzum: Mit dem größeren Sohn an der Hand ging es gestern früh mit U7 und U6 in Richtung Tegel. Eine Station vor Ende geht es raus zum Sportplatz am Borsigpark. Intuitiv möchte ich immer "Borsigplatz" schreiben, doch liegt dieser bekanntlich ein paar hundert Kilometer weiter westlich in der Dortmunder Nordstadt. Auf dem Dortmunder Borsigplatz wurden bereits etliche Titelgewinne von Borussia Dortmund gefeiert, am Berliner Borsigpark dürfte es ebenso in Kürze eine Meisterfeier geben.
Alles ein paar Nummern kleiner, doch nicht weniger emotional. Der 2012 ins Leben gerufene FC Polonia Berlin ist in der Staffel 2 der Kreisliga B ganz klar auf Meister- und Aufstiegskurs. Die ersten beiden Mannschaft dürfen hoch, doch es sieht es ganz danach aus, dass der FC Polonia Rang eins halten wird. Wenn schon, denn schon! Der Vorsprung auf Platz drei beträgt derzeit elf Punkte, und bei neun ausbleibenden Partien darf langsam gerechnet werden, wann der Aufstieg in trockenen Tüchern sein könnte.
Am gestrigen Vormittag war die zweite Mannschaft des BSV Hürtürkel zu Gast am Borsigpark, und die Vermutung lag nahe, dass es wieder etwas ruppiger werden könnte. Beim Hinspiel am Columbiadamm, das Polonia mit 4:2 für sich entscheiden konnte, gab es einige gelbe Karten und eine rote Karte für Hürtürkel II. Noch arger ging es zuletzt beim Auswärtsspiel bei Anadoluspor Berlin II auf der Lohmühleninsel zu, wo es gleich zwei Platzverweise für den Gastgeber gab und das Spiel aufgrund der nicht zu dämmenden Emotionen für 15 Minuten unterbrochen werden musste.
Um es gleich vorweg zu nehmen: Am gestrigen Vormittag erwies sich der BSV Hürtürkel II als sehr fairer Gegner. Darauf angesprochen, meinte ein BSV-Spieler lachend: „Hey klar, wir müssen doch alle am Montag früh wieder arbeiten…“ Und dabei verlief das Spiel in sportlicher Sicht aus Hürtürkel-Sicht alles andere als erfreulich. Eine Viertelstunde konnte der Kasten sauber gehalten werden, dann ließ es Konrad Cudny das erste Mal klingeln. Mit Durchsetzungsvermögen machte Marek Klimek in der 24. Minute das 2:0 für den FC Polonia Berlin. Nachdem Konrad Cudny kurz vor der Pause zum 3:0 nachlegen konnte, war ziemlich klar, dass aus Heimsicht nix mehr anbrennen würde.
Apropos brennen. Erfreulicherweise war der kleine Imbiss geöffnet, doch der aufgestellte Grill wurde nicht in Betrieb genommen. Die Würste lagen bereit, doch vor 12 würde es nichts werden. Man wollte erst einmal das Wetter abwarten. Noch war es freundlich, doch konnte sich das schnell ändern. Das muss einfach das große Projekt sein für die kommende Saison in der Kreisliga A. Ein eigener Grill muss her, auf dem die Kiełbasa Śląska gebrutzelt werden kann. Beim Pokalspiel gegen Tennis Borussia Berlin hatte man bereits einen Vorgeschmack, was alles gehen könnte beim FC Polonia.
An zwei Dingen mangelte es jedoch gestern nicht: An weiteren Toren und an Piwo nach Abpfiff. Polonia spielte im zweiten Spielabschnitt locker auf. Konrad Cudny machte in der 51. Minute seine dritte Bude des Tages, neun Minuten später traf Lukasz Dawid Isalski vom Punkt aus zum 5:0. Dabei blieb es nicht. Tomasz Waldemar Ryba, Kamil Ryszard Borowski und Lukasz Jan Bacinski erhöhten zum 8:0-Endstand. Kurzerhand wurde nach Abpfiff vom Sohnemann eine polnische Fahne auf ein ausfahrbares Stativ geschoben, der berühmte Kreis wurde gebildet, und mit brachialer Lautstärke ertönte es: „Kim jesteśmy? - Polonia!!!“ Anschließend gab es noch ein Gruppenbild, und dann konnte in der weiß-rot angestrichenen Kabine die polnische Mucke aufgedreht und das Flaschenbier geöffnet werden…
Fotos: Marco Bertram
Ligen
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Dziękujemy:)