hammerhearts

1. FC Union Berlin vs. Hamburger SV: 2:0 für die Eisernen - na kiek ma eener an!

Eine Aufstiegsfeier wurde am gestrigen Tag bereits mitgenommen, und zwar die des ambitionierten FC Polonia Berlin, der am Vormittag mit einem 1:0-Sieg den Aufstieg in die Kreisliga A in trockene Tücher bringen konnte. Zwei, drei polnische Piwo, dazu die lecker gebrutzelte Kiełbasa Śląska. Zwar würde unser Felix wieder im Stadion An der Alten Försterei die Arbeit übernehmen und Fotos anfertigen, doch wollte ich es mir nicht nehmen lassen, während des Spiels ein wenig im Stadionumfeld herumzustromern. Einfach mal kieken, blöde auf der Brücke stehen und an der Tanke ein Bierchen holen. Kurzum: Einfach das Ganze mal von außen wahrnehmen. Vom Borsigpark in Tegel ging es quasi einmal durch die ganze Stadt. Zwischendurch wurde der Rucksack daheim abgelegt, um später die Hände frei zu haben. Fürs Biertrinken versteht sich. 

Am Bahnhof Schöneweide durfte bewundert werden, wie das gesamte Mittelstück zwischen Eingangsportal und Bahnsteige bereits abgerissen wurde. Fußballfans waren hier keine mehr zu sehen, das Spiel lief bereits. Ohne Druck und Sack und Pack mal ganz locker zu einem Spiel zu düsen, hatte auch mal was. Als ich ankam, wurde innen gerade die zweite Halbzeit angepfiffen. Der Torjubel hallte durch ganz Köpenick. Robert Zulj hatte soeben direkt nach dem Pausentee das 1:0 für die Eisernen erzielt. Wie dies zustande kam, würde ich erst später in der Zusammenfassung sehen können. 

Auf dem Gelände vor der Haupttribüne und an den Zugängen war weniger los als gedacht. Ich hatte vermutet, dass weitaus mehr skurrile Gestalten durch die Gegend tigern würde. Am Einlasstor zur Ecke am Gästeblock standen ein paar Hamburger Fußballfreunde, das war´s dann aber auch. Am Zaun nahe des Zeughauses lagen die Materialien von der zu Beginn gezeigten Choreo. Der 15. Geburtstag der Gruppierung „Hammerhearts“ wurde gebührend gefeiert, am oberen Rand der Choreo wurden ein paar rote Fackeln abgebrannt. Ich freute mich auf die Fotos von Felix. Ein wenig gequalmt hatte es im Gästeblock. Es gab also was fürs Auge.

Ich hielt kurz gedanklich inne und plante meine kommenden 45 Minuten. Nun gut, zum Terrain hinter der Waldseiten-Tribüne wollte ich nicht wirklich gehen. Ich beließ es dabei, mehr auf Gästeseite zu schauen. Mit einem lauten Plopp öffnete ich auf der Brücke über die Wuhle mit dem Schlüsselbund eine Flasche Bier. Da kiekste, wa? Ich stand allein am Brückengeländer und betrachtete die frisch angebrachten Aufkleber. „Hamburg Digga“, „Derbysieg“, „Nur der HSV“, „Fuck FCSP“, „Lawless Hamburg“, „Castaways Ultras“, „ACAB - Sektion HH“. Ich feierte innerlich ein wenig ab und ließ mir das Bierchen schmecken. Das Polizeiaufgebot auf der Straße war beachtlich. Von einer großen Anspannung war allerdings nix zu spüren. Locker quatschten die Beamten an den Fahrzeugen. 

Ohne Bierflasche schaute ich wenig später direkt am Einlass zum Gästeblock vorbei. Auch hier herrschte Ruhe. Von Typen, die auf Stress aus sind und am Zaun herumlungern, war keine Spur. Ich spazierte noch ein Stück weiter am Ufer der Wuhle entlang und entdeckte im Gebüsch einzelne, halb zugewachsene Zaunfelder aus DDR-Zeiten, die einst das gesamte Gelände umgaben. Aus ähnlichen Zaunfeldern wurden einst die markanten, mächtig hohen Zäune hinter den Toren hochgezogen. Das Kopfkino begann wieder zu rattern.

Mein erstes in diesem Stadion gesehene Fußballspiel war im Juni 1992 das Aufstiegsrundenspiel gegen den VfL Wolfsburg. Irre, dass das nun bereits mal eben 27 Jahre her ist. Hätte ich mir damals träumen lassen, dass ich ein Vierteljahrhundert später um das Stadion stromern und auf die Hamburger, Rostocker und Berliner Kumpels warten würde, um mit diesen nach Abpfiff in Köpenick noch ein Bierchen zu zischen?

Neee, hätte ich nicht. Meine „Fußball-Laufbahn“ hatte Anfang der 1990er ja gerade erst begonnen. Ich hatte echt keinen Plan, wo die Reise hingehen würde. Damals beim Kick gegen die Wolfsburger bestaunte ich mit großen Augen die schiefen, sandigen Stufen und die besagten hohen Zäune hinter beiden Toren. Ich war damals in der Ausbildung, wohnte bereits seit einem Jahr im Rheinland und war auf Heimaturlaub. In der zweiten Halbzeit entdeckte ich zwei, drei mir bekannte Gesichter unter den BFCern, die nach ihrem eigenen Aufstiegsrundenspiel noch einmal auf den Rängen in Köpenick vorbeischauten. Darunter war auch einer aus der einstigen Parallelklasse an der POS. In den Pausen nahm das stämmige Kerlchen die anderen allzu gern in den Schwitzkasten, und nach der Schule in Mahlsdorf schleuderte er auch mal seine Schultasche in die Speichen der vorbeiradelnden Mitschüler.

Wat für Zeiten damals. Irre, einfach nur irre! Ebenso irre, wie sich der 1. FC Union Berlin gemausert hat. Was für teils triste Zeiten mussten in den 1990ern durchlebt werden. Im Herbst 1995 dachte ich nach dem 0:1 gegen Hertha Zehlendorf an einem Mittwochabend vor nicht einmal 1.000 Zuschauern, dass nun endgültig die Lichter ausgehen würden. Enttäuschte Union-Fans belagerten damals in der Dämmerung die Geschäftsstelle und Umkleidekabinen. Kaum etwas erinnert am heutigen Stadion an die Zeit vor 25 Jahren. Die einzelnen halb verrosteten Zaunfelder im Gehölz dürften eine der wenigen Erinnerungsstücke sein. 

Just in dem Moment, als ich ein Handyfoto von solch einem alten Zaunsegment anfertigte, ertönte oben im Stadion der zweite Torjubel des Nachmittags. Prömel hatte abgezogen und der Ball rauschte vom Innenpfosten in die Maschen. 2:0 für die Eisernen. Krasses Ding! Nach zuletzt fünf Spielen ohne Sieg sollte nun der Dreier gegen den HSV gelingen. Echte big points, wie man so schön sagt. In Scharen verließen nun die ersten HSV-Fans den Gästeblock und liefen an der Wuhle vor zur Straße.

So ein Mist, wie könne man hier bei Union ohne echten Stürmer antreten, hörte man immer wieder. Es reicht derzeit einfach nicht für Liga eins, erklärte einer. Nur einen einzigen Sieg gab es in den letzten achten Spielen. Und diesen gab es nicht in der Liga, sondern im DFB-Pokalviertelfinale. Immerhin: Beim SC Paderborn 07! Dieser kletterte an diesem Spieltag hoch auf Rang zwei. Und ja, in Paderborn muss der HSV in zwei Wochen antreten.

Nach Abpfiff blieb es ruhig auf  den Straßen. Routiniert zeigte die präsente Polizei den Gästefans den Weg. Nein, an der Wuhle können man nicht entlang laufen. Das Auto stehe dort hinten in einer Straße? Da könne ja jeder kommen. Einfach einen Bogen durch das Wohnviertel laufen und dann den Schlenker nach links zurück zum Ufer der Wuhle. Von einem Garten aus wurde ein Einkaufswagen prall mit Bierbüchsen gefüllt. Meinen Rostocker Kumpel hatte ich inzwischen treffen können. Her mit vier Pilsetten! XXX knallt am dollsten! Dem armen Hamburger Freund mal gleich ein Dosengetränk mitgebracht, doch hatte dieser so richtig die Schnauze voll und befand sich mit seinem Auto bereits auf der Heimfahrt. Auch er hatte direkt nach dem 0:2 die Biege gemacht.

Dass es auf Seiten der Unioner im Umfeld des Bahnhofs Köpenick nur entspannte Gesichter zu sehen gab, liegt auf der Hand. Nein, mit einem Sieg habe man im Vorfeld nicht wirklich gerechnet. Wenn es in der vergangenheit am Ende der Saison mal drauf ankam, wurden entscheidende Spiele dann doch mal zu gern vergeigt. Union hat wahrlich ein interessantes Restprogramm vor sich. Zuerst auswärts nach Darmstadt, dann daheim gegen den 1. FC Magdeburg, dann zum Abschluss zum VfL Bochum! Man darf gespannt sein!

Fotos: Felix, Marco Bertram

> zur turus-Fotostrecke: 1. FC Union Berlin

> zur turus-Fotostrecke: Hamburger SV

Artikel wurde veröffentlicht am
29 April 2019
Spielergebnis:
2:0
Zuschauerzahl:
22.000

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Inhalt über Liga
1. Bundesliga

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