Die „etwas“ Älteren unter uns werden sich noch ganz, ganz dunkel erinnern können. Am 26. April 1970 konnte der F.C. Hansa Rostock die Viertelfinalpartie im FDGB-Pokal beim 1. FC Magdeburg mit 2:0 für sich entscheiden. In der Runde zuvor wurde im Wiederholungsspiel der BFC Dynamo mit 2:0 bezwungen. Schluss war damals allerdings im Halbfinale, beim 1. FC Lokomotive Leipzig musste sich Hansa denkbar knapp mit 1:2 geschlagen geben. Ebenfalls im Viertelfinale konnte Hansa Rostock am 23. März 1966 mit 1:0 beim 1. FC Magdeburg gewinnen. Im Halbfinale unterlagen die Rostocker beim Überraschungsteam BSG Lokomotive Stendal mit 0:1. Stendal! Okay, okay, da rattert doch gleich wieder das Kopfkino. Doch über Stendal wollen wir jetzt nicht sprechen. Vielmehr über Magdeburg!
Feuer frei! Erster Rostocker (Liga-)Sieg in Magdeburg seit 1965!
HotIm Ligabetrieb gelang dem F.C. Hansa Rostock vor dem heutigen Tag noch nie (!) ein Sieg in Magdeburg. Wie gesagt, dem F.C. Hansa! Als am 21. Februar 1965 der 2:1-Sieg im Ernst-Grube-Stadion gelang, hieß der Verein noch SC Empor Rostock. In Magdeburg wurde zu jenem Zeitpunkt noch als SC Aufbau Magdeburg der Ball rollen gelassen. Ende des Jahres wurden dann im Zuge der Herauslösung der Fußballsektionen der F.C. Hansa Rostock und der 1. FC Magdeburg als reine Fußballclubs ins Leben gerufen. Und um auf den 21. Februar 1965 zurückzukommen: Vor rund 8.000 Zuschauern erzielten Kurt Habermann und Gerd Sackritz die Treffer für den SC Empor. In all den Folgejahren gab es in Magdeburg nichts mehr zu holen. Wenngleich zahlreiche Partien recht knapp ausgingen, ein Auswärtssieg in der Liga wollte einfach nicht mehr herausspringen.
Aufgrund des einjährigen Zweitligabenteuers der Magdeburger lag der letzte Auftritt der Rostocker beim 1. FCM bereits zwei Jahre zurück. Demzufolge gab es eine überaus große Vorfreude auf den Auftritt in Magdeburg zu vermelden. Ratzfatz waren die Gästetickets ausverkauft, und wer eine hatte, durfte sich glücklich schätzen. Auf verschiedensten Wegen wurde auf Straßen- und Schienenweg angereist. Und wer undercover vom Hauptbahnhof aus zu Fuß gen Stadion marschierte, hatte vor Ort seine liebe Mühe einen passenden Zugang - vorbei an den FCM-Graffiti - zum Gästebereicheingang zu finden.
Im Stadion selbst ist inzwischen wieder die halbe Heimtribüne geöffnet, so dass ein Großteil der aktiven Magdeburger Fanszene wieder seinen Platz im Block U einnehmen konnte. Mit schwarzen Folien wurde der untere Bereich verhangen, so dass anfangs nur das Spruchband „Du bist niemals alleine“ zu sehen war. Fast auf den Tag genau vor drei Jahren kam der FCM-Fan Hannes ums Leben, bis heute konnten die Umstände seines Todes nicht geklärt werden. In Gedenken an Hannes gab es im Block U ein riesiges Porträt (eingerahmt von gehaltenen schwarzen Folienstreifen) von ihm zu sehen, oben und unten wurden dazu zahlreiche rote Fackeln angezündet.
Reichlich Pyrotechnik kam auch im Gästeblock zum Einsatz. Zudem hieß bei einigen Hansa-Fans das Motto: Dreh die Bomber auf Orange! Richtig hitzig wurde das Ganze in der Schlussphase, als im Gästeblock teilweise die eigenen Stoffe abgenommen und gezogene Magdeburger Utensilien (Schals, Fahne, Shirts) in Brand gesteckt wurden. In einem Bereich schritten Magdeburger Ordner zur Tat und das Ganze drohte zu eskalieren, zudem standen an einem Rettungstor vermummte Magdeburger bereit. Zum Abpfiff wurde von der Gegengerade aus ein heftiger Polenböller in Richtung Gästefans geworfen. Dieser hatte sich im Netz verfangen und ist anschließend in den Tunnel zur Tribüne gefallen.
Als sich das Ganze wieder beruhigt hatte, kam die Mannschaft des F.C. Hansa zu den Fans und feierte den historischen Auswärtssieg. Mit 1:0 konnte Rostock am heutigen Nachmittag gewinnen, den Treffer des Tages erzielte der slowenische Stürmer Nik Omladič, der im vergangenen August von Greuther Fürth an die Ostseeküste kam. Vor seiner Zeit in Fürth hatte er bei Eintracht Braunschweig, NK Olimpija und Rudar Velenje gespielt. Seit dem achten Spieltag der laufenden Saison ist er eine feste Größe in der Mannschaft des F.C. Hansa, und sein erster Treffer im Trikot mit der Kogge auf der Brust ist sogleich ein Tor für die Ewigkeit! Prima wurde ihm zuvor der Ball von Aaron Opoku in den Lauf gelupft, ebenso prima konnte er die Vorlage bewerten und am FCM-Keeper vorbei den Ball einschieben.
Bitter für den 1. FC Magdeburg, denn dieser war prima in die Partie gestartet! So gab es vor dem Rostocker Führungstreffer in der 33. Minute gleich fünf hochkarätige Möglichkeiten zu verzeichnen. Bereits nach drei Minuten zog Manfred Osei Kwadwo einfach mal aus der Distanz ab, doch Hansa-Keeper Markus Kolke konnte den Ball zur Seite abwehren. Nachdem das Spiel aufgrund der starken Nebelentwicklung kurz unterbrochen werden musste, legte der 1. FCM auf dem Rasen weiter los. Nach einer scharfen Hereingabe setzte Christian Beck den Ball knapp neben das Gehäuse. Wenig später gab es nach einem Freistoß zu einer Doppelchance. Zuerst war wieder Kolke bei einem Kopfball zur Stelle, dann wurde der Ball von Thore Jacobsen über den Querbalken geköpft.
In der 26. Minute hatte dann Rico Preißinger nach einem Rostocker Abwehrfehler das 1:0 auf dem Fuß, doch schoss er aus rund 15 Metern einfach nicht platziert genug, so dass Kolke den Ball halten konnte. Es schaute gut aus für Magdeburg, der zu feiernde Führungstreffer schien nur eine Frage der Zeit zu sein, und im Block U durfte wieder gehüpft werden. Drei Minuten später brachte Gjasula einen direkten Freistoß prima aufs Rostocker Tor, doch wieder war Kolke auf dem Posten und lenkte den Ball über die Latte.
Tja, und dann öffnete das Phrasenschwein seinen Schlitz ganz, ganz weit. Wenn du vorn die Dinger nicht machst, dann kriegste hinten einen rein. So geschehen in der 33. Minute, als Nik Omladič das 1:0 für Rostock erzielen konnte. Logisch, dass es nun einen Jubelorkan im Gästebereich zu vermelden gab. Erste Chance im Spiel - und dann gleich ins Schwarze treffen! Magdeburg wurde total aus der Kalten getroffen, auf Rostocker Seite wurden tausendfach Glückshormone ausgeschüttet.
Nach der Pause wollte Hansa nachlegen und drängte auf den zweiten Treffer. So kam auf der linken Seite Nartey zu einer guten Möglichkeit, doch dieses Mal war es FCM-Schlussmann Morten Behrens, der sich auszeichnen durfte. Nach einer Rostocker Sturm- und Drangphase kam Magdeburg wieder etwas besser ins Spiel, und in der 78. Minute hätte Christian Beck wieder einmal der Magdeburger Held werden können. Sören Bertram hatte den Ball hereingebracht und Beck setzte den Ball mit dem Kopf aufs Rostocker Gehäuse. Jedoch war wieder einmal Kolke schnell genug am Boden und bekam den Ball zu fassen.
Auf der Gegenseite hatte Nikolas Terkelsen Nartey das 2:0 auf dem Fuß, doch allein vor dem Magdeburger Gehäuse setzte er das Spielgerät über jenes. Das letzte Anrennen samt Magdeburger Schlussmann nutzte indes nichts mehr, eine weitere Großchance wollte nicht mehr herausspringen. Das Spiel wurde angepfiffen, noch einmal kochten die Emotionen hoch, und dann feierten die Rostocker Fans mit der Mannschaft den historischen Sieg. In der Tabelle rückte der F.C. Hansa Rostock vor auf Rang sechs, der Abstand zum dritten Platz beträgt nur noch drei Punkte. Während es beim Spitzenspiel Eintracht Braunschweig vs. SpVgg Unterhaching ein torloses Remis zu sehen gab, feierte der Spitzenreiter Hallescher FC einen überraschend deutlichen 4:0-Sieg beim SV Waldhof Mannheim.
Fotos: Aumi, privat, Jean Falkner