Was für die Geschichtsbücher: Rot-Weiss Essen gewinnt in Wuppertal

Was für die Geschichtsbücher: Rot-Weiss Essen gewinnt in Wuppertal

Nur die Älteren werden sich wohl an einen Sieg von RWE in einem Ligaspiel im Stadion am Zoo noch erinnern. Damals stand die Berliner Mauer noch und in der Oberliga Nordrhein (dritte Liga) siegte am 1. Mai 1986 Rot-Weiss Essen mit 2:0. Seit über 33 Jahren kein Ligaspiel mehr in Wuppertal gewonnen (aber im Niederrheinpokal 2017), das ist schon eine Hausnummer für die stark gebeutelte rot-weisse Fanseele. Aber noch nie waren die Chancen besser einen Dreier einzufahren als in dieser Saison, stellt RWE doch ein runderneuertes Team mit Anspruch auf die Spitze, das sich auch durch den schwierigen Essener Herbst kämpfen kann, während die Wuppertaler aktuell gegen den Abstieg spielen.

Sportlich die Vorzeichen alles auf Auswärtssieg zumal auch die Aufstiegskonkurrenz (SC Verl) etwas schwächelte. Nur aus Sicht der Fans insbesondere der aktiven RWE Fanszene sah es nicht gut aus mit einer Reise nach Wuppertal. Sicherlich auch wegen dem letzten Gastspiel, als die Fans kurz vor dem Spiel mal kurz am Heimbereich „Hallo“ sagen wollten und von der Polizei eingekesselt wurden, haben einige rot-weisse Anhänger ein Betretungsverbot für die Stadt Wuppertal am heutigen Spieltag erhalten.



Laut einer Mitteilung der Fanszene (Ultra Gruppierungen) liege aber keiner der vom Betretungsverbot betroffenen Personen eine rechtskräftige Verurteilung vor, was dieses Verbot begründen würde. Die Fans sehen sich zu Unrecht bestraft und vor allem in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt. Klar willkürliche Betretungsverbote sind ein beliebtes Mittel, um Fans vom Stadionbesuch abzuhalten. Die aktive Fanszene hatte daraufhin gemeinschaftlich beschlossen nicht nach Wuppertal zu reisen, sie verabschiedete die Mannschaft in Richtung Bergisches Land aber gegen Mittag mit reichlich Pyro.



Insgesamt unterstützten dann im Stadion am Zoo rund 1.500 Fans ihr Team lautstark auch ohne organisierten Support und zeigten reichlich Wandtapete zum Protest gegen die Betretungsverbote: „Vom Polizeistaat an den Pranger gestellt, bis das letzte Grundrecht fällt“, „Angst vor Ultras im ganzen Land, hat der Staat sofort Betretungsverbote zur Hand“, „Hopfensaft statt Sippenhaft“. Aber auch die Heimfans reihten sich mit dem Spruchband „Gegen alle Stadtverbote in Wuppertal und überall“ in den Protest ein, was mit einem kurzen kleinen Applaus aus dem Gästeblock honoriert wurde.



Insgesamt kamen 4.550 Zuschauer zum Derby-Klassiker, auch wenn der eine oder andere Fan das Spiel vielleicht nicht als „Derby“ sieht, wurde auf den Rängen und auf dem Rasen diesem aber alle Ehre gemacht. Spruchbänder und Schmähgesänge unter der Gürtellinie untermalten das holprige Gekicke auf dem stark ramponierten Geläuf. Kein Rasen für Fußballtechniker, sondern eher was für die Holzklasse. Entsprechend glänzte das Spiel nicht von filigranen Passstaffeten oder Spielzügen, sondern präsentierte sich als ein Match mit viel Kampf und Leidenschaft. 



Die Ansage des neuen Wuppertaler (ehrenamtlich tätigen) Trainers Alexander Voigt war klar: Fighten wie bei einem Pokalspiel. Das taten dann seine Spieler auch. Anders als die „unsportlichen Sportfreunde“ aus Lotte vergangene Woche an der Hafenstraße, die nur durch aggressives Zeitspiel auffielen, spielten die Wuppertaler von Beginn an mit und warfen sich in jeden Ball. Die erste große Chance zur Führung hatte aber RWE: Nach einem Pass von Kefkir auf Kehl-Gomez, hätte dieser den Ball „nur“ etwas „chippen“ müssen schon wäre die Führung im Sack gewesen, stattdessen landete der Ball direkt auf dem Wuppertaler Torhüter der ihn abwehrte. In der 20. Spielminute dann großer Jubel im Stadion. Gianluca Marzullo netzte zum 1:0 für die Heimmanschaft ein, nachdem vorher Amara Condé den Ball nach einem Foul verlor, was der Schiedsrichter aber nicht sah. Bis auf diese Szene machte der Schiri eine gute Partie, im Gegensatz zu seinen sonstigen Kollegen, die in der Regionalliga pfeifen. Muss ja auch mal gesagt (geschrieben) werden.



Das Spiel wurde zunehmend langsamer, erst zum Ende der ersten Hälfte kamen die Essener noch zu zwei großen Chancen, aber der Wuppertaler Torhüter verhinderte den Ausgleich. Die zweite Hälfte begann druckvoll durch die Gäste, während der WSV versuchte das Spiel zu verlangsamen, um ein wenig Zeit von der Uhr zu nehmen. Genau dieses Zeitspiel wurde den Wuppertalern dann am Ende zum Verhängnis. Das Spiel nahm Mitte der zweiten Hälfte der zweiten Halbzeit wieder richtig Fahrt auf. So stand Marcel Platzek nach einer Ecke von Kefkir genau da wo ein Stürmer stehen muss und erzielt das 1:1 per Direktannahme. Essen drückte weiter und belagerte förmlich den Wuppertaler Strafraum konnte den Ball aber nicht gefährlich in Tornähe befördern, die Entlastungsangriffe des WSV blieben aber gefährlich unter anderem mit einem Pfostentreffer.





Das Unentschieden wäre ein gerechtes Ergebnis für beide Seiten. Dann begann die fünfminütige Nachspielzeit und die wurde für die Wuppertaler lang, sehr lang. Die ersten WSV-Spieler gehen mit Krämpfen zu Boden und lassen sich Zeit bei Einwurf und Abstoß. Entsprechend läßt der Schiedsrichter noch länger spielen und dann steht Hedon Selishta in der 96. Spielminute dort wo ein Joker stehen muss und staubt zum 1:2 und damit zum Essener Sieg ab. Um die Bedeutung seines Tores weiß er und deshalb rennt er über den ganzen Platz in Richtung Gästeblock, der vor Ekstase explodiert. Dafür erhält er die gelbe Karte, geschenkt. Das Spiel wird noch einmal angepfiffen aber es blieb beim ersten Sieg seit über 30 Jahren im Stadion am Zoo und Essen rückt wieder auf Platz drei vor.



Zurück zu 1986, dem letzten Liga-Derbysieg von Essen in Wuppertal: Am Ende der Oberliga-Saison belegte RWE damals den ersten Tabellenplatz vor dem BVL 08 Remscheid und schaffte nach der acht Spiele dauernden Aufstiegsrunde (hinter dem FC St. Pauli) den Aufstieg in die zweite Bundesliga. Wenn das kein gute Omen ist. Bleibt zu hoffen das RWE die Punkte behalten darf und nicht wie im Falle Wattenscheid diese wieder weggenommen bekommt, weil eine Mannschaft aus finanziellen Gründen die Saison nicht zu Ende spielen kann. Mit den Wattenscheid Punkten stünde RWE ja noch höher und enger zur Spitze. Außerdem wäre es schade wenn ein weiterer Traditionslverein noch weiter von der Bildfläche verschwinden würde.

Egal, kommenden Samstag kommt Alemannia Aachen an die Hafenstraße und trotz Samstag-Spieltag wird die Hütte sicherlich voll.

> zu den Wuppertaler SV Fotos

> zu den Rot-Weiss Essen Fotos

 

Stadionname:
  • Stadion am Zoo
Artikel wurde veröffentlicht am
10 November 2019
Spielergebnis:
1:2
Zuschauerzahl:
4.550
Gästefans
1500

Ligen

Inhalt über Liga
Regionalliga

Benutzer-Kommentare

5 Kommentare
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Rot-Weiße Brille
Irgendwie bin ich von turus objektivere Berichte gewöhnt. Ja ich bin ein Wuppi. Nichtsdestotrotz sollte man gerade im letzten Abschnitt auch bemerken, dass es nicht nur um den xten Aufstiegsversuch der Truppe von der Hafenstr geht, sondern auch ums nackte Überleben eines weiteren Traditionvereins nach Wattenscheid.
HA
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G
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