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Quo vadis, Hertha BSC? Schießt Geld endlich Tore, oder wat?

Es ist schon merkwürdig, was derzeit bei der „Alten Dame“ geschieht. Da gibt man dem jungen und zumindest im Nachwuchsbereich überaus erfolgreichen Ante Covic die Chance, auch in der Bundesliga als Coach Fuß zu fassen, was man ohne Frage als wagemutig bezeichnen konnte. Aber warum nicht? Er kennt den Verein von der Pieke auf, hat in allen Bereichen gute Arbeit geleistet und Talente entwickelt. Diese Politik der kleinen Schritte, die nicht immer gleich Unsummen an Geldern verschlingen, wurde stets von den Fans und Mitgliedern von Hertha BSC gutgeheißen. Gepaart mit einer seit Jahren hervorragenden Nachwuchsarbeit, die Talente wie u.a. Maximilian Mittelstädt, Arne Maier, Jordan Torunarigha oder Dennis Jastrzembski hervorgebracht hat und mit denen der Verein ein Pfund in der Hand hat, mit dem er wuchern kann, ist eine derartige Entwicklung eigentlich zu begrüßen. Dazu hat man in der Hinterhand weitere Youngster wie Julian Albrecht, Muhammed Kiprit oder Jessic Ngankam, von denen gerade die beiden Letztgenannten ob ihrer in der U 23 nachgewiesenen Torjägerqualitäten eine Chance verdient hätten, die ihnen aber verwehrt wird.

Es braucht andererseits natürlich Zeit, so eine Mannschaft zu formen, die in der Nähe der Bundesligaspitze mitspielen kann. Zeit, die in der Regel keiner mehr hat, dann unruhig wird und die Felle davonschwimmen sieht, bis ein Wundermann kommt, der viel Geld in der Tasche hat und dabei sich einen Traum verwirklichen will.

Damit wir uns nicht falsch verstehen: Jeder Verein kann eine derartige Finanzspritze gut gebrauchen, nur sollte man damit sehr bewusst umgehen. Dass Gelder in erster Linie in Spieler investiert werden, ist genau richtig, nur muss man sich fragen, ob die Verantwortlichen dabei ein glückliches Händchen haben. Noch im Sommer wurde mit Daishawn Redan ein Niederländer vom Chelsea FC an Land gezogen, der den Fans als Supertalent verkauft wurde, dann überwiegend nur in der U 23 zum Einsatz kam und jetzt wieder an den FC Groningen verliehen wurde. Gleiches gilt für Eduard Löwen, der zu Saisonbeginn vom 1. FC Nürnberg kam, kaum Spielpraxis erhielt und nun ebenfalls an den FC Augsburg ausgeliehen wurde. Dafür gab es in letzter Zeit Zugänge, die einiges an Geld gekostet haben, aber ihren Nachweis, eine Verstärkung für Hertha BSC zu sein, erst noch erbringen müssen. 

Ein Santiago Ascacibar ist zum Beispiel nur ein Mitläufer, der nicht mehr Qualität besitzt als viele andere im großen Kader der Berliner. Das trifft auch auf den Ex-Dortmunder Marius Wolf zu, der in Berlin seine angebliche Klasse bislang kaum nachweisen konnte. Man kann nur hoffen für Klinsmann & Co., dass der Pole Krzysztof Piatek, der Brasilianer Matheus Cunha, bei RB Leipzig nur zweite Wahl, oder später auch der Franzose Lucas Tousart einschlagen und Hertha in Champions-League Bereiche bringen, aber da sind erhebliche Zweifel angebracht, denn zu oft haben wir in der Vergangenheit viel versprechende Spielereinkäufe wieder von dannen ziehen sehen. 

Vielmehr sollte sich Herr Klinsmann hinterfragen, wie man vorhandenes Spielermaterial bei Laune hält, denn einen immer noch spielerisch überzeugenden Salomon Kalou, einen Torjäger wie Vedad Ibisevic, beide offensichtlich ohne Chance beim Trainer, oder auch einen in die Wüste geschickten Ondrej Duda wird man vielleicht noch vermissen. Das erinnert ein wenig an die Zeit, als ein gewisser Lucien Favre mit Marko Pantelic nicht zurechtkam, der einst zu den torgefährlichsten Spielern der Bundesliga gehörte. Auch die kurzfristig erfolgte Ausleihe von Davie Selke an Werder Bremen gibt durchaus zu denken und beweist einmal mehr einen blinden Aktionismus, auch wenn Selke nur selten in Berlin überzeugen konnte.   

Auch wenn man Freiburg und Berlin kaum vergleichen kann, so ist die Vorgehensweise dort eine gänzlich andere. Man schafft es Jahr für Jahr mit aus dem Nachwuchs entwickelten Spielern mühelos die Klasse zu halten, die man später dann gewinnbringend verkaufen kann. Das ist von Christian Streich ein hervorragend entwickeltes Konzept, aber in Berlin will man ja höher hinaus und kauft deshalb Spieler ein, die sofort einschlagen sollen oder müssen. Bei allen Erfolgen, die Jürgen Klinsmann in der Vergangenheit aufzuweisen hat, Spieler zu entwickeln bzw. bei der Stange zu halten, ist nicht gerade eine Aufgabe, die er bisher überzeugend erledigt hat. Dazu zählen auch das große Talent Arne Maier oder auch Niklas Stark, die mit ihrer derzeitigen Rolle im Team kaum zufrieden sein werden. Es scheinen ihm offensichtlich einige Nasen nicht zu passen, das zeigte sich  gleich zu Beginn seiner Tätigkeit, als er Torwarttrainer Zsolt Petry, der nachweislich jahrelang gute Arbeit geleistet hatte, den Laufpass gab.  

Gewiss, die Tendenz mit den zuletzt unter ihm erzielten Erfolgen zeigt positive Ansätze, aber ein Spiel wird nun einmal durch Tore entschieden und da hapert es bei den Herthanern an allen Ecken und Enden. Ob der durchaus veranlagte Piatek diese Misere kurzfristig beenden kann und dann doch Geld Tore schießt, bleibt vorerst abzuwarten. Ein Versuch mit dem jungen Ngankam wäre sicherlich angebracht, denn in anderen Vereinen werden solch junge Leute mit Erfolg immer wieder ins kalte Wasser geworfen. 

Man sollte sich vor dem Abstieg nicht zu sicher sein und ständig von der Champions-League träumen, vielmehr kann man ruhig einmal auf den Kontrahenten aus Köpenick schauen, der in aller Ruhe, völlig unaufgeregt das Abenteuer 1. Bundesliga mit einem Toptrainer wie Urs Fischer in Angriff genommen hat und der seinen großen Spielerkader mit Fingerspitzengefühl bei Laune hält.

Bericht: Bernd Mülle 

Fotos: Marco Bertram, Arnaud Schonder, Felix

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Artikel wurde veröffentlicht am
04 Februar 2020

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1. Bundesliga

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G
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G
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Ne richtige Erfolgsstory, diese Hertha...
G
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Danke!
G
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