Hansa Rostock vs. Lok Leipzig: Erinnerungen an alte Duelle - Mitropa, Pokal und Scheune

Hansa Rostock vs. Lok Leipzig: Erinnerungen an alte Duelle - Mitropa, Pokal und Scheune

Der 1. FC Lokomotive Leipzig war seit 1994 (30. Oktober Hansa Rostock gegen VfB Leipzig, 1:0 vor 7.000 Zuschauern) endlich wieder mal zu Gast im Ostseestadion. Als Gastfan an einem ungünstigen Mittwochabend, denn ein langes Wochenende mit dem Suchen der „Klock Achtern Strombar“ oder dem Hereinfallen in die Sachsenfalle (Fischbrötchenräuber in Warnemünde) und natürlich Ostseestadion, fiel leider ins Ostseewasser. Trotzdem fanden rund 250 „Lokführer“ den Weg in den Gästeblock und dazu sicherlich noch einige ältere Leipziger auf unserer Heimtribüne. Aber ich möchte noch etwas weiter in die Geschichte zurück gehen. 

In Erinnerung bleibt unser Pokalfinale 1987 in Berlin vor 47.000 Zuschauern, welches Lok Leipzig mit 4:1 gewann. Allerdings gewannen wir klar den Fan-Vergleich mit 22.000 Hanseaten gegen 10.000 Lok-Fans. Wir schlugen uns als DDR-Ligist sehr achtbar gegen den Europapokalfinalisten. Bei Lok spielte eigentlich fast die komplette DDR-Nationalmannschaft mit den klangvollen Namen Müller, Baum, Edmond, Kreer, Lindner, Zötzsche, Bredow, Liebers, Scholz, Marschall und Richter. 

Ich selbst sah als Lehrling bei der Reichsbahn (Freifahrt!) mehrere Europacupspiele von Lok, darunter auch das EC-Halbfinalrückspiel des 1. FC Lok gegen Girondins Bordeaux, als Torwart Rene Müller den entscheidenden Ball im Elfmeterschießen versenkte. Es war wohl das größte Spiel im DDR-Fußball, denn über 100.000 Zuschauer sahen das Spiel im Leipziger Zentralstadion. Nach dem Spiel zogen 100.000 DDR-Bürger freudetrunken durch die Leipziger Innenstadt in Richtung Bahnhof. Wurden hier die nur zwei Jahre später folgenden Montag-Demos geboren? 

Mit Hansa war ich auch mehrfach im Bruno-Plache-Stadion. Aus dem Gästeblock hörten die Heimzuschauer immer: „Welche Hure, welcher Bock, schuf den 1. FC Lok?!“, „Ne Scheune als Tribüne“ (bezog sich auf die kultige Holztribüne), „Baut auf, baut auf, baut erstmal euer Stadion auf“ und „Lokomotive tschi, tschi, tschi“ (Zischgeräuche der Dampflok). Besonders in Erinnerung geblieben ist mir ein 1:0-Auswärtssieg am 1. Spieltag der Saison 1988/89 durch Babendeerde. 300 Hansafans feierten bei mindestens 30 Grad den seltenen Sieg in Leipzig. Danach ging es vermutlich zur Jubelfeier in den Thüringer Hof oder oftmals mit Übernachtung für 12 Mark ins Parkhotel, welches sich auch heute noch gegenüber den Leipziger Hauptbahnhof befindet. 

Hier war immer die Mitropa ein Anlaufpunkt für alle Fußballfans (siehe dazu ausführlich im Buch "Kaperfahrten - Mit der Kogge durch stürmische See"). Ein weiteres Pokalhalbfinale fand am 02. April 1991 in Leipzig zwischen Lok und Hansa statt. Vor nur 1.500 Zuschauern gewann Hansa mit 3:1 im Elfmeterschießen. Auch im Gästeblock waren nur rund 50 Hansa-Fans. Wir zogen ins Finale ein und wurden letzter DDR-Pokalsieger und Meister. 

Zurück zum zurückliegenden Spiel am Mittwoch. Exakt vor 34 Jahren, am 08.11.1989, spielte auch Hansa gegen Lok und beide Mannschaften trennten sich 3:3. Es war bekanntlich nur ein Tag vor dem Mauerfall. Ich erinnere mich, dass zum ersten Mal laute „Stasi raus“-Rufe der Zuschauer im Ostseestadion zu hören waren, als Zivilpersonen Hansa-Fans festnahmen. Die Zeiten sind zum Glück lange vorbei und ich durfte Hansa nach München, Barcelona oder Dubai begleiten. 

Lok machte leider einen völlig anderen sportlichen Weg. Mit Umbenennung zum VfB und einer Neugründung des 1. FC Lokomotive Leipzig. Leider wurde der mögliche Aufstieg in die 3. Liga vor drei Jahren verpasst, somit dümpelt man seit gefühlten Ewigkeiten in der Regionalliga rum. Dank des Aufstieges unseres „A-Team“ gab es immerhin mal wieder ein Besuch in Rostock. Auch das Heimpublikum lockte der Gegner immerhin rund 2.500 Zuschauer ins Ostseestadion. Für zehn Euro darf der Heimzuschauer sogar auf den gemütlichen ViP-Sesseln Platz nehmen. Viele ältere Hansa-Fans waren heute extra gekommen, welche etliche Schlachten im „Bruno“ mitgemacht hatten.

Die Lok-Fans waren gut drauf und über das komplette Spiel lautstark zu hören. Unsere jungen Hanseaten machten hinten dicht und lauerten auf Konter, was in der 26. Minute in Form eines Tores durch Allessando Schulz gelang. Lok wirkte geschockt und fuhr einige Minuten nur noch im Personenzugtempo. Der Lokführer legte schließlich ein paar Kohlen auf und schon stand es 1:1 durch Arslan. 

Dem Hanseaten Köster gelang in der 72. Minute nur ein Innenpfosten-Treffer und auch die Leipziger hatten noch eine gute Chance. Am Ende stand ein leistungsgerechtes Unentschieden. Bemerkenswertes tat sich noch in der 80. Minute, denn ab da feuerten die rund 2.000 Heimzuschauer ihre jungen Hanseaten lautstark an. Nun hoffentlich habt Ihr alle Lust auf das Rückspiel in Leipzig, denn Lok ist für mich der einzige sympathische Verein in Leipzig. Ahoi Heiko Neubert!

Anmerkung: Das Bild mit den Polizeischildern stammt vom Duell 1. FC Lok Leipzig vs. F.C. Hansa Rostock in der Saison 1990/91. Der Autor ist rechts im Bild.

Bericht: Heiko Neubert

Fotos: Heiko Neubert, Klischi, Marco Bertram

Stadionname:
  • Ostseestadion
Artikel wurde veröffentlicht am
10 November 2023
Spielergebnis:
1:1
Zuschauerzahl:
2.558

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