18 Jahre nach dem vielumschriebenen Sommermärchen sprich der Fußball-Weltmeisterschaft 2006, gastiert wieder ein großes Fußballturnier in Deutschland und wieder durften die Engländer ins (Zitat eines englischen Anhängers) „Drecksloch“ Gelsenkirchen reisen. Während sich die Engländer an den 1. Juli 2006 in GE ungern erinnern (Viertelfinale verloren gegen Portugal), bleibt von gestern viel Bier, Gesang, Party und das Fazit, dass Gelsenkirchen alles andere als ein „Drecksloch“ ist. Für England ein gelungener Ausflug ins Ruhrgebiet. Für Serbien eher ein schmerzhafter. Dabei ging es gut los.
England gegen Serbien vs. Albanien? Videos & Fotos von Action und Stimmung
Schon gegen Mittag bevölkerten hunderte von Serben die „Domplatte“ vor der Propsteikirche St. Urbanus in Gelsenkirchen Buer. Am Fanmeeting Point war eine Bühne aufgebaut und ein DJ spielte passende Folklore zum Einstimmen. Die Stimmung: Ausgezeichnet. Es wurde gesungen, getanzt und die eine oder andere Fackel entzündet.
Buer war ganz in der Hand von Serben. Einige schafften es ganz nicht bis zur offiziellen Party und eröffneten kurzerhand am Busbahnhof von Buer eine zweite Partymeile. Eine großartige Stimmung nur wenige Kilometer vom EM-Stadion entfernt. Später am Nachmittag gab es dann einen Fanmarsch mit gut 4.000 serbischen Fans zur Arena auf Schalke.
Unser Video Stimmung der Serben in Gelsenkirchen:
Die Engländer hatten ihre Basis acht Kilometer entfernt in der Innenstadt von Gelsenkirchen am Heinrich König Platz aufgeschlagen, jedenfalls ein Teil. Auch hier gab und gibt es eine Bühne am Fanmeeting Point, die aber leer blieb. Die Engländer hockten lieber dicht gedrängt vor den Kneipen und Cafes und legten ein Lied nach dem anderen in bekannter Weise auf. Schon 2006 war hier neben der Glückauf Kampfbahn das Epizentrum der englischen Feierbiester.
WM 2006:
EM 2024:
Das Lied-Repertoire fast unerschöpflich und na klar auch mit reichlich Grenzüberschreitungen. So gab es natürlich auch mehrfach „Ten German Bombers“ bei denen aufblasbare Jagdflugzeuge durch die Luft geworfen wurden. Trotz allem: Eine ausgezeichnete und vor allem sehr friedliche Stimmung. Diese Szenerie wurde von einem Trupp sportlich motivierter Serben aufmerksam beäugt, die den einen oder anderen Engländer scheinbar ins Visier nahmen und sich auch den einen oder anderen Rempler gestatteten. Die Engländer in Partylaune reagierten aber gar nicht und so zogen die Serben mit Gesang davon.
Ihr Ziel die Arminstraße, eine Seitenstraße der Einkaufsstraße (Bahnhofsstraße) in Gelsenkirchen. Während am Anfang der Straße die Restaurants und Kneipen fest in englischer und polnischer Hand waren (Polen spielte am Nachmittag gegen die Niederlande), hatten sich am Ende der Arminstraße einige sportlich motivierte Serben im Steakhouse Hirt niedergelassen und dieses beflaggt. Das Treiben blieb auch nicht von der Polizei unbemerkt, die sich in unmittelbarer Nähe zwischen dem serbischen Restaurant und den Lokalitäten mit den englischen Fans postierte.
Plötzlich gab es Bewegung bei den Einsatzkräften und sie entfernten sich von ihren Posten und liefen in Richtung Bahnhofsstraße. Die Fans in der Arminstraße ob Engländer oder Serben störte das nicht, sie tranken, aßen und schauten das Spiel zwischen Polen und Niederlande. Plötzlich gab es einen Knall von zersplitterten Glas und vom anderen Ende der Arminstraße (Ecke Weberstraße) rannten einige teils dunkel gekleidete Personen auf die Kneipe der Serben zu und warfen verschiedene Gegenstände, vermutlich Flaschen. Erschrocken über den Angriff wichen die meisten Serben für ein paar Sekunden in das Lokal zurück, um nur kurze Zeit später den Gegenangriff mit Stühlen und Biergläsern zu starten. Die Einsatzkräfte, die auf dem Weg in die andere Richtung waren kamen zurück geeilt und gingen direkt zwischen die Fronten. Die Angreifer flüchteten in die angrenzenden Straßen. Es gab sichtbar einige Verletzte.
Unser Video von den Ausschreitungen in Gelsenkirchen
Die Polizei hatte die kurze Auseinandersetzung schnell unter Kontrolle und nach ein paar Minuten kamen dann auch die ersten Kamerateams und Fotografen zum Ort des Geschehens. Innerhalb kürzester Zeit wurden Überschriften wie „Englische Hooligans greifen Serben an“ in die Welt posaunt und das obwohl zu diesem Zeitpunkt gar nicht klar war wer hinter der Attacke stand. Ein Spiel mit englischer Beteiligung, ganz klar das müssen Hools aus England sein.
Dabei reicht eigentlich ein Blick auf den Stadtplan von Gelsenkirchen, um zu erkennen, dass dieser Angriff eigentlich nur mit etwas Ortskenntnis durchgeführt werden konnte. Gewartet bis die Polizei sich entfernt hatte und dann den Angriff gestartet. In verschiedenen sozialen Netzwerken ist dann auch von Anhängern aus Albanien die Rede. Albanien spielte am Vortag in Dortmund gegen Italien und so könnte es durchaus sein, dass ein paar Kilometer weiter koordiniert von lokal ansässigen Albanern eine entsprechende Aktion durchgeführt wurde. Aber natürlich können sich die Engländer auch intensiv die Gegend genau angeschaut haben, um dann effektiv los zu schlagen. Aber genaues wissen wir nicht. Jedenfalls gab es auch von der Seite der Polizei dazu keine weiteren Informationen (Stand 17.06.2024 / 10 Uhr). Deswegen enthalten wir uns den Spekulationen.
Und die "echten" englischen Fans? Die feierten friedlich weiter und das sowohl in der City von Gelsenkirchen, als auch in der offiziellen Public Viewing Area an der Trabrennbahn Gelsenkirchen. Hier verfolgten tausende von Fans, die keine Eintrittskarten hatten das Spiel und stimmten sich dazu über Stunden ein.
Unser Video Stimmung und Support England Fans
Fotos und Videos: Bildagentur frontalvision.com