Du min Ostseestadion, meine leve Vaterstadt - bei dir bin ich zu Haus

Du min Ostseestadion, meine leve Vaterstadt - bei dir bin ich zu Haus

Am Sonnabend war Start in die 3. Liga und der F.C. Hansa Rostock empfing um 16:30 Uhr - haben wir zu dieser Zeit überhaupt schon einmal gespielt? - die 2. Mannschaft des VfB Stuttgart. Vor kurzem kamen noch Schalke 04 oder der HSV ins Ostseestadion und nun Dortmund, Hannover und Stuttgart mit ihren A-Teams. Ich erwischte mich noch selbst beim Lesen der Ergebnisse der 2. Bundesliga, aber die interessieren mich jetzt genauso wenig wie Eiskunstlauf, Basketball oder die Bundesliga.

Die Fanszene von Hansa hatte bei den vergangenen Heimspielen um Spenden für die Choreographie zum 70-jährigen Jubiläum der Eröffnung des Ostseestadions gebeten und heute war der große Tag gekommen. Zeit für mich, mal wieder in meine persönlichen Erinnerungen zum Thema Ostseestadion einzutauchen: Angefangen hat mein Interesse am Fußball im Jahre 1975. Es begann ganz normal wie bei den meisten. Der Vater nimmt seinen kleinen Sohn mit zum Fußball (damals nur den Sohn!). Da ich in Rostock geboren wurde und auch aufwuchs, sollte es das Ostseestadion sein, wo ich mit sechs Jahren mein erstes Fußballspiel in der damaligen DDR-Oberliga sehen durfte. Wäre ich in Dresden oder Magdeburg geboren worden, wäre ich wohl Dynamo- oder 1. FC Magdeburg-Fan geworden. Damals suchte man sich seinen Verein nicht aus. Zu 99 Prozent wurde man Fan vom Verein seiner Geburtsstadt.

Es war für einen kleinen Steppke wie mich einfach gigantisch. Schon die Anreise mit Bus, Straßenbahn oder S-Bahn war aufregend. Die vielen singenden und lärmenden Fans zu sehen, mit ihren von Oma gestrickten blau-weißen Wollschals, war einfach fantastisch. Am Ostseestadion selbst bildeten sich bei Oberligaspielen sehr lange Schlangen an den Stadionkassen. Vorverkaufsstellen gab es damals nur zwei – eine im Buchladen „Grundgeyer“ und eine in der Rostock-Information. Die Eintrittspreise waren sehr niedrig: Kinder 55 Pfennige, Schüler Kurve 80 Pfennige und Erwachsene in der Kurve für 1,60 Mark. Es war noch die Zeit ohne Zäune und Blockabsperrungen im Ostseestadion. An den zwei Eingängen zum Stadion stand jeweils ein Verkaufskiosk. Hier gab es das typische DDR-Imbissgericht: Bockwurst mit Brötchen. Dazu gab es noch Brause, Kekse und Zigaretten. Oberhalb der Stadiontraversen standen im Sommer Eistruhen, hier gab es die Eissorten „kalte Briese“ für 40 Pfennige oder Stangeneis für 20 Pfennige.

Fast jeder Zuschauer kaufte sich für zwanzig Pfennige ein Fußballprogramm. Auf acht DIN A5-Seiten wurde man über Tabelle, Gastverein und Stadionverbote ausreichend informiert. Auf der letzten Seite gab es einen Tombola-Abschnitt, welchen man am Eingang des Ostseestadions in aufgestellte Sammelboxen werfen konnte. In der Halbzeitpause wurden die Gewinner der heißbegehrten Hansa-Souveniere von Stadionsprecher Kalle Kordt durchgesagt.

Heißbegehrt waren die Preise, da man anfänglich keine Hansa-Fanartikel kaufen konnte. Später gab es ein sehr überschaubares Angebot wie Wimpel, Gläser oder Aufnäher. Allerdings keine Fahnen oder gar Hansa-Schals. So war auf sehr vielen Weihnachtswunschzetteln zu lesen: Ich wünsche mir einen von Oma gestrickten blau-weißen Fanschal. Viele Fans trugen auch eine Fanweste mit Aufnähern verschiedener Mannschaften, wobei der Aufnäher des BFC Dynamo immer durchkreuzt war. Nach Silvester wurden beim ersten Heimspiel ein paar Knaller und Feuerwerk im Ostseestadion verwendet und das Schmeißen von Klo- und Kassenrollen war sehr beliebt. Unser Ostseestadion war mit 30.000 Zuschauern meist ausverkauft gegen den BFC Dynamo. Kalle Kordt rief die Zuschauer zum Zusammenrücken auf, da noch tausende Zuschauer am Eingang warteten.

Oliver Schubert brauchte heute nicht zum Zusammenrücken aufrufen, denn 23.000 Hansafans hatten genug Platz. Im Gästeblock zählte ich passend zum heutigen Tag 54 VfB-Fans. Nach „HANSA FOREVER“ wurden auf allen Tribünen blaue, weiße und rote Ponchos übergezogen, auf der Ost entstand der Schriftzug „UM DIE LIEBE ZUR HEIMAT, ZUM MEER UND ZUM STRAND MIT DIR ZU VERBINDEN, WIRST DU OSTSEESTADION GENANNT.“ Auf der Nord konnte man Hansa, 70 Jahre Ostseestadion und Empor als Wandbilder sehen. Die Süd erinnerte mit unserem alten Anzeigeturm und dem Marathontor an das alte Ostseestadion und würdigte die Erbauer. Es gab sehr viel Lob und Beifall für die Macher dieser gelungenen Choreographie. Meinen Respekt für die kreativen Köpfe sowie alle fleißigen Maler, Näher, Eintüter, Verteiler!

Es war nun also angerichtet und ich freute mich auf den „Neustart“ und meinen Traum vom anderen Fußball. Bitte keine „Söldner“ oder Leihen mehr. Entwickeln und Formen einer Mannschaft aus Nachwuchs und gestandenen Hanseaten. Uns hilft kein kurzfristiger Erfolg, sondern das Zusammenwachsen einer erfolgreichen Mannschaft. Bitte nicht nach Niederlagen gleich den Trainer in Frage stellen.

Tim Krohn war mir bereits in der Regionalliga-Mannschaft sehr positiv aufgefallen, denn schon in wenigen Einsatzminuten sah man den Unterschied in der Mannschaft. Nun wurde das 18-jährige Eigengewächs mit der Startaufstellung und dem Auflaufen vor 23.000 Zuschauern im Ostseestadion belohnt. In der 9. Minute gelang ihm fast der Führungstreffer, aber sein satter Schuss ging an die Latte. Lebeau ging in der 13. Minute allein auf das Stuttgarter Tor zu, doch der Torwart blieb Sieger. Hansa wirbelte die Stuttgarter mächtig durcheinander, jedoch fehlte der Führungstreffer. Dieser gelang Lebeau dann in der 36. Minute durch Foulelfmeter. Weitere Chancen folgten. Aber erstmal gab es Bockwurst und Brause in der Pause.

In der zweiten Halbzeit machte Hansa anfänglich gut weiter. Die erneute Chance von Lebeau segelte in der 48. Minute jedoch wieder knapp am Tor vorbei. Die Amateure legten ihren Respekt nun ab – ein Bruch lag in Hansas Spiel – und bekamen mehr Spielanteile. Folgerichtig das 1:1 in der 70. Spielminute. Hansa versuchte das 2:1, aber Köster, Gebuhr, Lebeau und Gudjohnsen scheiterten am hervorragenden Stuttgarter Torwart. Kinsombi klärte für Hansa noch auf der Linie. Hansas neuer Torwart Uphoff wirkte sehr unsicher, bei Ecken oder Freistößen zeigte er deutliche Schwächen in der Strafraumbeherrschung.

Am Ende des Tages konnten wir verbuchen: nicht verloren! Unser erfahrener Trainer wird unsere Schwachstellen genau analysieren und einige Probleme durch weitere Verpflichtungen verbessern. Ich bin zuversichtlich. Aber ohnehin ist es mir völlig egal, ob Stahl Riesa, Wismut Aue, der FC Bayern oder der FC Barcelona als Gast ins Ostseestadion kommen. Wichtig sind nur Hansa und unser Ostseestadion! Ahoi Heiko

Bericht & Fotos: Heiko Neubert

> zur turus-Fotostrecke: F.C. Hansa Rostock

Stadionname:
  • Ostseestadion
Spielergebnis:
1:1
Zuschauerzahl:
23.200
Gästefans
54

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Inhalt über Liga
3. Liga

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